18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 739

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Urteil20.07.2005BundesgerichtshofVIII ZR 253/04
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Schöneberg, , 106 C 540/03
  • Landgericht Berlin, Urteil28.05.2004, 63 S 49/04
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Bundesgerichtshof Urteil20.07.2005

Duldungspflicht des Mieters bei Arbeiten zum Anschluß der Wohnung an ein Breit­band­ka­belnetzKabelanschluss stellt Verbesserung der Mietsache dar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, daß der vom Vermieter beabsichtigte Anschluß einer Wohnanlage an ein rückka­na­l­fähiges Breit­band­ka­belnetz auch im Empfangsbereich des in Berlin zu empfangenden terrestrischen Digita­l­fern­sehens (DVB-T) weiterhin eine Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt und die dafür erforderlichen Arbeiten deshalb vom Mieter zu dulden sind.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer 66 Einheiten umfassenden Wohnanlage in Berlin; die Beklagte hat dort eine Wohnung gemietet. Die Wohnanlage war ursprünglich an eine Gemein­schafts­antenne zum Empfang von Fernseh­pro­grammen angeschlossen. Nachdem ab 1. November 2002 das sogenannte terrestrische Digita­l­fernsehen (DVB-T) in Berlin eingeführt und im Zuge dieser Umstellung der analoge Empfang von Fernseh­pro­grammen eingestellt worden war, installierte die Klägerin zur vorübergehenden Sicherung des Fernsehempfangs eine Satel­li­te­n­anlage, mit der wie bei der vorherigen Gemein­schafts­antenne lediglich fünf Fernseh­pro­gramme empfangen werden können. Die Klägerin beabsichtigt den Anschluß der gesamten Wohnanlage an ein rückka­na­l­fähiges Breit­band­ka­belnetz. Sie erbat die Zustimmung der Mieter zur Durchführung der dafür erforderlichen Arbeiten. Die Beklagte verweigerte ihre Zustimmung mit der Begründung, daß seit Einführung des Digita­l­fern­sehens in Berlin der Fernsehempfang hier in gleicher Qualität, jedoch preiswerter mit einer Set-Top-Box möglich sei. Die Klägerin hat daraufhin die Verurteilung der Beklagten zur Duldung der für den Kabelanschluß in der Wohnung der Beklagten erforderlichen Arbeiten begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Auf die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision hat der Bundes­ge­richtshof das Urteil des Landgerichts mit der Begründung aufgehoben, daß ein Anspruch der Klägerin auf Duldung der für den Kabelanschluß erforderlichen Arbeiten nicht aus den vom Berufungs­gericht dargelegten Gründen verneint werden könne.

Nach § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Mieter Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache zu dulden. Ob eine Maßnahme zur Verbesserung der gemieteten Räume vorliegt, ist objektiv, das heißt nicht nach der Wertung des derzeitigen Mieters zu bestimmen; entscheidend ist, ob der Maßnahme nach der Verkehrs­an­schauung eine Wohnwert­ver­bes­serung zugemessen wird, so daß der Vermieter damit rechnen kann, daß die Wohnung von künftigen Mietin­ter­es­senten eher angemietet werden wird als eine vergleichbare Wohnung, bei der die Maßnahme nicht durchgeführt worden ist.

Der Auffassung des Berufungs­ge­richts, daß im Hinblick auf das in Berlin mit entsprechender Antenne und Set-Top-Box frei empfangbare Digita­l­fernsehen eine Wohnwert­ver­bes­serung durch einen rückka­na­l­fähigen Breit­band­ka­be­l­an­schluß "noch nicht" gegeben sei, weil nach der Verkehrs­an­schauung nicht angenommen werden könne, daß die weitergehenden Nutzungs­mög­lich­keiten, die das Breit­band­ka­belnetz gegenüber dem Digita­l­fernsehen biete, bereits einen durch­schnitt­lichen Standard darstellten oder von einer ins Gewicht fallenden Zahl von Mietern nachgefragt würden, ist der Senat nicht gefolgt. Er hat hierzu ausgeführt, daß der Vermieter, der eine Modernisierung beabsichtigt, nicht darauf beschränkt ist, die Wohnung nur auf den durch­schnitt­lichen Standard des gegenwärtigen Wohnungsmarkts anzuheben. Ein Vermieter darf die Attraktivität seiner Wohnungen auch durch eine überdurch­schnittliche Ausstattung erhöhen, selbst wenn die Nachfrage danach noch verhältnismäßig gering sein mag. Eine nicht gegen den Willen des Mieters durchsetzbare "Luxus­mo­der­ni­sierung" liegt bei einem Kabelanschluß jedenfalls nicht vor.

Soweit das Berufungs­gericht gemeint hat, daß die weitergehenden Nutzungs­mög­lich­keiten des Breit­band­ka­bel­netzes gegenüber dem terrestrischen Digita­l­fernsehen nicht von einer ins Gewicht fallenden Anzahl von Mietern nachgefragt würden, hat es bei dem von ihm angestellten Vergleich wesentliche Umstände nicht berücksichtigt. Nach dem vom Berufungs­gericht festgestellten Sachverhalt sind nach dem gegenwärtigen Entwick­lungsstand über das Breit­band­ka­belnetz im Gegensatz zum Digita­l­fernsehen zusätzlich etwa 30 Hörfunk­pro­gramme in Stereoqualität zu empfangen. Hinzu kommen zu den 34 analogen Fernseh­pro­grammen des Kabelnetzes, denen 27 Fernseh­pro­gramme des Digita­l­fern­sehens gegenüberstehen, etwa 60 weitere über das Kabelnetz mit Hilfe eines Decoders digital zu empfangende in- und ausländische Fernseh­pro­gramme sowie die zukünftige Möglichkeit interaktiver Mediennutzung. Insoweit hat das Berufungs­gericht insbesondere nicht berücksichtigt, daß zu den 60 digitalen Zusatz­pro­grammen des Kabelnetzes zahlreiche ausländische Fernseh­pro­gramme gehören. Angesichts des Auslän­deranteils der Berliner Bevölkerung und der darauf beruhenden Nachfrage nach ausländischen Fernseh­pro­grammen, die auch in zahlreichen Rechtss­trei­tig­keiten über die Aufstellung von Parabolantennen zum Empfang ausländischer Fernseh­pro­gramme zum Ausdruck kommt, hat der Senat die Auffassung des Berufungs­ge­richts nicht zu teilen vermocht, daß der Anschluß an das Breit­band­ka­belnetz, das ausländische Programme in erheblicher Anzahl zur Verfügung stellt und insoweit die zusätzliche Aufstellung von Parabolantennen entbehrlich macht, gegenüber dem Digita­l­fernsehen, das diese Möglichkeit zur Zeit nicht bietet, nicht von wesentlichem Vorteil sei.

Da somit der von der Klägerin beabsichtigte Anschluß der Wohnanlage an das rückkanalfähige Breit­band­ka­belnetz nach dem gegenwärtigen Stand der technischen Entwicklung als Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache anzusehen ist, erstreckt sich die grundsätzlich bestehende Duldungspflicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeiten, die für den Anschluß der von ihr gemieteten Wohnung an das Breit­band­ka­belnetz erforderlich sind, sondern ebenso auf die Verlegung der Kabel durch die Wohnung der Beklagten in die darüberliegende Wohnung, um deren Anschluß an das Breit­band­ka­belnetz zu ermöglichen.

Der Senat hat jedoch den Rechtsstreit nicht abschließend entschieden, sondern an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, weil das Berufungs­gericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig bislang nicht geprüft hat, ob die Duldungspflicht der Beklagten aufgrund der Härteklausel des § 554 Abs. 2 Satz 2 bis 4 BGB ausnahmsweise ausgeschlossen ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 107/05 des BGH vom 20.07.2005

der Leitsatz

BGB § 554 Abs. 2 Satz 1

Zur Frage, ob der vom Vermieter beabsichtigte Anschluß einer Wohnanlage an ein rückka­na­l­fähiges Breit­band­ka­belnetz im Empfangsbereich des terrestrischen Digita­l­fern­sehens (DVB-T) - hier: in Berlin - eine Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt.

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