Die Parteien stritten um die elterliche Sorge für ihr im Jahr 2002 geborenes Kind. Die Mutter des Kindes ist deutsche Staatsangehörige und katholisch, der Vater ist pakistanischer Staatsangehöriger und dem Islam zugehörig. Die Parteien wurden rechtskräftig geschieden, dabei wurde vom Ausgangsgericht zugleich der Mutter die elterliche Sorge für das Kind mit der Begründung allein übertragen, die Parteien seien 'tief zerstritten' über die Frage der religiösen Erziehung des Kindes. Die Mutter wollte das Kind taufen lassen und im christlich-katholischen Glauben erziehen, während der Vater dem Kind zu einem späteren Zeitpunkt diese Entscheidung selber überlassen wollte. Das Ausgangsgericht hielt es für erforderlich, über diese Frage eine zeitnahe abschließende Entscheidung herbeizuführen, um im Sinne des Kindeswohls eine frühzeitige Vermittlung ethischer Wertvorstellungen zu ermöglichen, die erheblich zur Charakterbildung und zur Prägung des Sozialverhaltens des Kindes beitrügen.
Der BGH widerspricht dieser Entscheidung und begründet seine Auffassung damit, dass die Vermittlung ethischer Wertvorstellungen nicht zwingend durch eine frühzeitige und feste Orientierung in einem bestimmten Glauben erfolgen müsse. Dies könne auch auf andere Weise geschehen.
Zudem könne von der Zerstrittenheit der Eltern über dieses Thema nicht automatisch auf deren Unfähigkeit geschlossen werden, überhaupt gemeinsam kindeswohlverträgliche Entscheidungen zu treffen, so dass die Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil nicht erforderlich gewesen sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.08.2005
Quelle: ra-online vom 17.08.2005