18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 4569

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Bundesgerichtshof Urteil18.07.2007

Gebraucht­wa­genkauf: Rücktrittsrecht bei Sachmangel bis 6 Monate nach Kauf - BGH stärkt Verbrau­cher­rechteBeweis­la­st­umkehr gem. § 476 BGB bei beschädigter Zylin­der­kopf­dichtung und gerissenen Ventilstegen eines Gebrauchtwagens

Der Bundes­ge­richtshof hat seine Rechtsprechung zur Beweis­la­st­umkehr bei einem Verbrauchs­gü­terkauf nach § 476 BGB fortgeführt. Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf ein Defekt, dann kann der Käufer gegen Rückgabe des Wagens sein Geld zurückverlangen.

Der Kläger erwarb – nach seinen Angaben als Verbraucher – von dem Beklagten, der einen Kraft­fahr­zeug­handel betreibt, einen gebrauchten Perso­nen­kraftwagen mit einem Kilometerstand von 159.100 km zum Kaufpreis von 4.490 €. Etwa vier Wochen nach Übergabe wurde in einer Fachwerkstatt festgestellt, dass sich im Kühlsystem des Fahrzeugs zu wenig Wasser befand. Nach der Demontage des Zylinderkopfes stellte sich weiter heraus, dass die Zylin­der­kopf­dichtung defekt und die Ventilstege gerissen waren. Nachdem der Kläger den Beklagten vergeblich zur Beseitigung der Mängel aufgefordert hatte, erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag und erhob Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Ein Rücktrittsrecht des Klägers besteht nur dann, wenn die nach der Übergabe festgestellten Fahrzeugmängel schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden waren. Diese zwischen den Parteien streitige Frage konnte im Prozess nicht geklärt werden. Diese Ungewissheit wirkt sich grundsätzlich zu Lasten des Käufers aus. Für den Verbrauchsgüterkauf – den Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer – greift dem gegenüber nach § 476 BGB aus Gründen des Verbrau­cher­schutzes eine Umkehr der Beweislast Platz. Nach dieser Bestimmung wird regelmäßig vermutet, dass ein Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit der Übergabe an den Käufer zeigt, schon bei der Übergabe vorhanden war. Die Parteien stritten vornehmlich darüber, ob diese Vermutung dem Kläger im Streitfall zugute kommt. Amts- und Landgericht hatten dies unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs verneint.

Der Bundes­ge­richtshof ist dem nicht gefolgt. Soweit er in zwei zuvor entschiedenen Fällen – dem Zahnriemenfall und dem Turboladerfall (NJW 2006, 434 = BGH, Urteil v. 23.11.2005 - VIII ZR 43/05 -) – eine Beweislastumkehr zugunsten des Käufers verneint hat, beruhte das darauf, dass dort schon nicht hatte geklärt werden können, ob der jeweils erst nach Übergabe des Fahrzeugs eingetretene Motor- bzw. Turbo­la­der­schaden seinerseits auf einen Mangel oder auf eine andere Ursache wie einen zur sofortigen Zerstörung des Motors führenden Fahrfehler des Käufers bzw. gewöhnlichen Verschleiß zurückzuführen war. Im Streitfall ist dagegen nicht ungeklärt geblieben, ob das Fahrzeug mangelhaft ist. Vielmehr steht dies fest. Nach dem unstreitigen Sachverhalt haben sich nach der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger Mängel in Gestalt der defekten Zylin­der­kopf­dichtung und der gerissenen Ventilstege gezeigt. Ungeklärt geblieben ist allein die Frage, ob der Defekt der Zylin­der­kopf­dichtung und die daraus folgende oder dafür ursächliche Überhitzung des Motors, auf die nach den Ausführungen des Sachver­ständigen auch das Reißen der Ventilstege zurückzuführen ist, bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger eingetreten waren oder ob sie erst danach – durch einen Fahr- oder Bedienfehler des Klägers – entstanden sind. Insoweit begründet § 476 BGB die Vermutung, dass die – feststehenden – Mängel bereits bei Übergabe vorgelegen haben.

Entge­gen­ge­treten ist der Bundes­ge­richtshof auch der Hilfsbegründung des Berufungs­ge­richts, die Vermutung des § 476 BGB greife jedenfalls deswegen nicht ein, weil es sich um Mängel handele, die typischerweise jederzeit eintreten könnten und deshalb keinen hinreichend wahrschein­lichen Schluss darauf zuließen, dass sie schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorhanden waren. Diese Ansicht hat der Bundes­ge­richtshof, was das Berufungs­gericht übersehen hat, bereits wiederholt abgelehnt, weil sie den mit der Vorschrift des § 476 BGB bezweckten Verbrau­cher­schutz weitgehend leerlaufen ließe.

Da es für die Endentscheidung weiterer tatsächlicher Feststellungen insbesondere zu den Voraussetzungen eines Verbrauchs­gü­terkaufs bedarf, hat der Bundes­ge­richtshof das Urteil des Berufungs­ge­richts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 105/07 des BGH vom 18.07.2007

der Leitsatz

BGB §§ 434, 437, 474, 476

Zeigt sich bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug, das ein Verbraucher von einem Unternehmer gekauft hat, innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe an den Käufer ein Mangel (hier: defekte Zylin­der­kopf­dichtung, gerissene Ventilstege) und können die dafür als ursächlich in Frage kommenden Umstände (Überhitzung des Motors infolge zu geringen Kühlmit­tel­stands oder Überbe­an­spruchung) auf einen Fahr- oder Bedie­nungs­fehler des Käufers zurückzuführen, ebenso gut aber auch bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer eingetreten sein, so begründet § 476 BGB die Vermutung, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war.

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