15.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 2132

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Bundessozialgericht Urteil23.03.2006

Trauerredner sind "publizistisch tätig"Selbstständige Trauerredner können sich nach dem Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­che­rungs­gesetz versichern

Trauerredner haben Anspruch auf Aufnahme in die Künst­ler­so­zi­a­lkasse. Das hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden. Zwei sei der künstlerische Anteil (Gesant oder Gedichtvortrag) ihrer Arbeit von untergeordneter Bedeutung und demzufolge seien sie keine Künstler, jedoch seien sie "in anderer Weise publizistisch tätig" indem sie Trauerreden verfassten.

Die Klägerin machte sich im Juni 1998 als Trauerrednerin selbständig. Im Rahmen dieser Tätigkeit hielt sie selbst verfasste Trauerreden, wobei sie auf Wunsch auch Lieder sang und Gedichte vortrug. Seit 2004 übt sie eine Beschäftigung als Küsterin aus.

Ihren Antrag auf Feststellung ihrer Versi­che­rungs­pflicht in der Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­cherung für die Zeit der Tätigkeit als Trauerrednerin lehnte die beklagte Künst­ler­so­zi­a­lkasse ab. Zur Begründung führte sie aus, die künstlerische Tätigkeit der Klägerin als Sängerin oder Sprecherin sei untergeordneter Natur. Schwer­punktmäßig trete sie als Trauerrednerin auf; dies sei weder eine künstlerische noch eine publizistische Tätigkeit. Der Beruf des Trauerredners weise eine starke Ähnlichkeit zum Beruf des Pfarrers auf, der in der Bevölkerung nicht als künstlerisch angesehen werde. Eine Einordnung der Klägerin als Publizistin sei ebenfalls nicht möglich, weil Trauerfeiern keine öffentliche Veranstaltung darstellten.

Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Jede Traue­r­be­gleitung zeuge von Kreativität und weise ein individuell gestaltetes Gesamtkonzept auf. Es handele sich auch um eine der Öffentlichkeit zugängliche Leistung, selbst wenn die Trauergemeinde nur ein begrenztes Publikum darstelle.

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Nach § 1 KSVG werden selbständige Künstler und Publizisten in der Renten-, Kranken- und Pflege­ver­si­cherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, wobei Auszubildende und geringfügig Beschäftigte ausgeklammert bleiben. Künstler ist nach § 2 KSVG, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt; Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt.

Trauerredner unterliegen hiernach der Versi­che­rungs­pflicht in der Künst­ler­so­zi­a­l­ver­si­cherung. Die Klägerin ist allerdings nicht Künstlerin im Sinne des KSVG, weil der künstlerische Anteil ihrer Tätigkeit (Gesang und Gedichtvortrag) von untergeordneter Bedeutung ist. Den Schwerpunkt bildet das Verfassen und der Vortrag von Trauerreden (Grabreden, Bestat­tungsreden). Insoweit kommt eine Versi­che­rungs­pflicht als Publizistin in Betracht, die zwar nicht als Journalistin oder Schrift­stellerin, wohl aber "in anderer Weise publizistisch tätig" ist. Dieser Tatbestand ist erfüllt. Der Begriff des Publizisten ist weit auszulegen und umfasst neben schriftlichen auch mündliche Beiträge zum öffentlichen Kommu­ni­ka­ti­o­ns­prozess. Es fehlt auch nicht am Bezug zur Öffentlichkeit, der für die Tätigkeit des Publizisten (publicare = veröffentlichen) prägend ist. Dabei reicht eine begrenzte Öffentlichkeit aus. Diese ist bei Trauerfeiern und Bestattungen grundsätzlich zu bejahen, es sei denn, die Feier wird von den Hinterbliebenen ausdrücklich auf den Familienkreis beschränkt ("geschlossene Veranstaltung"). Dass in der Regel an Bestattungen selbst bei deren Ankündigung in Zeitungs­an­zeigen nur mit dem Verstorbenen oder dessen Hinterbliebenen verwandt­schaftlich oder freund­schaftlich verbundene Personen teilnehmen, ist unerheblich, weil die Teilnahme eines darüber hinausgehenden Personenkreises möglich ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 11/06 des BSG vom 23.03.2006

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