14.11.2024
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Urteil01.09.2005BundessozialgerichtB 3 P 4/04 R und B 3 P 9/04 R
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Bundessozialgericht Urteil01.09.2005

Abweichung zwischen Pflegestufe und Pflegeklasse bei Heimpflege

Die Einstufung eines Pflege­be­dürftigen in eine der drei Pflegestufen bestimmt sich nach dem Umfang des täglichen Hilfebedarfs bei der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) und der hauswirt­schaft­lichen Versorgung im häuslichen Umfeld.

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat am 1. September 2005 durch zwei Urteile zu diesem Problemkreis Stellung genommen. In beiden Fällen ging es um die Klage eines Pflege­heim­trägers gegen eine Pflegekasse auf Zahlung des Diffe­renz­be­trages des Kostenanteils der Pflege­ver­si­cherung bei Heimpflege nach der Pflegestufe III zu dem bereits gezahlten Anteil nach der Pflegestufe II (monatlich 153 Euro, früher 300 DM) für einen bestimmten Zeitraum vor dem Tod der Heimbewohner.

Im Verfahren B 3 P 4/04 R hat das Bundes­so­zi­al­gericht die Revision der Pflege­heim­be­treiberin gegen das klageabweisende Berufungsurteil zurückgewiesen.

In diesem Fall befand sich die Heimbewohnerin von März 1997 bis zu ihrem Tode im April 2001 vollstationär in der Pflege­ein­richtung der Klägerin. Die Versicherte erhielt zunächst Leistungen der Pflegestufe I, ab Juli 1999 Leistungen der Pflegestufe II. Pflege­be­gründend war vor allem eine fortschreitende Demenz mit Angst- und Spannungs­zu­ständen sowie vollständiger Inkontinenz. Ein späterer Höher­stu­fungs­antrag des Betreuers ergab nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes bei voller Bettlägerigkeit der Versicherten einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 143 Minuten täglich, woraufhin die Beklagte eine Höherstufung ablehnte, weil die Pflegestufe III einen Grund­pfle­ge­bedarf von 240 Minuten voraussetzt.

Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben mit der Begründung, dass die festgesetzte Pflegestufe II nicht den tatsächlichen Pflegeaufwand der Versicherten gedeckt habe. Die Versicherte habe in erhöhtem Maße psychischer Betreuung bedurft und habe wegen ihres Abwehr­ver­haltens teilweise nur von zwei Pflegekräften gleichzeitig versorgt werden können. Deshalb sei die Zuordnung zur Pflegeklasse III gerechtfertigt, auch wenn die Einstufung der Versicherten in die Pflegestufe II den Kriterien der §§ 14 und 15 SGB XI entspreche und deshalb nicht angefochten werde.

Die Klage war unbegründet. Die Zuordnung zu einer höheren Pflegeklasse führt dazu, dass die Pflegekasse den Kostenanteil nach der entsprechenden höheren Pflegestufe zu leisten hat, auch wenn die Eingruppierung des Versicherten in die niedrigere Pflegestufe zunächst bestandskräftig ist. Im Rahmen der Leistungsklage des Heimträgers gegen die Pflegekasse ist nämlich zu überprüfen, ob die Einstufung in die niedrigere Pflegestufe rechtmäßig erfolgt ist oder eine Höherstufung nach den Kriterien der §§ 14 und 15 SGB XI vorzunehmen gewesen wäre. Ist das der Fall, kann der Heimträger den Kostenanteil nach der höheren Pflegeklasse verlangen.

Dabei ist es unerheblich, ob der Medizinische Dienst sein nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI erforderliches Einvernehmen mit der Pflegeleitung des Heimes erklärt hat. Die Zuordnung zu einer höheren Pflegeklasse scheidet jedoch aus, wenn der erhöhte Pflegeaufwand aus der medizinischen Behand­lungs­pflege und der sozialen Betreuung resultiert, weil auch die medizinische Behand­lungs­pflege und die soziale Betreuung durch die Pflegesätze vergütet werden und erhöhte Pflege­auf­wen­dungen im Einzelfall durch die nach Durch­schnitts­kosten kalkulierten Pflegesätze als Pauscha­l­ver­gü­tungen für sämtliche Pflege­leis­tungen mit abgedeckt sind.

Im Verfahren B 3 P 9/04 R hat das Bundes­so­zi­al­gericht den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landes­so­zi­al­gericht zurückverwiesen.

Es ging hier bei ansonsten vergleichbarem Sachverhalt zusätzlich um die Frage, ob der Heimträger aus eigenem Recht die Höherstufung der Versicherten von der zuerkannten Pflegestufe II in die Pflegestufe III betreiben konnte. Das hat das Bundes­so­zi­al­gericht ebenso wie die Vorinstanzen verneint. Für ein solches Vorgehen war kein schutzwürdiges Interesse des Heimträgers zu erkennen, weil er die Möglichkeit hat, unmittelbar Leistungsklage gegen die Pflegekasse auf Zahlung des Kostenanteils nach der höheren Pflegeklasse zu erheben, in deren Rahmen die Einstufung des Versicherten überprüft wird. Zu diesen Verfahren sind die Versicherten bzw. ihre Rechts­nach­folger notwendig beizuladen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mittlerweile durch die Regelung des § 87 a Abs. 2 SGB XI den Pflege­heim­trägern die Möglichkeit eingeräumt, vorläufig den höheren Pflegesatz in Rechnung zu stellen, wenn der Versicherte seiner schriftlichen Aufforderung, die Einstufung in die höhere Pflegestufe bei der Pflegekasse zu beantragen, nicht nachkommt.

Die Sache war noch nicht abschließend zu entscheiden, weil das Landes­so­zi­al­gericht keine Feststellungen zur konkreten Behauptung der Klägerin getroffen hatte, der Grund­pfle­ge­bedarf der Versicherten sei auf mindestens 240 Minuten täglich angestiegen, sodass die Pflegestufe III und damit zugleich die Pflegeklasse III gerechtfertigt sei.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 19/05 des BSG vom 01.09.2005

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