21.11.2024
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Dokument-Nr. 5912

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Beschluss26.08.2003Bundesverfassungsgericht1 BvR 1003/02
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Bundesverfassungsgericht Beschluss26.08.2003

Werbung von Zahnärzten im Internet

Die Verfas­sungs­be­schwerde (Vb) zweier Zahnärzte, die sich gegen ihre berufs­ge­richtliche Verurteilung zu einer Geldbuße wegen unzulässiger Werbung im Internet und in den "Gelben Seiten" wehrten, war erfolgreich. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob das Urteil des Landes­be­rufs­ge­richts für Zahnärzte in Stuttgart auf, weil es die Beschwer­de­führer (Bf) in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt. Das Verfahren wurde an das Landes­be­rufs­gericht für Zahnärzte zurückverwiesen.

Die Bf und ein weiterer Zahnarzt betreiben eine Gemein­schaft­s­praxis. In einer vom Bf zu 2 erstellten Inter­net­prä­sen­tation der Praxis wurden die in der Praxis tätigen Zahnärzte in bunten Lichtbildern nebst Angaben u.a. zu ihrem Ausbildungsgang, den Schwerpunkten ihrer zahnärztlichen Betätigung in der Gemein­schaft­s­praxis und ihren Hobbies wiedergegeben. Die Homepage, die den Hinweis enthielt, man könne in der Praxis den regionalen Dialekt sprechen, stellte weiter die übrigen Mitarbeiter der Gemein­schaft­s­praxis vor und beschrieb verschiedene zahnärztliche Behandlungen. Schließlich wurden auch die Behand­lungs­zimmer sowie die Ausstattung dieser Räumlichkeiten unter Verweis auf einzelne Geräte, zum Teil unter Angabe des Herstellers, dargestellt. Der Bf zu 2 veranlasste ferner einen Eintrag der Gemein­schaft­s­praxis im Telefonbuch "Gelbe Seiten" 2000/2001 unter der Rubrik "Zahnärzte: Implantologie", was die Bf zu 1 duldete. Das Bezirks­be­rufs­gericht für Zahnärzte verurteilte die Bf wegen berufs­un­würdigen Verhaltens zu unterschiedlich hohen Geldbußen. Ihre Berufungen vor dem Landes­be­rufs­gericht blieben erfolglos. Mit der Vb rügen die Bf die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Gründe:

Nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist dem Arzt lediglich die berufswidrige Werbung verboten. Inter­es­sen­ge­rechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, ist im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr zulässig. Die vom Landes­be­rufs­gericht herangezogenen Rechts­grundlagen begegnen keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken, sie sind jedenfalls verfas­sungs­kon­former Auslegung zugänglich. Im Einzelnen führt die Kammer dazu aus:

Die Berufsordnung der Landes­zahn­ärz­te­kammer Baden-Württemberg untersagt dem Zahnarzt jede berufswidrige Werbung und Anpreisung. Dies ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Die - durch Enumeration von erlaubten Angaben engere Grenzen ziehende - Regelung der Berufsordnung zur Internetwerbung ist verfas­sungs­konform dahin auszulegen, dass auch insoweit nur die berufswidrige Werbung im Internet unzulässig ist. Die Wahl des Mediums Internet rechtfertigt nicht, die Grenzen enger zu ziehen, zumal sich Internetwerbung als passive Darstel­lungs­plattform nicht unaufgefordert potenziellen Patienten aufdrängt. Die berufs­rechtliche Bestimmung, die dem Zahnarzt verbietet, seine zahnärztliche Berufs­be­zeichnung für gewerbliche Zwecke zu verwenden oder ihre Verwendung für gewerbliche Zwecke zu gestatten und eine Werbung für berufsfremde Tätigkeiten oder Produkte in den Praxisräumen für unzulässig erklärt, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie dient einem beachtlichen Gemein­wohl­belang. Der Patient soll darauf vertrauen können, dass der Arzt sich nicht von kommerziellen Interessen leiten lässt. Die weitere Regelung der Berufsordnung, wonach der Zahnarzt nur von der Kammer anerkannte Gebiets­be­zeich­nungen führen darf, ist nur bei entsprechender Auslegung verfas­sungs­konform. Eine Berufs­feld­angabe darf lediglich mit Rücksicht auf anzuerkennende Gemein­wohl­belange verboten werden.

Dem so beschriebenen Prüfungsmaßstab des Art. 12 Abs. 1 GG wird die angegriffene Entscheidung nicht in jeder Hinsicht gerecht. Das Landes­be­rufs­gericht hat Sinn und Zweck der Angabe der "Implantologie" im Branchen­te­le­fonbuch im konkreten Einzelfall unberück­sichtigt gelassen. Der wahrheitsgemäße Hinweis auf dieses Betätigungsfeld bedeutet für den Patienten, der sich einer solchen Behandlung unterziehen will, einen wertvollen Suchhinweis im Telefonbuch, da dieses Verfahren nicht von allen Zahnärzten gleichermaßen beherrscht und praktiziert wird. Auch die Beurteilung der Internetwerbung durch das Landes­be­rufs­gericht ist verfas­sungs­rechtlich zu beanstanden. Ein Patient hat ein legitimes Interesse an Informationen über den beruflichen Werdegang und die Praxi­s­er­fah­rungen von Zahnärzten. Sie sind daher als sachangemessen zu qualifizieren. Auch der Hinweis auf das Beherrschen des einheimischen Dialekts ist bedenkenfrei. Für die vertrau­en­bildende Verständigung ist der Arzt auf eine gute Kommunikation mit dem Patienten angewiesen. Dies gilt auch für die örtliche Sprechweise. Der Sympa­thie­werbung mit privaten Hobbies fehlt es zwar am Sachzu­sam­menhang mit der beruflichen Tätigkeit oder Qualifikation der Zahnärzte. Gemein­wohl­belange, die ein Verbot solcher Angaben im Rahmen der passiven Werbung im Internet rechtfertigen könnten, sind jedoch nicht ersichtlich.

Soweit die angegriffene Entscheidung den Bf einen Verstoß gegen das Fremd­wer­be­verbot anlastet, ist sie verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Dieser Verstoß vermag jedoch den Umfang der ausgesprochenen Verurteilung nicht zu tragen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des BVerfG vom 04.09.2003

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