18.10.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 3879

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Urteil28.02.2007BundesgerichtshofXII ZR 161/04
Weitere Entscheidungen zu diesem Thema:
  • Amtsgericht Bamberg, Urteil04.12.2003, 1 F 1176/03
  • Oberlandesgericht Bamberg, Urteil27.07.2004, 2 UF 25/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.02.2007

Kindesunterhalt bei abwechselnder Betreuung eines Kindes durch beide ElternteileWelcher Elternteil hat das "Schwergewicht der Kinderbetreuung"? Der andere Elternteil muss Barunterhalt leisten

Wenn ein geschiedener Elternteil die gemeinsamen Kinder über das übliche Maß hinaus betreut, kann er den Unterhalt in der Regel trotzdem nicht kürzen. Derjenige, bei dem sich das Kind weniger oft aufhält (hier: der Vater) muss allein für den Barunterhalt aufkommen. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden und die Klage eines Vaters abgewiesen. Dieser wollte die Barun­ter­halts­zah­lungen an die Mutter einstellen, bei der die Kinder wohnten. Jedoch kümmerte er sich auch sehr viel (über das übliche Maß hinaus) um die Kinder. Sie wohnten alle zwei Wochen vier Tage beim Vater. Zudem verbrachten sie die Hälfte der Ferienzeit bei ihm.

Die 1991 geborenen Klägerinnen nehmen ihren Vater, den Beklagten, auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Sie leben überwiegend bei ihrer Mutter, während sich die weitere 1986 geborene Tochter überwiegend beim Vater aufhält. Beiden Elternteilen steht die elterliche Sorge für die Kinder gemeinsam zu. Sie betreuen die Kinder abwechselnd, und zwar bezüglich der Zwillinge in der Weise, dass diese sich von Mittwochabend bis Montagmorgen beim Vater aufhalten und sodann nach der Schule in den Haushalt der Mutter wechseln, wo sie bis zum Mittwochabend der folgenden Woche bleiben. Die Ferien verbringen die Zwillinge jeweils hälftig bei einem der Elternteile.

Das Oberlan­des­gericht ist davon ausgegangen, dass beide Eltern für die Zwillinge Barunterhalt zu leisten hätten. Denn diese hielten sich in weitergehendem Umfang bei dem Vater auf als im Rahmen eines üblichen Umgangsrechts. Ihr Bedarf sei deshalb nicht nur nach dem Einkommen des Vaters, sondern nach dem zusam­men­ge­rechneten Einkommen beider Elternteile zu bestimmen und um die beim Vater zusätzlich anfallenden Wohnkosten zu erhöhen. Für diesen Bedarf hätten die Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermö­gens­ver­hält­nissen aufzukommen. Die so ermittelten Anteile seien allerdings in Höhe der jeweils erbrachten Betreu­ungs­leis­tungen gedeckt, so dass nur der jeweils verbleibende Betrag als Barunterhalt verlangt werden könne. Der Vater schulde deshalb keinen höheren Unterhalt als vom Amtsgericht zuletzt in Höhe von monatlich jeweils 142 € ausgeurteilt.

Die Revision des Vaters hatte keinen Erfolg.

Der u. a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat allerdings die Auffassung vertreten, dass die Mutter ihre Verpflichtung, zum Unterhalt der Zwillinge beizutragen, allein durch deren Pflege und Erziehung erfüllt, während der Vater allein für deren Barunterhalt aufzukommen hat. Diese Aufteilung von Bar- und Betreu­ungs­un­terhalt ist so lange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt, dieser mithin die Haupt­ver­ant­wortung für ein Kind trägt. Das ist grundsätzlich auch dann der Fall, wenn sich ein Kind im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts bei einem Elternteil aufhält und sich die Ausgestaltung des Umgangs bereits einer Mitbetreuung annähert. Solange der andere Elternteil die Haupt­ver­ant­wortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass er seine Unter­halts­pflicht durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt. Anders kann es sein, wenn sich die Eltern die Verantwortung für ein Kind in etwa hälftig teilen. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Elternteil die Haupt­ver­ant­wortung für ein Kind trägt, kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung indizielle Bedeutung zu, ohne dass die Beurteilung sich allein hierauf zu beschränken braucht.

Im vorliegenden Fall entfällt auf den Beklagten ein Betreu­ungs­anteil von etwas mehr als 1/3 (gerundet 36 %), so dass die Eltern keine Betreuung in einem Wechselmodel mit im Wesentlichen gleichen Anteilen praktizieren. Daher ist für die Zwillinge nur der Vater barun­ter­halts­pflichtig mit der Folge, dass der Barunterhalt allein nach seinem Einkommen zu bemessen ist. Der entsprechende Bedarf kann zwar teilweise durch Natura­l­leis­tungen des betreuenden Elternteils gedeckt sein. Das war hier aber nicht der Fall, so dass der Beklagte jedenfalls Unterhalt in dem vom Amtsgericht ausgeurteilten Umfang schuldet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Vater die ältere Tochter überwiegend betreut. Den für diese schuldet nicht er, sondern die Mutter Barunterhalt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 32/2007 des BGH vom 01.03.2007

der Leitsatz

BGB §§ 1601 ff., 1606 Abs. 3 Satz 2

Zur Barun­ter­halts­pflicht von Eltern, die sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln.

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