22.11.2024
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Dokument-Nr. 2714

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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.07.2006

Erfolglose Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Einführung des Ethik­un­ter­richts in Berlin als PflichtfachVerfas­sungs­be­schwerden gegen Gesetze sind unzulässig - zunächst sind die Fachgerichte anzurufen

Das Lehrfach "Ethikunterricht" kann an Berliner Schulen unterrichtet werden. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nahm den Eilantrag einer 12-jährigen Schülerin und ihrer Eltern gegen die Einführung des Unter­richts­faches nicht zur Entscheidung an.

Mit Wirkung für das am 21. August 2006 beginnende Schuljahr 2006/2007 wird im Land Berlin ein „Ethikunterricht“ für die Jahrgangsstufen 7 bis 10 als ordentliches Lehrfach eingeführt. Grundlage hierfür ist die Neufassung von § 12 Abs. 6 Satz 1 Schulgesetz. Die Einführung des Unter­richts­faches erfolgt zunächst in der Jahrgangsstufe 7, in den Folgejahren wird der Unterricht auf jeweils eine weitere Jahrgangsstufe erstreckt. Der Ethikunterricht tritt als Pflichtfach ohne Abmel­demög­lichkeit neben den Religi­o­ns­un­terricht.

Die Beschwer­de­führer, eine 12-jährige Schülerin und ihre Eltern, wenden sich gegen die Einführung des Ethik­un­ter­richts als ordentliches Lehrfach. Sie sehen sich durch die fehlende Abmel­demög­lichkeit in ihrem Grundrecht auf Religi­o­ns­freiheit und in ihrem Elternrecht verletzt. Ihre Verfas­sungs­be­schwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden war, hatte keinen Erfolg. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfas­sungs­be­schwerde sei unzulässig, da den Beschwer­de­führern die Möglichkeit offen stehe, zunächst um eine Befreiung vom Ethikunterricht nachzusuchen und dann gegebenenfalls verwal­tungs­ge­richt­lichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Verfas­sungs­be­schwerden gegen Gesetze sind unzulässig, wenn der Beschwer­de­führer in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangen kann. Dieser Grundsatz der Subsidiarität gewährleistet, dass dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht nur die abstrakte Rechtsfrage und der Sachvortrag des Beschwer­de­führers unterbreitet werden, sondern auch die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein für diese Materie zuständiges Gericht.

§ 46 Abs. 5 Satz 1 Schulgesetz des Landes Berlin ermöglicht die Befreiung von der Teilnahme an einzelnen Unterrichts- oder Schul­ver­an­stal­tungen. Ob diese Vorschrift die generelle Befreiung eines Schülers vom Ethikunterricht ermöglicht, ist nicht zweifelsfrei, durch den Geset­zes­wortlaut aber jedenfalls nicht ausgeschlossen. Es ist zunächst Sache der zuständigen Schulverwaltung, auf Anträge von Schülern zur Befreiung vom Ethikunterricht die Voraussetzungen der Befrei­ungs­vor­schrift im Lichte der Grundrechte näher zu bestimmen und anzuwenden. Bliebe ein entsprechender Befrei­ungs­antrag erfolglos, bestünde die Möglichkeit verwal­tungs­ge­richt­lichen Rechtsschutzes. Erst die Auslegung der Befrei­ungs­vor­schrift durch die hierzu in erster Linie berufenen Fachgerichte wird zeigen, ob das Freistel­lungsziel der Beschwer­de­führer auf der Grundlage dieser Bestimmung erreichbar ist, welche Anforderungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die Gewährung der Befreiung zu stellen sind und inwieweit der Behörde in Fällen dieser Art noch ein Ermes­sens­spielraum verbleibt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 67/2006 des Bundesverfassungsgerichts vom 20.07.2006

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