15.11.2024
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Dokument-Nr. 3428

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Bundessozialgericht Urteil29.11.2006

Rentner müssen Pflege­ver­si­cherung allein bezahlenVoller Pflege­ver­si­che­rungs­beitrag für Rentner ist nicht verfas­sungs­widrig

Rentner müssen ihren Beitrag zur Pflege­ver­si­cherung in voller Höhe selbst tragen. Das Bundes­so­zi­al­gericht hat vier Klagen von Rentnern zurückgewiesen, die sich gegen eine seit April 2004 geltende Neuregelung zur Wehr gesetzt hatten. Seither müssen Rentner 1,7 Prozent ihrer Altersbezüge als Beitrag an die Pflege­ver­si­cherung zahlen. Diese Regelung ist nach Ansicht des Bundes­so­zi­al­ge­richts nicht verfas­sungs­widrig.

Bis zum 31. März 2004 beteiligten sich die Renten­ver­si­che­rungs­träger an dem Pflege­ver­si­che­rungs­beitrag aus der Rente zur Hälfte, die andere Hälfte trug der Rentner. Mit Wirkung vom 1. April 2004 hat der Gesetzgeber dies geändert. Seitdem haben die Rentner den vollen Beitrag zur Pflege­ver­si­cherung von 1,7 vH der Rente allein zu tragen. Der Renten­ver­si­che­rungs­träger ist entsprechend entlastet. Diese Regelung ist nun vom Bundes­so­zi­al­gericht als verfas­sungs­widrig beanstandet worden.

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat die Revisionen in vier Verfahren zurückgewiesen. Er hat offen gelassen, ob der durch die bisherige Regelung eingeräumte Vorteil eigen­tums­ge­schützt war, denn jedenfalls wäre das Eigentumsrecht durch die Neuregelung nicht verletzt. Schutzgut iS des Art. 14 Grundgesetz ist die Versi­che­rungs­leistung insgesamt, dh sowohl die Rentenleistung als auch die Beteiligung des Renten­ver­si­che­rungs­trägers an der Beitrags­leistung zu anderen Versi­che­rungs­systemen, wie hier zur Pflege­ver­si­cherung. Da diese Versi­che­rungs­leistung nicht insgesamt beseitigt, sondern lediglich modifiziert worden ist, ist die Änderung der Rechtslage nach den Grundsätzen zu beurteilen, nach denen in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt werden dürfen. Daran gemessen liegt eine Verletzung des Art. 14 Grundgesetz nicht vor. Der Senat hat berücksichtigt, dass der Gesetzgeber durch die Änderung der Beitrags­tra­gungs­re­gelung ab 1. April 2004 faktisch eine Rentensenkung herbeigeführt hat. Nicht die Pflegekassen wurden durch höhere Beitrags­leis­tungen begünstigt der Pflege­ver­si­che­rungs­beitrag insgesamt blieb unverändert , sondern allein die Träger der Renten­ver­si­cherung wurden um ihren Anteil am Pflege­ver­si­che­rungs­beitrag entlastet. Diese Entlastung war auch Ziel der Regelung, die verbunden mit anderen Maßnahmen die Renten­ver­si­cherung als System stabilisieren, dh Einnahmen und Ausgaben in der Renten­ver­si­cherung in Übereinstimmung bringen sollte, ohne dass eine Beitrags­er­höhung in der Renten­ver­si­cherung notwendig wurde. Eine Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Renten­ver­si­cherung wollte der Gesetzgeber im Jahr 2003 im Interesse einer Wiederbelebung des Arbeitsmarktes unbedingt vermeiden. Diese Überlegungen stellen ein legitimes Konzept für die Rechtfertigung des Eingriffs dar. Vor diesem Hintergrund war die durch die Neuregelung herbeigeführte Belastung der Rentner nicht im engeren Sinne unver­hält­nismäßig. Es handelt sich um eine Mehrbelastung die, bezogen auf die so genannte Standardrente von 1.176 € einen Betrag von 9,99 € ausmacht bzw in den neuen Bundesländern bei einer Standardrente von 1.034 € 8,79 €. Bei Rentnern mit einer sehr niedrigen Rente wirkt sich die Regelung ohnehin nicht belastend aus, soweit sie Leistungen der Grundsicherung im Alter bezogen oder beziehen, denn in diesen Fällen ist die zweite Beitragshälfte von den Trägern der Grundsicherung zu übernehmen.

Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass durch die Neuregelung über die Beitragstragung der allgemeine Gleichheitssatz verletzt ist. Einen Grundsatz, dass Versi­che­rungs­pflichtige Beiträge nur zur Hälfte, zu tragen haben gibt es weder in der Kranken­ver­si­cherung noch in der Pflege­ver­si­cherung. Es besteht auch kein Grundsatz, dass Erwerbstätige und Rentner bei der Beitragstragung gleich zu behandeln sind. Schließlich musste der Gesetzgeber bei den Rentnern nicht nach der Art der Rente oder dem Rentenbeginn differenzieren.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 37/06 des BSG vom 29.11.2006

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