21.11.2024
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Dokument-Nr. 18962

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Urteil08.10.2014BundessozialgerichtB 3 KR 7/14 R
Vorinstanz:
  • Sozialgericht Berlin , Urteil25.03.2014, S 182 KR 2450/13
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil08.10.2014

Keine Entlastung der Sozialgerichte auf Kosten eines effektiven Rechtsschutzes von Krankenhäusern und KrankenkassenAnrufung eines Schlich­tungs­aus­schusses erst bei Errichtung eines Ausschusses Klage­vor­aus­setzung

Wenn der Gesetzgeber zur Entlastung der Sozialgerichte vor Erhebung von Klagen über umstrittene Kranken­haus­ver­gü­tungen die Anrufung eines Schlich­tungs­aus­schusses vorschreibt, muss dieser errichtet sein und die Aufgabe der Streit­sch­lichtung effektiv wahrnehmen können. Solange das nicht gesichert ist, sind Klagen, mit denen Krankenhäuser umstrittene Vergütungen fordern oder Krankenkassen zu Unrecht gezahlte Vergütungen für Kranken­haus­leis­tungen zurückfordern, zulässig.

Im Streit zwischen der Charité Univer­si­täts­medizin Berlin und der DAK hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden, dass die von der Klägerin am 22.11.2013 erhobene Klage auf weitere Kranken­haus­ver­gütung in Höhe von 1018 Euro, zulässig ist, obwohl die Klägerin nicht den Schlichtungsausschuss nach § 17 c Abs. 4b Satz 3 Kranken­h­aus­fi­nan­zie­rungs­gesetz (KHG) angerufen hatte. In Berlin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein solcher Ausschuss nicht errichtet. Im Hinblick auf die verfas­sungs­rechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes kann die Anrufung eines Schlich­tungs­aus­schusses erst dann Klage­vor­aus­setzung sein, wenn dieser Ausschuss tatsächlich angerufen werden kann. Das war im November 2013 in Berlin nicht der Fall. Deshalb hätte das SG die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen.

Zulässige Klagen bleiben auch nach späteren Recht­s­än­de­rungen zulässig

Die Klage ist auch nicht nachträglich unzulässig geworden, weil seit dem 1.9.2014 die - tatsächlich bestehende - Schiedsstelle nach § 18 a Abs. 1 KHG die Funktion eines Schlich­tungs­aus­schusses übernehmen muss. Klagen, die zum Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässig waren, bleiben das nach allgemeinen prozess­recht­lichen Grundsätzen auch nach späteren Recht­s­än­de­rungen.

Eigenrecherche der Krankenhäuser und Krankenkasse über Zuständigkeiten nicht zumutbar

Im Übrigen sind auch derzeit Klagen über streitig gebliebene Vergütungen von Kranken­haus­leis­tungen noch unmittelbar zulässig. Die Sperre des § 17 c Abs. 4b Satz 3 KHG greift im Hinblick auf die unverzichtbare Klarheit über den gegebenen Rechtsweg erst ein, wenn die Schiedsstelle nach § 18 a Abs. 1 KHG und/oder die zu errichtenden Schlich­tungs­aus­schüsse nach § 17 c Abs. 4 KHG den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und den Landes­kran­ken­h­aus­ge­sell­schaften verbindlich angezeigt haben, welches Gremium im jeweiligen Bundesland die Schlichtung nach dieser Vorschrift durchführt und dass es tatsächlich handlungsfähig ist. Den einzelnen Krankenhäusern und Krankenkassen ist nicht zumutbar, von sich aus die Zuständigkeit und Handlungs­fä­higkeit des zur Schlichtung berufenen Gremiums zu recherchieren, zumal die Anrufung eines nicht arbeitsfähigen Schlich­tungs­gremiums in der Regel nicht die Verjährung eines Zahlungs- oder Rückzah­lungs­an­spruchs hemmt. Das Bundes­so­zi­al­gericht hat deshalb das Urteil des SG aufgehoben und den Rechtstreit nach Berlin zurückverwiesen. Die Richter dort müssen die Einwände der Krankenkasse gegen die Richtigkeit der Abrechnung der Charité nun in der Sache prüfen.

Erläuterungen

Hinweise zur Rechtslage

§ 17 c Kranken­h­aus­fi­nan­zie­rungs­gesetz - Prüfung der Abrechnung von Pflegesätzen, Schlich­tungs­aus­schuss (Fassung: 1.8.2014)

...

(4) Die Ergebnisse der Prüfungen nach § 275 Absatz 1c des Fünften Buches Sozial­ge­setzbuch können durch Anrufung eines für die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsamen und einheitlichen Schlich­tungs­aus­schusses überprüft werden. Aufgabe des Schlich­tungs­aus­schusses ist die Schlichtung zwischen den Vertrags­parteien. Der Schlich­tungs­aus­schuss besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden sowie Vertretern der Krankenkassen und der zugelassenen Krankenhäuser in gleicher Zahl. Die Vertreter der Krankenkassen werden von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen und die Vertreter der zugelassenen Krankenhäuser von der Landes­kran­ken­h­aus­ge­sell­schaft bestellt; bei der Auswahl der Vertreter sollen sowohl medizinischer Sachverstand als auch besondere Kenntnisse in Fragen der Abrechnung der DRG-Fallpauschalen berücksichtigt werden. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen und die Landes­kran­ken­h­aus­ge­sell­schaft sollen sich auf den unparteiischen Vorsitzenden einigen; § 18 a Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Bei Stimmen­gleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Der Schlich­tungs­aus­schuss prüft und entscheidet auf der Grundlage fallbezogener, nicht versi­cher­ten­be­zogener Daten. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen vereinbaren mit der Landes­kran­ken­h­aus­ge­sell­schaft die näheren Einzelheiten zum Verfahren des Schlich­tungs­aus­schusses sowie Regelungen zur Finanzierung der wahrzunehmenden Aufgaben. Kommt keine Vereinbarung zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach § 18 a Absatz 1 auf Antrag einer Vertragspartei. Wenn bis zum 31. August 2014 kein Schlich­tungs­aus­schuss anrufbar ist, ist die Aufgabe des Schlich­tungs­aus­schusses bis zu seiner Bildung übergangsweise von der Schiedsstelle nach § 18 a Absatz 1 wahrzunehmen. Für diese Zeit kann die Schiedsstelle nach § 18 a Absatz 1 unter Berück­sich­tigung der Vorgaben von Satz 3 einen vorläufigen Schlich­tungs­aus­schuss einrichten.

...

(4b) Gegen die Entscheidungen der Schiedsstelle nach Absatz 2 Satz 3, Absatz 3 Satz 7 und Absatz 4a Satz 5 sowie des Schlich­tungs­aus­schusses auf Bundesebene nach Absatz 3 und der Schlich­tungs­aus­schüsse nach Absatz 4 ist der Sozialrechtsweg gegeben. Ein Vorverfahren findet nicht statt; die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrech­nungs­prüfung nach § 275 Absatz 1c des Fünften Buches Sozial­ge­setzbuch eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, ist vor der Klageerhebung das Schlich­tungs­ver­fahren nach Absatz 4 durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2000 Euro nicht übersteigt.

Quelle: Bundessozialgericht/ ra-online

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