21.11.2024
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Dokument-Nr. 3768

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Bundessozialgericht Urteil08.02.2007

Leistungen der Entgelt­si­cherung für ältere Arbeitnehmer nach unterbliebener BeratungZur Vermeidung unbilliger Härte kann auch nachträglich ein Anspruch auf Leistung der Entgelt­si­cherung zustehen

Die Bundesagentur für Arbeit muss arbeitslose Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, bei ihrer Arbeits­los­meldung über die Möglichkeit, Leistungen der Entgelt­si­cherung in Anspruch nehmen zu können, informieren. Tut sie dies nicht, können gegebenenfalls dem Arbeitslosen nachträglich Leistungen der Entgelt­si­cherung zustehen. Zur Vermeidung unbilliger Härten gilt insoweit der Grundsatz, wonach Leistungen vor dem Eintritt des leistungs­be­grün­denden Ereignisses beantragt werden müssen, nicht. Das hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden.

Der 1949 geborene Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen der Entgelt­si­cherung für ältere Arbeitnehmer für die Zeit vom 1. März 2003 bis zum 31. Januar 2005. Er meldete sich am 13. Februar 2003 bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeits­lo­sengeld. Über die Möglichkeit, Entgelt­si­che­rungs­leis­tungen in Anspruch nehmen zu können und deren Voraussetzungen wurde er nicht beraten. Zum 1. März 2003 nahm der Kläger eine geringer entlohnte Beschäftigung auf. Nachdem er zwischen­zeitlich von der Möglichkeit der Entgelt­si­cherung erfahren hatte, beantragte er am 14. Oktober 2003 bei der Beklagten die Gewährung von Entgelt­si­che­rungs­leis­tungen. Dies lehnte die Beklagte ab, weil der Antrag erst nach Beginn der neuen Beschäftigung gestellt worden sei; zudem sei das neue Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis nicht durch die Beklagte vermittelt worden. Der Kläger beruft sich demgegenüber auf eine unbillige Härte, da er zu Beginn seiner Arbeits­lo­sigkeit nicht auf die entsprechende gesetzliche Regelung hingewiesen worden sei.

Der 7a. Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts hat entschieden, dass die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Entgelt­si­cherung nicht schon deswegen ablehnen durfte, weil der Kläger den erforderlichen Antrag nicht vor Aufnahme der geringer entlohnten Beschäftigung gestellt hatte. Zwar müssen Leistungen der Arbeits­för­derung grundsätzlich vor dem Eintritt des leistungs­be­grün­denden Ereignisses beantragt werden. Von dieser Voraussetzung kann jedoch zur Vermeidung unbilliger Härte abgesehen werden. Vom Vorliegen einer unbilligen Härte ist hier auszugehen, weil der Kläger bei seiner Arbeits­los­meldung über die Möglichkeit, Leistungen der Entgelt­si­cherung in Anspruch nehmen zu können, hätte informiert werden müssen. Eine Infor­ma­ti­o­ns­pflicht der beklagten Bundesagentur ergibt sich schon aus dem vom Gesetzgeber mit der Neuregelung zur Entgelt­si­cherung in § 421 j SGB III verfolgten Ziel, ältere Arbeitnehmer zu motivieren, sich auch für solche Tätigkeiten zu interessieren, die geringer vergütet werden als die zuletzt ausgeübte, um hierdurch Arbeits­lo­sigkeit zu vermeiden oder die Dauer von Arbeits­lo­sigkeit zu verkürzen.

Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger Leistungen der Entgelt­si­cherung zustehen, konnte das Bundes­so­zi­al­gericht nicht entscheiden, weil insoweit ausreichende tatsächliche Feststellungen der Tatsa­chen­in­stanzen fehlen. So ist das Landes­so­zi­al­gericht etwa ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass das Arbeitsentgelt bei dem neuen Arbeitgeber den ortsüblichen Bedingungen entsprochen habe. Hierbei hätte es jedoch berücksichtigen müssen, dass das ortsübliche Arbeitsentgelt nur dann maßgeblich ist, wenn keine Tarif­ge­bun­denheit vorliegt und auch nicht auf einen Tarifvertrag zurückgegriffen werden kann, der für das Arbeits­ver­hältnis gelten würde, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden wären. Außerdem fehlen Feststellungen zur Netto­ent­gelt­dif­ferenz; dies ist der Unter­schieds­betrag zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das dem Arbeits­lo­sengeld zu Grunde lag und dem pauschalierten Nettoentgelt der neu aufgenommenen Beschäftigung. Ein Anspruch auf Entgelt­si­cherung kommt nur in Betracht, wenn die Netto­ent­gelt­dif­ferenz mindestens 50 Euro beträgt. Ob diese Voraussetzung hier vorliegt, konnte nach den Feststellungen des Landes­so­zi­al­ge­richts nicht entschieden werden.

Hinweis zur Rechtslage:

Übernimmt der von Arbeits­lo­sigkeit bedrohte oder bereits arbeitslose ältere Arbeitnehmer zur Vermeidung von Arbeits­lo­sigkeit eine Beschäftigung, die schlechter bezahlt wird als die bisherige, so zahlt die BA einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt und einen zusätzlichen Beitrag zur Renten­ver­si­cherung. Nach § 421 j SGB III haben Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeits­lo­sigkeit durch Aufnahme einer versi­che­rungs­pflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, Anspruch auf Leistungen der Entgelt­si­cherung, wenn sie

1. einen Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld haben und bei Aufnahme der Beschäftigung noch über einen Restanspruch von mindestens 180 Tagen verfügen oder (etwa wenn sie noch kein Arbeits­lo­sengeld beantragt haben) einen Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld über mindestens die gleiche Dauer hätten,

2. ein Arbeitsentgelt beanspruchen können, das den tariflichen oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, ortsüblichen Bedingungen entspricht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 08.02.2007

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