15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil06.11.2008

Der Ausschluss rezeptfreier Arzneimittel aus dem Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung ist rechtens

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass der Ausschluss nicht verschrei­bungs­pflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungs­katalog der GKV rechtmäßig ist. Er ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozial­staats­prinzip vereinbar.

Der 1934 geborene bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an einer chronischen Emphy­sem­bron­chitis. Die Beklagte versorgte ihn deswegen seit 1983 mit dem nicht verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimittel "Gelomyrtol forte". Seit 1. Januar 2004 schließt § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung des GKV-Moder­ni­sie­rungs­ge­setzes vom 14. November 2003) nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel aus dem Leistungs­katalog der GKV aus. "Gelomyrtol forte" wurde auch nicht in den Ausnahmekatalog dennoch verord­nungs­fähiger Mittel in den Arzneimittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses aufgenommen. Der Kläger hat mit seiner Klage begehrt, auch weiterhin von der Beklagten mit dem Mittel versorgt zu werden. Das hat das Bundes­so­zi­al­gericht - wie die Vorinstanzen - verneint.

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass der Ausschluss nicht verschrei­bungs­pflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungs­katalog der GKV rechtmäßig ist. Er ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozial­staats­prinzip vereinbar. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Einschät­zungs­er­messens davon ausgehen, dass nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel bereits vor dem 1. Januar 2004 in den Apotheken überwiegend ohne Rezept abgegeben wurden und dass es sich um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durch­schnittlich weniger als 11 Euro je Packung handelte. Der Ausschluss dieser Arzneimittel aus der Leistungs­pflicht der GKV war verfas­sungs­rechtlich zumutbar. Dies und die Möglichkeit, sich ohne ärztliche Verschreibung die Arzneimittel selbst zu verschaffen, sind hinreichende Sachgründe für den gesetzlichen Leistungs­aus­schluss. Er wird zudem durch Ausnahmen abgemildert.

Dass der Gesetzgeber die nicht verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimittel grundsätzlich nicht in den Leistungs­katalog der deutschen GKV aufgenommen hat, verstößt auch nicht gegen Europäisches Recht. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Sache Pohl-Boskamp (EuGHE I 2006, 10611) bereits hinreichend klar entschieden. Deshalb bedurfte es keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof.

Hinweise zum rechtlichen Hintergrund:

§ 34 Abs. 1 SGB V (idF des ab 1.1.2004 geltenden GKV-Moder­ni­sie­rungs­ge­setzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190): Nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Thera­pie­standard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. … Satz 1 gilt nicht für:

1. versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, 2. versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwick­lungs­stö­rungen.

Art. 3 Abs. 1 GG: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Quelle: ra-online, Bundessozialgericht

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil6955

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI