14.11.2024
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Urteil06.09.2007BundessozialgerichtB 14/7b AS 16/07 R
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Bundessozialgericht Urteil06.09.2007

Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld II auch in offenen Sozial­ein­rich­tungen möglichAnspruchs­steller muss objektiv erwerbsfähig sein

Auch bei einer Unterbringung in einer sozialen Wohnge­mein­schaft kann ein Anspruch auf ALG II bestehen, wenn der Anspruchs­steller objektiv erwerbsfähig ist, also täglich drei Stunden oder wöchentlich 15 Stunden arbeiten kann. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden.

Die 1980 geborene alleinstehende Klägerin begehrte Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Wegen Wohnungs­lo­sigkeit fand sie im August 2004 Aufnahme in einer Einrichtung für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, deren Träger der Katholische Verein für soziale Dienste in Osnabrück ist. Es handelt sich um eine Wohnge­mein­schaft mit Einzelzimmern und Gemein­schafts­räumen, in der den Bewohnern Unterstützung, Beratung und Hilfe für alle Lebensbereiche angeboten wird. Die Kosten des Aufenthaltes einschließlich eines monatlichen Barbetrages (zuletzt 89,70 Euro) und eines jährlichen Beklei­dungs­zu­schusses hat der zuständige überörtliche Träger der Sozialhilfe geleistet.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lehnte die Beklagte ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung von Leistungen verurteilt, weil die Einrichtung, in der sich die Klägerin befinde, nicht als stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II angesehen werden könne. Das Landes­so­zi­al­gericht hat die erstin­sta­nzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin führte nach einem Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts zur Aufhebung des zweitin­sta­nz­lichen Urteils und zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Landes­so­zi­al­gericht. Dieses konnte aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem Hedwig-Haus in Osnabrück um eine stationäre Einrichtung iS des § 7 Abs. 4 SGB II handelte, bei der ein voraussichtlich länger als sechs Monate dauernder Aufenthalt zum Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende führte. Das Landes­so­zi­al­gericht konnte nicht allein darauf abstellen, ob der Einrich­tungs­träger "von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung die Gesamt­ver­ant­wortung für dessen Lebensführung" übernommen hat. Es hätte vielmehr feststellen müssen, ob die Klägerin trotz des Aufenthalts in der Einrichtung objektiv einer Erwer­b­s­tä­tigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich hätte nachgehen können. Insofern ist von einem eigenständigen Begriff der Einrichtung iSd § 7 Abs. 4 SGB II auszugehen.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 7 Abs. 4 SGB II hatte in der hier maßgebenden Zeit folgenden Inhalt:

"Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht".

Seit dem 1.8.2006 hat die Vorschrift folgende Fassung:

"Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knapp­schafts­aus­gleichs­leistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheits­ent­ziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1. wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder

2. wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist."

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 27/07 des BSG vom 06.09.2007

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