23.11.2024
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Dokument-Nr. 7336

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Beschluss26.01.2001Bundesverfassungsgericht1 BvQ 9/01
Weitere Entscheidungen zu diesem Thema:
  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss09.02.2001, 1 BvQ 10/01
  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss26.01.2001, 1 BvQ 8/01
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss26.01.2001

Keine rechtsextreme Demonstration am Holocaust-Gedenktag

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem der Veranstalter einer rechtsextremen Demonstration durchsetzen wollte, dass diese am 27. Januar 2001 stattfinden kann.

1. Der Antragsteller (Ast.) hatte die Kundgebung mit dem Thema "Für Meinungs­freiheit - Demo statt Infotisch!" für den 27. Januar 2001 angemeldet. Die Versamm­lungs­behörde versuchte eine einvernehmliche Verlegung des Demon­s­tra­ti­o­ns­termines auf den 28. Januar zu erreichen. Hierauf ließ der Ast. sich nicht ein. Er meldete allerdings für den 28. Januar 2001 eine identische Veranstaltung an.

Die Versamm­lungs­behörde verfügte daraufhin im Wege der Auflage, dass der für den 27. Januar angemeldete Umzug auf den 28. Januar verlegt werde. Zur Begründung verwies sie darauf, dass rechtsextreme Aufzüge und Kundgebungen an dem Holocaust Gedenktag eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung darstellten. Die Herabwürdigung des Gedenktages beeinträchtige quer durch alle Bevöl­ke­rungs­schichten das sittliche Empfinden aller Bürgerinnen und Bürger. Der Eilantrag des Ast. blieb in beiden Instanzen erfolglos.

2. Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. In den Gründen, deren schriftliche Fassung jetzt nachgereicht wurde, führt sie im Wesentlichen aus:

Bei der in Verfahren der einstweiligen Anordnung vorzunehmenden Folgenabwägung kann das BVerfG in Eilfällen wie dem vorliegenden in der Regel den Sachverhalt nicht selbst ermitteln und eigenständig würdigen. Es legt in diesen Fällen seiner Abwägung regelmäßig die Tatsa­chen­fest­stel­lungen und -würdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde, es sei denn, diese sind offensichtlich fehlsam. Entsprechendes gilt, wenn das für eine Einschränkung der Versamm­lungs­freiheit herangezogene Schutzgut in rechtlicher Hinsicht die Einschränkung eindeutig nicht trägt.

Im vorliegenden Fall ist die Argumentation der Versamm­lungs­behörde und der Gerichte jedoch ohne weiteres nachvollziehbar. Zwar trägt eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen ein Versamm­lungs­verbot nicht. Die öffentliche Ordnung scheidet aber nicht grundsätzlich als Schutzgut für eine Einschränkung des Versamm­lungs­rechts unterhalb der Verbotsschwelle aus. Die öffentliche Ordnung kann betroffen werden, wenn einem bestimmten Tag ein in der Gesellschaft eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, der bei der Durchführung eines Aufzugs an diesem Tag in einer Weise angegriffen wird, dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt werden. Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Versamm­lungs­behörde der Durchführung eines Aufzugs durch Personen aus dem Umfeld der rechtsextremen "Kameradschaften" an dem Jahrestag der Befreiung des Konzen­tra­ti­o­ns­lagers Ausschwitz eine Provo­ka­ti­o­ns­wirkung beimisst und dies als Gefahr einer erheblichen Beein­träch­tigung des sittlichen Empfindens der Bürgerinnen und Bürger bewertet.

Das aus Art. 8 Abs. 1 GG abzuleitende Selbst­be­stim­mungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt einer Demonstration steht der Anordnung der Auflage, diese zeitlich zu verschieben, nicht entgegen. Aus diesem Selbst­be­stim­mungsrecht folgt lediglich, dass der Veranstalter sein Demon­s­tra­ti­o­ns­in­teresse eigenständig konkretisieren darf. Kollidiert sein Grundrecht mit anderen Rechtsgütern, steht ihm nicht auch ein Bestim­mungsrecht darüber zu, wie die Inter­es­sen­kol­lision rechtlich bewältigt werden kann. Die Abwägung, ob und wieweit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Demon­s­tra­ti­o­ns­freiheit rechtfertigen, obliegt der Versamm­lungs­behörde und den mit der rechtlichen Überprüfung befassten Gerichten.

Wenn die Versamm­lungs­behörde die Auflage auf die Beein­träch­tigung der öffentlichen Ordnung stützen konnte, kommt diesem Gesichtspunkt gegenüber dem Interesse des Ast., gerade an diesem Tag zu demonstrieren, im Rahmen der Abwägung der Vorrang zu.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 23/01 des BVerfG vom 14.02.2001

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