15.11.2024
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Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.

Dokument-Nr. 2922

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Urteil09.08.2006BundessozialgerichtB 12 KR 3/06 R, B 12 KR 10/06 R, B 12 KR 7/06 R, B 12 KR 24/05 R
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Bundessozialgericht Urteil09.08.2006

Keine Renten­ver­si­che­rungs­freiheit für Vorstände einer Aktien­ge­sell­schaftKläger waren zum Stichtag nur Vorstände einer Vor-Aktien­ge­sell­schaft

Vorstands­mit­glieder einer Aktien­ge­sell­schaft finden im Recht der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung seit dem Jahre 1968 ausdrücklich Erwähnung. Sie waren seither gleichermaßen als solche wie auch in sonstigen abhängigen Beschäftigungen und selbständigen Tätigkeiten versi­che­rungsfrei. Dem lag nach der oberst­ge­richt­lichen Rechtsprechung die Erwägung zu Grunde, dass bei diesem Personenkreis wegen seiner herausragenden und starken wirtschaft­lichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die gesetzliche Renten­ver­si­cherung entbehrlich erscheint.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2004 ist eine Rechtsänderung insofern eingetreten, dass die vorher um­fassende Versi­che­rungs­freiheit auf Erwer­b­s­tä­tig­keiten in dem Unternehmen beschränkt wurde, dessen Vorstand der Betreffende angehört. Sozialpolitisch sollte mit der Einschränkung Missbrauchs­fällen begegnet werden, in denen Aktien­ge­sell­schaften nur zu dem Zweck gegründet werden, eine Renten­ver­si­che­rungs­pflicht von Vorstands­mit­gliedern in weiteren Beschäftigungen und selbständigen Tätigkeiten zu vermeiden. Aus Gründen des Vertrau­ens­schutzes bleiben allerdings Vorstands­mit­glieder, die am 6. November 2003, dem Tag der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag, in einer weiteren Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit renten­ver­si­che­rungsfrei waren, in dieser Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit weiterhin versi­che­rungsfrei. In der Beschluss­emp­fehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherheit wurde dabei davon ausgegangen, dass eine Berufung auf diese Überg­angs­re­gelung ausgeschlossen sein sollte, wenn es schon nach dem vor dem Stichtag anzuwendenden Recht rechts­miss­bräuchlich war, einen Ausschluss von der Renten­ver­si­che­rungs­pflicht anzunehmen.

Im Blick auf die anstehende Rechtsänderung ist es in erheblichem Umfang zur Gründung von Aktien­ge­sell­schaften gekommen. Im Zusammenhang hiermit ist bei den Insta­nz­ge­richten eine Vielzahl einschlägiger Verfahren anhängig.

In den entschiedenen vier Verfahren sind Aktien­ge­sell­schaften noch vor bzw - in drei Fällen - am Stich­tag selbst durch notariellen Vertrag errichtet worden. Gegenstand des Unternehmens sollte in allen Fällen die Verwaltung eigener Vermögenswerte sein. Das Grundkapital betrug jeweils 50.000 €. Eine Vergütung der Kläger für ihre Vorstand­s­tä­tigkeit war jeweils nicht vorgesehen. In allen Fällen ist strei­tig, ob die Kläger entgegen anders lautenden Entscheidungen der zuständigen Einzugsstellen in ihrer neben der Vorstand­s­tä­tigkeit ausgeübten Haupt­be­schäf­tigung der Renten­ver­si­che­rungs­pflicht unter­liegen, obwohl die Aktien­ge­sell­schaften jeweils erst nach dem Stichtag in das Handelsregister eingetragen worden sind.

Nachdem Widersprüche und Klagen erfolglos geblieben waren, hatten auch die Revisionen keinen Erfolg. Die Kläger können die Überg­angs­re­gelung nicht für sich in Anspruch nehmen, weil sie bis zum Stichtag nicht Vorstands­mit­glieder einer in das Handelsregister eingetragenen Aktien­ge­sell­schaft waren. Sie waren nur Vorstands­mit­glieder einer sogenannten Vor-Aktien­ge­sell­schaft, dass heißt einer Aktien­ge­sell­schaft, die gegründet, aber noch nicht eingetragen war. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte, die die Vor-Aktien­ge­sell­schaft im Rechtsverkehr weitgehend der Aktien­ge­sell­schaft gleichstellt, ist für die Belange der Renten­ver­si­cherung ohne Bedeutung. Für Arbeitgeber und Versi­che­rungs­träger muss das Bestehen der Aktien­ge­sell­schaft leicht und sicher erkennbar sein. Das ist nur dann gewährleistet, wenn die Eintragung in das Handelsregister maßgeblich ist. Weil die Überg­angs­re­gelung bereits nicht zur Anwendung gelangt, war nicht zu entscheiden, ob eine Berufung auf die Überg­angs­re­gelung im Einzelfall rechts­miss­bräuchlich sein könnte.

Erläuterungen
Vorinstanzen

SG Mainz, AZ: S 7 KR 318/04 und S 7 KR 217/04

SG Aachen, AZ: S 13 KR 54/05 und S 6 KR 269/04

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 26/06 des BSG vom 10.08.2006

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