24.11.2024
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Dokument-Nr. 417

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Bundesgerichtshof Urteil14.01.2004

Zur Unter­halts­pflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern - hier: zum Selbstbehalt und zur Leistungs­fä­higkeit

Der u.a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte sich mit einer weiteren Variante des Eltern­un­terhalts zu befassen.

Der klagende Landkreis nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf ungedeckte restliche Heimkosten für deren 91-jährige, inzwischen verstorbene Mutter in Anspruch. Die verheiratete Beklagte ist vollschichtig erwerbstätig und verdiente im streitigen Zeitraum - bei Besteuerung nach Lohnsteu­er­klasse V - 1.800 bis 1.900 DM netto im Monat, ihr Ehemann - bei Lohnsteu­er­klasse III - 3.900 DM. Die Ehegatten leben in einem dem Ehemann gehörenden Einfamilienhaus und haben keine Unter­halts­pflichten gegenüber Kindern. Der Kläger ist der Auffassung, daß die Beklagte unter Berück­sich­tigung des Famili­en­ein­kommens und des mietfreien Wohnens in Höhe von monatlich 561 DM für den Unterhalt ihrer Mutter aufzukommen habe. Während das Amtsgericht die Klage mangels Leistungs­fä­higkeit der Beklagten insgesamt abgewiesen hat, hat das Oberlan­des­gericht ihr zu einem geringen Teil stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, das Einkommen der Beklagten sei um einen Betrag von monatlich 550 DM zu erhöhen, weil sich der Kläger die Wahl der Steuerklasse V nicht entgegenhalten zu lassen brauche und die Steuerbelastung bei Steuerklasse I deutlich geringer gewesen wäre. Von dem deshalb zugrunde zu legenden Einkommen der Beklagten von 2.422 DM könne sie unter Berück­sich­tigung des ihr zu belassenden Mindest­selbst­behalts von 2.250 DM monatlich 172 DM für den Unterhalt der Mutter zahlen. Eine Herabsetzung dieses Selbstbehalts komme nicht mit Rücksicht auf den Famili­en­un­ter­halts­an­spruch der Beklagten gegen ihren Ehemann in Betracht, weil dies indirekt zu einer "Schwie­ger­sohn­haftung" führen würde.

Der Senat hat das vom Landkreis angefochtene Urteil teilweise aufgehoben. Er hat allerdings die Ermittlung des unter­halts­rechtlich erheblichen Einkommens der Beklagten durch das Oberlan­des­gericht bestätigt. Wenn ein einem Elternteil Unter­halts­pflichtiger im Verhältnis zu seinem Ehegatten die ungünstigere Lohnsteu­er­klasse V wählt, ist die damit verbundene Verschiebung der Steuerbelastung auf ihn durch einen tatrichterlich zu schätzenden Abschlag von der entrichteten Lohnsteuer zu korrigieren.

Die Leistungs­fä­higkeit eines Unter­halts­pflichtigen ist jedoch nicht unbedingt auf einen den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Teil seines Einkommens beschränkt. Der Selbstbehalt kann nämlich bereits dadurch gewahrt sein, daß der Unter­halts­pflichtige im Rahmen des Famili­en­un­terhalts sein Auskommen findet. Soweit das Einkommen der Beklagen, die ihrerseits zum Famili­en­un­terhalt nur soviel beitragen muß, wie es dem Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte entspricht, hierfür nicht benötigt wird, steht es ihr selbst zur Verfügung. Insoweit kann es deshalb für Unter­halts­zwecke eingesetzt werden, sofern ihr angemessener Selbstbehalt insgesamt gewahrt ist. Ob die Beklagte über die vom Oberlan­des­gericht ausgeurteilten Beträge hinaus leistungsfähig ist, hängt deshalb zum einen davon ab, wie der angemessene Famili­en­un­terhalt der Beklagten und ihres Ehemannes zu bemessen ist, und zum anderen, inwieweit die Beklagte hierzu beizutragen hat. Die Annahme des Oberlan­des­ge­richts, Einkünfte in der Größenordung, wie sie im vorliegenden Fall erzielt worden seien, dienten im wesentlichen der Finanzierung der Lebensführung, hat der Senat - ebenso wie bereits in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2003 - XII ZR 224/00 - nicht gebilligt. Diese Annahme ist nicht damit zu vereinbaren, daß die Sparquote in Deutschland rund 10 % des verfügbaren Einkommens beträgt. Soweit das Einkommen eines Ehegatten aber nicht in den Famili­en­un­terhalt fließt, sondern einer Vermö­gens­bildung zugeführt wird, steht es grundsätzlich für Unter­halts­zwecke zur Verfügung. Das Oberlan­des­gericht wird deshalb zu prüfen haben, in welcher Höhe das Einkommen der Beklagten für den angemessenen Famili­en­un­terhalt benötigt wird.

Vorinstanz: OLG Hamm, AG Herne

Quelle: Pressemitteilung Nr. 3/04 des BGH vom 14.01.2004

der Leitsatz

BGB §§ 1601, 1603 Abs. 1

a) Hat ein seinem Elternteil Unter­halts­pflichtiger im Verhältnis zu seinem Ehegatten die ungünstigere Steuerklasse (hier: V) gewählt, ist diese Verschiebung der Steuerbelastung durch einen tatrichterlich zu schätzenden Abschlag zu korrigieren (im Anschluß an Senatsurteil vom 25. Juni 1980 - IVb ZR 530/80 - FamRZ 1980, 984, 985).

b) Zur Leistungs­fä­higkeit eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen verheirateten Unter­halts­pflichtigen, dessen Einkommen die in den Unter­halt­s­ta­bellen ausgewiesenen Mindest­selbst­be­haltssätze übersteigt.

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