21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil14.11.2006

Abtretung von Kunden­for­de­rungen an eine Verbrau­cher­zentrale zulässigKein Verstoß gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz

Der Bundes­ge­richtshof hat die Aktiv­le­gi­ti­mation einer Verbrau­cher­zentrale aus abgetretenem Recht bei missbräuch­licher Verwendung abhanden gekommener EC-Karten bejaht. Das heißt, dass Verbrau­cher­schutz­verbände z.B. Sammelklagen von Bankkunden einreichen können, die wegen Abhebungen mit entwendeten EC-Karten Regress von ihren Kredi­t­in­stituten fordern.

Der Kläger, die Verbrau­cher­zentrale Nordrhein-Westfalen e.V., macht mit einer Sammelklage an ihn abgetretene Ansprüche von Kunden der beklagten Sparkasse geltend. Er begehrt die Auszahlung, hilfsweise die Wieder­gut­schrift von Beträgen in Höhe von insgesamt 13.543,58 €, die die Beklagte Konten ihrer Kunden belastet hat, nachdem entsprechende Abhebungen an Geldautomaten mit den Kunden zuvor entwendeten ecKarten, s-Cards oder Sparkas­sen­karten unter Verwendung der korrekten PIN-Nummer getätigt worden waren.

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger, der über keine Erlaubnis nach dem Rechts­be­ra­tungs­gesetz (RBerG) verfügt, aufgrund von Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG berechtigt ist, die an ihn abgetretenen Kundenansprüche geltend zu machen. In der Sache zieht der Kläger die Sicherheit des ec-Kartensystems in Zweifel und macht insbesondere Mängel des von der Beklagten verwendeten Systems zur Verschlüsselung der PIN-Nummern geltend. Er wendet sich deshalb gegen die Annahme, angesichts der kurzen Zeiträume zwischen dem Verlust der Karten und ihrem erfolgreichen Einsatz an Geldautomaten spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kunden ihre Sorgfalts­pflichten im Umgang mit der Karte und der PIN-Nummer grob fahrlässig verletzt hätten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil die Voraussetzungen des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG nicht vorlägen, die Abtretungen somit nichtig seien und der Kläger daher nicht zur klageweisen Geltendmachung etwaiger Kunden­for­de­rungen berechtigt sei. Da zu dieser Frage unter­schiedliche Auffassungen in der Insta­nz­recht­sprechung vertreten werden, hat das Berufungs­gericht die Revision zugelassen.

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofes hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Die Abtretungen der Kunden­for­de­rungen sind wirksam, weil die gerichtliche Einziehung der Forderungen durch eine Verbrau­cher­or­ga­ni­sation im Interesse des Verbrau­cher­schutzes erforderlich (Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG) ist.

Die gerichtliche Einziehung fremder und zu Einzie­hungs­zwecken abgetretener Forderungen von Verbrauchern durch Verbrau­cher­zen­tralen oder -verbände ist gemäß Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG im Interesse des Verbrau­cher­schutzes erforderlich, wenn die Einschaltung einer Verbrau­cher­or­ga­ni­sation einem kollektiven Verbrau­che­r­in­teresse dient und eine effektivere Verfolgung dieses Interesses ermöglicht als eine Individualklage. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn Umstände vorliegen, die den einzelnen Verbraucher von einer Individualklage abhalten können, wie etwa eine geringe Anspruchshöhe, unver­hält­nismäßig hohe Prozesskosten, ein besonderes Prozessrisiko oder erhebliche praktische Schwierigkeiten, den Anspruch durchzusetzen. Diese können sich z.B. aus der Person des Prozessgegners oder im Hinblick auf die Beschaffung der erforderlichen Informationen und Beweismittel ergeben.

Gemessen hieran ist die Aktiv­le­gi­ti­mation des Klägers im vorliegenden Fall zu bejahen. Die Frage nach der Sicherheit des Verschlüs­se­lungs­systems der Beklagten als Grundlage für die Beweis­last­ver­teilung beim Missbrauch entwendeter Kreditkarten betrifft nicht nur Belange des einzelnen Verbrauchers, sondern auch kollektive Verbrau­che­r­in­teressen. Es liegen auch Umstände vor, die den einzelnen Verbraucher von der gerichtlichen Geltendmachung und der Herbeiführung einer höchst­rich­ter­lichen Klärung dieser Frage abhalten können. Die abgetretenen Einzel­for­de­rungen, die überwiegend in der Größenordnung von 500 € - 1.000 € liegen, sind zwar nicht besonders geringfügig. Sie stehen aber in einem Missverhältnis zu den voraus­sicht­lichen Prozesskosten, insbesondere zu den Kosten eines wahrscheinlich erforderlichen Sachver­stän­di­gen­gut­achtens über die Sicherheit des Verschlüs­se­lungs­systems der Beklagten. Außerdem hat der Kläger eine bessere Marktübersicht und einen breiteren Zugang zu fachkundigen Informationen als der einzelne Sparkassenkunde und kann deshalb zu den technischen Einzelheiten der von ihm behaupteten Sicher­heits­lücken und zu parallel verlaufenden Schadensfällen besser vortragen.

Das Oberlan­des­gericht wird nunmehr festzustellen haben, ob das von der beklagten Sparkasse verwendete Verschlüs­se­lungs­system ein ausreichendes Sicher­heits­niveau für die Anwendung des Anscheins­be­weises hat.

Erläuterungen

Vorinstanzen

Oberlan­des­gericht Düsseldorf - Urteil vom 28. Oktober 2005 I-16 U 160/04

Landgericht Düsseldorf - Urteil vom 20. Oktober 2004 5 O 521/03

Die einschlägigen Vorschriften des Recht­be­ra­tungs­ge­setzes (RBerG) lauten auszugsweise:

Art. 1 § 1 (Behördliche Erlaubnis)

Die Besorgung fremder Rechts­an­ge­le­gen­heiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einzie­hungs­zwecken abgetretener Forderungen, darf geschäftsmäßig ohne Unterschied zwischen haupt- und neben­be­ruf­licher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. ...

§ 3 (Zulässige Tätigkeiten)

Durch dieses Gesetz werden nicht berührt:

... 8. die außer­ge­richtliche Besorgung von Rechts­an­ge­le­gen­heiten von Verbrauchern und, wenn dies im Interesse des Verbrau­cher­schutzes erforderlich ist, die gerichtliche Einziehung fremder und zu Einzie­hungs­zwecken abgetretener Forderungen von Verbrauchern durch Verbrau­cher­zen­tralen und andere Verbrau­cher­verbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, im Rahmen ihres Aufga­ben­be­reichs; ...

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 159/06 des BGH vom 14.11.2006

der Leitsatz

RBerG Art. 1 § 3 Nr. 8

Die gerichtliche Einziehung von Forderungen durch Verbrau­cher­zen­tralen ist gemäß Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG im Interesse des Verbrau­cher­schutzes erforderlich, wenn sie nicht nur Indivi­du­al­in­teressen, sondern auch einem kollektiven Verbrau­che­r­in­teresse dient und eine effektivere Durchsetzung dieses Interesses ermöglicht.

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