18.10.2024
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Sie sehen den Auspuff eines Autos.

Dokument-Nr. 32218

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Bundesgerichtshof Beschluss28.09.2022

BGH: Ungarische Straßenmaut kann vor deutschen Zivilgerichten geltend gemacht werdenMaut-Nachforderungen aus Ungarn zulässig

Autofahrer, die die Maut in Ungarn nicht bezahlen, müssen hohe Nachforderungen hinnehmen. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Der Senat gab damit einem ungarischen Inkas­so­un­ter­nehmen recht, das wegen nicht bezahlter Mautgebühren gegen den Autovermieter geklagt hatte.

Die Klägerin ist eine ungarische Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Eintreibung der ungarischen Autobahnmaut ist. Die Beklagte ist ein im Inland ansässiges Autover­mie­tungs­un­ter­nehmen. Mit vier Mietfahrzeugen der Beklagten wurde im November 2017 insgesamt fünfmal ein Abschnitt der ungarischen Autobahn befahren, für den auf Grundlage der ungarischen Mautverordnung eine Straßenmaut zu entrichten ist. Schuldner der Maut ist nach § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßen­ver­kehrs­ge­setzes der Halter des Fahrzeugs. Wird die Maut nicht vor der Benutzung des Straße­n­ab­schnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette (e-Matrica) zum Preis von 2.975 HUF (ungarische Forint = zurzeit 7,30 €) entrichtet, ist nach Anlage 1 der Mautverordnung eine Grundersatzmaut von 14.875 HUF (zurzeit 36,52 €) bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungs­auf­for­derung zu entrichten bzw. eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500 HUF (zurzeit 146,06 €) bei Zahlung nach mehr als 60 Tagen, was den Betrag für eine vorab erworbene virtuelle Vignette jeweils um ein Vielfaches übersteigt.

BGH: Autover­mie­tungs­un­ter­nehmen zur Zahlung verpflichtet

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von insgesamt 958,95 € nebst Zinsen sowie 409,35 € außer­ge­richt­licher Inkassokosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 958,95 € (ohne Zinsen) sowie 362,95 € außer­ge­richt­lichen Inkassokosten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als es die Verurteilung zur Zahlung in Euro anstatt in ungarischen Forint betrifft.

Ungarisches Recht hier mit deutschem "ordre public" vereinbar

Laut BGH kann nach Art. 21 der für internationale vertragliche Schuld­ver­hältnisse geltenden Rom I- VO die Anwendung des darin bezeichneten ausländischer Rechts versagt werden, wenn sie mit der inländischen öffentlichen Ordnung ("ordre public") offensichtlich unvereinbar wäre. Der Bundes­ge­richtshof hat nun entschieden, dass die nach dem hier anwendbaren ungarischen Recht vorgesehene alleinige Haftung des Fahrzeughalters für die Bezahlung der Maut auch im Falle der Fahrzeu­g­über­lassung durch ein Autover­mie­tungs­un­ter­nehmen nicht mit Grundsätzen des inländischen Rechts unvereinbar ist. Eine Anknüpfung von Einstands­pflichten an die Halte­rei­gen­schaft ist auch dem deutschen Recht nicht grundsätzlich fremd, wie die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Bundes­fern­stra­ßenmaut, die zivilrechtliche Haftung eines Fahrzeughalters nach § 7 Abs. 1 StVG und die Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs zur zivil­recht­lichen Haftung des Halters bei unberechtigt abgestellten Fahrzeugen zeigen.

Auch erhöhte Zusatzgebühr verstößt nicht gegen "ordre public"

Soweit der in Anspruch genommene Fahrzeughalter die Beweislast dafür trägt, dass vor der mautpflichtigen Straßen­be­nutzung eine virtuelle Vignette erworben wurde, kann er dem durch Vorlage der erhaltenen Quittung oder des erhaltenen Kontroll­ab­schnitts nachkommen. Auch die "erhöhte Zusatzgebühr" verstößt nicht gegen den ordre public, da sie als eine Form der Vertragsstrafe anzusehen und damit dem deutschen Recht ebenfalls nicht völlig fremd ist. Vergleichbare Regelungen kennt das deutsche Recht etwa in Gestalt des erhöhten Beför­de­rungs­entgelts, wenn ein Fahrgast sich keinen gültigen Fahrausweis beschafft hat.

Euro oder Forint? - LG muss Währungsfrage klären

Allerdings können Fremd­wäh­rungs­schulden grundsätzlich nur als solche, also in fremder Währung eingeklagt werden, sodass eine auf Zahlung in Euro gerichtete Klage dann abzuweisen wäre. Anders verhielte es sich nur dann, wenn die Klägerin nach dem anwendbaren ungarischen Recht dazu berechtigt sein sollte, die Mautschulden auch in Euro statt in ungarischen Forint zu verlangen. Dazu fehlt es bislang an Feststelllungen des Landgerichts, die dieses nachzuholen haben wird.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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