21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil18.05.2005

Zur Darlegungs- und Beweislast im Schadens­ersatz­prozeß des Mieters wegen unberechtigter Eigen­bedarfs­kündigung

Wenn der Mieter im Anschluss an eine Eigen­bedarfs­kündigung Schadens­ersatzan­sprüche wegen Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht, so muss er grundsätzlich das Fehlen des Eigenbedarfs nachweisen. Das geht aus einem Urteil des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Die Kläger waren Mieter einer Wohnung im Erdgeschoß eines Hauses in Mannheim, das ursprünglich im Eigentum der Eltern der Klägerin zu 2 und des Beklagten stand. Seit Herbst 1998 ist der Beklagte, der die im gleichen Haus gelegene Souter­rain­wohnung bewohnt, Eigentümer des Hausgrundstücks. Im Dezember 1998 kündigte der Beklagte das mit den Klägern bestehende Mietverhältnis zum 31. Dezember 1999 mit der Begründung, er wolle "in die größere, hellere und trockenere Wohnung im Erdgeschoß einziehen". Die Kläger räumten die Wohnung und mieteten eine andere Wohnung zu einem höheren Mietzins. In der folgenden Zeit nahm der Beklagte in der Erdge­schoß­wohnung Sanie­rungs­a­r­beiten vor, die sich bis in das Jahr 2002 hinzogen. Nachdem er geheiratet hatte, vermietete er die Erdge­schoß­wohnung Mitte des Jahres 2002 anderweitig. Er lebt mit seiner Ehefrau in der durch Umbau vergrößerten Souter­rain­wohnung.

Die Kläger haben Schadensersatz wegen Umzugskosten und wegen der Differenz zwischen der ursprünglichen und der in der neuen Wohnung gezahlten Miete verlangt sowie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet ist, auch den künftig infolge der Kündigung entstehenden Schaden zu ersetzen. Sie haben vorgetragen, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, die Erdge­schoß­wohnung selbst zu nutzen. Der Beklagte hat vorgetragen, er habe sich erst zu Beginn des Jahres 2002 entschlossen, seine Lebensgefährtin zu heiraten und die Souter­rain­wohnung zur gemeinsamen Ehewohnung auszubauen, weil die Erdge­schoß­wohnung als Familienwohnung zu klein sei.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg. Die vom Bundes­ge­richtshof zugelassene Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurück­ver­weisung der Sache an das Berufungs­gericht, weil es weiterer Feststellungen zu der Frage bedarf, ob der von dem Beklagten mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf vorgeschoben war.

Der VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat seine Rechtsprechung bestätigt, daß ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen eines fehlenden Kündi­gungs­grundes unwirksam ist, dem Mieter zum Schadensersatz verpflichtet ist. Nicht gefolgt ist der Bundes­ge­richtshof der Auffassung des Berufungs­ge­richts, daß der Vermieter für das Vorliegen seines mit der Kündigung behaupteten Selbst­nut­zungs­willens die Darlegungs- und Beweislast trage.

Grundsätzlich hat derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Diese Verteilung der Beweislast gilt auch für den Schaden­s­er­satz­an­spruch, den der Mieter gegen den früheren Vermieter wegen einer unberechtigten Eigen­be­da­rfs­kün­digung geltend macht. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, bei diesem Anspruch von dem allgemeinen Grundsatz der Beweis­last­ver­teilung abzuweichen, ist, wie der Bundes­ge­richtshof im einzelnen ausgeführt hat, nicht gegeben. Der Mieter wird dadurch, daß ihm der Beweis für den fehlenden Selbst­nut­zungs­willen des Vermieters auferlegt wird, nicht in unbilliger Weise belastet. Denn der Vermieter darf sich im Prozeß nicht darauf beschränken, die Behauptung des Mieters, daß der Kündigung ein Selbst­nut­zungswille des Vermieters nicht zugrunde gelegen habe, schlicht zu bestreiten. Setzt der Vermieter den mit der Kündigung behaupteten Selbst­nut­zungs­willen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, daß der Eigenbedarf als Kündigungsgrund nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Erst wenn der Vortrag des Vermieters dem genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, daß ein Selbst­nut­zungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte.

Daß der Beklagte seinen ursprünglichen Selbst­nut­zungs­willen und die tatsächlichen Gründe für dessen spätere Aufgabe substantiiert und plausibel dargelegt hat, war für das Revisi­ons­ver­fahren zu unterstellen. Daher ist es nun Sache der Kläger, ihre anspruchs­be­gründende Behauptung, der Beklagte habe von Anfang an nicht beabsichtigt, in die von ihnen gemietete Wohnung einzuziehen, zu beweisen. Die Kläger haben für ihr Vorbringen auch Zeugenbeweis angetreten.

Das Vorbringen der Kläger war nicht bereits aufgrund eines Beweises des ersten Anscheins als erwiesen anzusehen. Der Bundes­ge­richtshof hat offengelassen, ob unter bestimmten Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis zugunsten des Mieters dafür sprechen kann, daß ein Eigenbedarf schon ursprünglich nicht bestand, wenn der mit der Kündigung behauptete Eigenbedarf nicht verwirklicht wird. Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins jedenfalls nicht erfüllt, weil allein der große zeitliche Abstand zwischen der Räumung der Wohnung und deren erneuter Vermietung es nicht als hinreichend naheliegend erscheinen läßt, daß sich der Beklagte bereits vor dem Auszug der Kläger zur Neuvermietung der Wohnung entschlossen hatte.

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung Nr. 75/05 des BGH vom 18.05.2005

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