18.10.2024
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Dokument-Nr. 662

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Bundesgerichtshof Urteil05.07.2005

Bei Einwänden gegen die Höhe des Tarifs eines öffentlich-rechtlichen Versor­gungs­un­ter­nehmens darf nicht auf den Rückfor­de­rungs­prozess verwiesen werden

Der Bundes­ge­richtshof hatte in zwei Fällen über die Frage zu entscheiden, ob die Kunden der Berliner Stadt­rei­ni­gungs­be­triebe, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, in Prozessen, in denen die Stadtreinigung das Entgelt für ihre Leistungen geltend macht, die Einrede erheben können, die Tarife für die Abfall­be­sei­tigung und Straßen­rei­nigung seien unangemessen hoch, oder ob sie mit dieser Einrede auf einen Rückfor­de­rungs­prozeß verwiesen werden können.

Grundlage des Streits ist die folgende in den Leistungs­be­din­gungen der Klägerin enthaltene Klausel:

"Trotz rechtzeitiger Mitteilung [der Einwendungen gegen die Rechnung der Klägerin] bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückfor­de­rungs­pro­zesses geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch des Entgelt­pflichtigen erstattet."

Das Landgericht Berlin hat als Berufungs­gericht in dem einen Fall entschieden, daß die Einrede der unangemessenen Tarif­fest­setzung von der streitigen Klausel nicht erfaßt werde und folglich die Einrede der unangemessenen Tarif­fest­setzung im Entgeltprozeß der Klägerin zulässig sei. Da die Klägerin zur Angemessenheit ihrer Tarife nichts vorgetragen hatte, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Kammergericht Berlin hingegen, das in dem anderen Fall aufgrund des höheren Streitwerts Berufungs­gericht war, hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, daß die Einrede der unbilligen Leistungs­be­stimmung durch die streitige Klausel im Zahlungsprozeß wirksam ausgeschlossen werde.

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, daß die Ausschluß­klausel in den Leistungs­be­din­gungen der Klägerin zwar auch die genannte Einrede ergreift, daß die Klausel aber unwirksam ist. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus Sinn und Zweck der Klausel, die gewährleisten soll, daß die Klägerin als zur Vorleistung verpflichtetes Versor­gungs­un­ter­nehmen keine Verzögerung bei der Realisierung ihrer Entgelt­for­de­rungen in Fällen hinnehmen muß, in denen Kunden letztlich unberechtigte Einwände geltend machen, ergibt sich, daß auch Einwände gegen die Höhe der Tarife nach § 315 Abs. 3 BGB erfaßt werden. Es stellt indessen eine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar, daß die Klägerin entgegen der gesetzlichen Regelung, wonach der Gläubiger im Falle berechtigter Einwendungen des Schuldners keine Leistung verlangen kann, ihre Kunden auch mit begründeten Einwendungen und insbesondere mit dem schwerwiegenden Einwand der unbilligen einseitigen Leistungs­be­stimmung auf einen Rückfor­de­rungs­prozeß verwiesen werden. Die Klausel hält deshalb der Inhalts­kon­trolle nach §§ 309 ff. AGBG, 307 ff. BGB nicht stand.

Der Senat hat die Sachen zur tatrich­ter­lichen Feststellung, ob die Tarife der Klägerin der Billigkeit entsprechen, an das jeweilige Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Urteile des Bundes­ge­richtshofes vom 5. Juli 2005

- X ZR 60/04 - KG Berlin 26 U 142/03, LG Berlin 9 O 99/03

- X ZR 99/04 - LG Berlin 48 S 28/04, AG Tempelhof-Kreuzberg 5 C 48/02

Quelle: Bericht der ra-online Redaktion, Pressemitteilung Nr. 101/2005 des BGH vom 05.07.2005

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