21.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 9956

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Urteil14.07.2010BundesgerichtshofVIII ZR 267/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2010, 1197Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2010, Seite: 1197
  • IMR 2010, 365Zeitschrift: Immobilien- und Mietrecht (IMR), Jahrgang: 2010, Seite: 365
  • MDR 2010, 1105Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2010, Seite: 1105
  • MietRB 2010, 317Zeitschrift: Der Miet-Rechts-Berater (MietRB), Jahrgang: 2010, Seite: 317
  • NJ 2011, 29Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2011, Seite: 29
  • NJW 2010, 3020Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2010, Seite: 3020
  • NJW-Spezial 2010, 641Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2010, Seite: 641
  • NZM 2010, 696Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2010, Seite: 696
  • WuM 2010, 571Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2010, Seite: 571
  • ZMR 2011, 16Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR), Jahrgang: 2011, Seite: 16
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Lüneburg, Urteil30.04.2009, 12 C 636/08
  • Landgericht Lüneburg, Urteil16.09.2009, 6 S 62/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.07.2010

Unterbliebene Zahlung der Prozesskosten eines früheren Räumungs­pro­zesses eines Mieters ist kein KündigungsgrundPflicht­ver­letzung erreicht nicht die vom Gesetz für eine Kündigung vorausgesetzte Erheb­lich­keits­schwelle

Ein Vermieter kann einen Wohnraum­miet­vertrag nicht deshalb kündigen, weil der Mieter die Prozesskosten eines früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungs­pro­zesses nicht begleicht. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte der Beklagte von der Klägerin eine Wohnung in Lüneburg angemietet. Die Miete wird jedenfalls zurzeit von der ARGE (Arbeits­ge­mein­schaft des kommunalen Trägers und der Agentur für Arbeit für Leistungen nach dem Sozial­ge­setzbuch II) für den Mieter bezahlt. Im Dezember 2006 kündigte die Vermieterin wegen eines erheblichen Zahlungs­rück­stands das Mietverhältnis fristlos und erhob anschließend Räumungsklage. Innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB* wurden die Mietrückstände von der ARGE beglichen, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und dem Mieter die Prozesskosten auferlegt wurden. Der Mieter hat diese Kosten bislang nicht gezahlt. Im November 2008 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis erneut mit der Begründung, der Mieter habe seine Pflichten aus dem Mietverhältnis schuldhaft verletzt, indem er u. a. die aus dem ursprünglichen Räumungsprozess entstandenen Kosten nicht beglichen habe. Das Amtsgericht hat die Räumungsklage der Vermieterin abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Weder ordentliche noch fristlose Kündigung des Mietver­hält­nisses rechtfertigt

Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die unterbliebene Zahlung der in dem früheren Räumungsprozess angefallenen Prozesskosten weder eine ordentliche noch eine fristlose Kündigung des Mietver­hält­nisses rechtfertigt.

Ordentliche Kündigung des Mietver­hält­nisses nur bei berechtigtem Interesse des Vermieters zulässig

Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Wohnraum nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB** nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietver­hält­nisses hat, z. B. wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB**).

Obdachlosigkeit des Mieters soll vermieden werden

Zwar verletzt der Mieter, der die ihm auferlegten Kosten aus einem früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungsprozess nicht begleicht, seine Pflichten aus dem Mietvertrag. Diese Pflicht­ver­letzung erreicht jedoch nicht die vom Gesetz für eine Kündigung vorausgesetzte Erheb­lich­keits­schwelle. Denn bei der Beurteilung der Erheblichkeit darf die in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers nicht außer Acht gelassen werden. Nach der genannten Vorschrift wird eine auf Zahlungsverzug gestützte außer­or­dentliche Kündigung des Mietver­hält­nisses aus wichtigem Grund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB***) unwirksam, wenn der Vermieter bis spätestens zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechts­hän­gigkeit des Räumungs­an­spruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Ziel der Regelung ist es, die Obdachlosigkeit des Mieters zu vermeiden. Mit dieser Intention ist es nicht zu vereinbaren, wenn zwar die außer­or­dentliche Kündigung des Mietver­hält­nisses wegen Zahlungsverzugs aufgrund einer von der Sozia­l­hil­fe­behörde innerhalb der Schonfrist herbeigeführten Befriedigung des Vermieters unwirksam wird, jedoch dem Vermieter die Möglichkeit verbliebe, das Mietverhältnis gleichwohl erneut zu kündigen, weil der Mieter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Prozesskosten des erledigten Räumungs­rechtss­treits zu begleichen.

Kein wichtiger Grund für außer­or­dentliche Kündigung

Aus den gleichen Erwägungen stellt die unterbliebene Bezahlung der Prozesskosten auch keinen wichtigen Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB*** dar.

*§ 569 Außer­or­dentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:

1. …

2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechts­hän­gigkeit des Räumungs­an­spruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. …

** § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietver­hält­nisses hat. …

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietver­hält­nisses liegt insbesondere vor, wenn

1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,

2. …

***§ 543 Außer­or­dentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertrags­parteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietver­hält­nisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1. …

2. …

3. der Mieter

a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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