15.11.2024
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Dokument-Nr. 18665

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Urteil13.08.2014BundessozialgerichtB 6 KA 6/14 R
Vorinstanz:
  • Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil13.11.2013, L 9 KA 4/13 KL
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil13.08.2014

Keine höhere Vergütung für Vertragsärzte durch Neubestimmung des Behand­lungs­bedarfs ohne Anknüpfung an das VorjahrEntscheidung des Landes­schied­samtes für die vertrag­s­ärztliche Versorgung in Sachsen-Anhalt wurde aufgehoben

Die zur Vereinbarung der Gesamtvergütung berufenen Vertragspartner (Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen - KÄV) in den einzelnen KÄV-Bezirken dürfen für das Jahr 2013 die Grundlage für die jährliche Vergü­tungs­an­passung nicht losgelöst von der Höhe der für das Vorjahr gezahlten Vergütungen festsetzen. Diese Grundlage darf insbesondere nicht mit der Begründung verändert werden, dass bereits die Vergütung des Vorjahres verglichen mit anderen KÄV-Bezirken und unter Berück­sich­tigung der Morbidität (Erkran­kungs­häu­figkeit) zu gering gewesen sei. Maßgebend ist vielmehr die Veränderung der Morbi­di­täts­s­truktur gegenüber dem Vorjahr. Das hat der für das Vertragsarzt-recht zuständige 6. Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts am 13. August 2014 entschieden und damit die Rechts­auf­fassung des Landes­so­zi­al­ge­richts Sachsen-Anhalt bestätigt. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden.

Das beklagte Landes­schiedsamt muss unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Bundes­so­zi­al­ge­richts neu über die Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 entscheiden. Dabei muss es den zur Berechnung der morbi­di­täts­be­dingten Gesamtvergütung maßgeblichen Behandlungsbedarf des Jahres 2012 zu Grunde legen und auf dieser Basis die weitere Anpassung entsprechend der Veränderung der Morbi­di­täts­s­truktur vornehmen. Die Entscheidung des Landes­schied­samtes, den Bedarf für das Jahr 2012 vorab um insgesamt 12 % - jeweils 4 % verteilt auf die Jahre 2013 bis 2015 - zu erhöhen, widerspricht dem Gesetz. Deshalb hatte die Revision der zum Verfahren beigeladenen KÄV Sachsen-Anhalt keinen Erfolg.

Deutliche Abweichungen über Höhe der Vergütung zwischen den KÄV-Bezirken

Aus der Gesamtvergütung werden die vertrag­s­ärzt­lichen Honorare im ambulanten Bereich gezahlt. Zwischen den KÄV-Bezirken gibt es deutliche Abweichungen in der Höhe der Vergütung. Insbesondere aus KÄV-Bezirken mit vergleichsweise niedriger Gesamtvergütung wird eine Angleichung an das Vergü­tungs­niveau in anderen KÄV-Bezirken gefordert. Entsprechende Forderungen gibt es - neben Sachsen-Anhalt - auch aus Brandenburg, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und Westfalen-Lippe.

Gestal­tungs­spielraum bei Vergü­tungs­ver­ein­barung berechtigt nicht zu Abweichungen von gesetzlichen Vorgaben

§ 87 a Abs. 4 SGB V schreibt für die Anpassung des Behand­lungs­bedarfs die Anknüpfung an den für das Vorjahr vereinbarten und bereinigten Behand­lungs­bedarf vor. Dieser Grundsatz ist für das Jahr 2013 nicht außer Kraft gesetzt worden. Zwar haben die Vertragspartner einen erheblichen Gestal­tungs­spielraum bei der Vereinbarung der Vergütungen vertrag­s­ärzt­licher Leistungen ab dem Jahr 2013. Dieser berechtigt jedoch nicht zu einem Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben. Soweit das Landes­schiedsamt den Behand­lungs­bedarf für die Jahre 2014 und 2015 erhöht hat, ist der Schieds-spruch auch deshalb rechtswidrig, weil dieser nur den Zeitraum (Gesamtvergütung für das Jahr 2013) zum Gegenstand haben kann, auf den sich die gescheiterten Verhandlungen bezogen haben.

Mittelwert zwischen Behand­lungs­dia­gnosen und Demographie als Orien­tie­rungshilfe

Die Veränderung der Morbi­di­täts­s­truktur ist nach § 87 a Abs. 1 Satz 3 SGB V jeweils jahresbezogen auf der Grundlage einer "gewichteten Zusammenfassung" vertrag­s­ärzt­licher Behand­lungs­dia­gnosen einerseits sowie demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits zu vereinbaren. Dabei dürfen sich die Vertragspartner grundsätzlich am Mittelwert zwischen den beiden Parametern (Behand­lungs­dia­gnosen und Demographie) orientieren. Abweichungen vom Mittelwert sind zulässig, bedürfen aber einer konkreten Begründung, die sich nicht - wie vorliegend geschehen - in dem Hinweis auf die in der Vergangenheit unzureichend berücksichtigte Morbidität erschöpfen darf. Dies wird das Landes­schiedsamt, das seiner Entscheidung allein den höheren der beiden Werte zu Grunde gelegt hatte, bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben.

Erläuterungen
Rechtsvorschriften

§ 87 a SGB V

...

(4) Grundlage der Vereinbarung über die Anpassung des Behand­lungs­bedarfs jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk einer Kassen­ärzt­lichen Vereinigung für das Vorjahr nach Absatz 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behand­lungs­bedarf sind insbesondere Veränderungen

1. der Zahl der Versicherten der Krankenkasse mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassen­ärzt­lichen Vereinigung,

2. der Morbi­di­täts­s­truktur der Versicherten aller Krankenkassen mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassen­ärzt­lichen Vereinigung,

3. von Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungs­umfangs der Krankenkassen oder auf Beschlüssen des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses nach § 135 Absatz 1 beruhen,

4. des Umfangs der vertrag­s­ärzt­lichen Leistungen aufgrund von Verlagerungen von Leistungen zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor und

5. des Umfangs der vertrag­s­ärzt­lichen Leistungen aufgrund der Ausschöpfung von Wirtschaft­lich­keits­re­serven bei der vertrag­s­ärzt­lichen Leistungs­er­bringung; dabei sind die Empfehlungen und Vorgaben des Bewer­tungs­aus­schusses gemäß Absatz 5 zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Aufsatzwertes für den Behand­lungs­bedarf nach Satz 1 für eine Krankenkasse ist ihr jeweiliger Anteil an dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassen­ärzt­lichen Vereinigung für das Vorjahr vereinbarten, bereinigten Behand­lungs­bedarf entsprechend ihres aktuellen Anteils an der Menge der für vier Quartale abgerechneten Leistungen jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung anzupassen. Die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbi­di­täts­s­truktur im Bezirk einer Kassen­ärzt­lichen Vereinigung ist auf der Grundlage der vertrag­s­ärzt­lichen Behand­lungs­dia­gnosen gemäß § 295 Absatz 1 Satz 2 einerseits sowie auf der Grundlage demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom Bewer­tungs­aus­schuss als Empfehlungen nach Absatz 5 Satz 2 bis 4 mitgeteilten Raten zu vereinbaren. Falls erforderlich, können weitere für die ambulante Versorgung relevante Morbi­di­täts­kri­terien herangezogen werden.

Quelle: Bundessozialgericht/ ra-online

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