15.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 22828

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Bundesgerichtshof Urteil29.06.2016

Mehr als zwölf Monate Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung stellt keinen Sachmangel eines Gebrauchtwagens darLange Standzeit begründet nicht ohne Weiteres einen Sachmangel

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung verkaufter Gebrauchtwagen nicht mangelhaft ist, wenn das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens kaufte im Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraft­fahr­zeughändlerin, einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 Euro. Im Kaufver­trags­formular war unter der Rubrik "Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief" der 18. Februar 2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 1. Juli 2008 hergestellt worden war. Nach Ansicht des Klägers begründet die sich hieraus ergebende Dauer der Standzeit vor Erstzulassung (19 ½ Monate) schon für sich genommen einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises.

Das Landgericht hat seiner Zahlungsklage stattgegeben, das Oberlan­des­gericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

BGH verneint Vorliegen eines Sachmangels

Die hiergegen gerichtete, vom Berufungs­gericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass eine Standzeit von über zwölf Monaten vor Erstzulassung bei einem Gebraucht­wa­genkauf nicht ohne Weiteres einen Sachmangel begründet.

Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung über bestimmtes Herstel­lungsdatum oder Baujahr wurde nicht getroffen

Die Parteien hatten weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung über ein bestimmtes Herstel­lungsdatum oder Baujahr getroffen (§ 433 Abs. 1 Satz 2*, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB**). Der bloßen Angabe des Datums der Erstzulassung im Kaufvertrag kann - anders als der Kläger meint - eine solche (still­schweigende) Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung schon deshalb nicht entnommen werden, weil die Beklagte durch den einschränkenden Zusatz "lt. Fzg.-Brief" keine verbindliche Willen­s­er­klärung abgegeben, sondern lediglich mitgeteilt hat, aus welcher Quelle sie die entsprechenden Angaben entnommen hat (Wissens­mit­teilung). Die Beklagte hat damit deutlich gemacht, dass sie weder für die Richtigkeit des Erstzu­las­sungs­datums noch - darüber hinausgehend - für ein bestimmtes Baujahr des Fahrzeugs einstehen will.

Kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags

Die Standzeit von 19 ½ Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung führt auch nicht dazu, dass sich der erworbene Gebrauchtwagen zum Zeitpunkt der Übergabe nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und nicht die übliche, vom Käufer berech­tig­terweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB**). Zwar hat der Bundes­ge­richtshof für den Kauf von Neu- oder Jahreswagen bereits entschieden, dass ein Autokäufer in diesen Fällen eine zwölf Monate nicht überschreitende Standzeit vor der Erstzulassung erwarten darf. Denn dem durch die Standzeit voran­schrei­tenden Alterungs­prozess kommt bei neuen Fahrzeugen oder zumindest "jungen Gebrauchtwagen" besonderes wirtschaft­liches Gewicht zu. Vergleichbare allgemein gültige Aussagen lassen sich bei sonstigen Gebrauchtwagen jedoch nicht treffen. Welche Standzeiten bei solchen Fahrzeugen üblich sind und ein Käufer - ohne zusätzliche Verkäu­fer­angaben - erwarten darf, hängt vielmehr von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa der Dauer der Zulassung zum Verkehr und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung. Wenn das erworbene Gebraucht­fahrzeug - wie hier - zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits längere Zeit zum Straßenverkehr zugelassen war und durch eine relativ hohe Laufleistung eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten ist, verlieren - wie das Berufungs­gericht rechts­feh­lerfrei angenommen hat - eine vor der Erstzulassung eingetretene Standzeit und der hierauf entfallende Alterungs­prozess zunehmend an Bedeutung. Dass konkrete stand­zeit­be­dingte Mängel aufgetreten sind, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Der Kaufvertrag ist daher nicht rückabzuwickeln.

* § 433 BGB Vertrags­ty­pische Pflichten beim Kaufvertrag

Erläuterungen
(1) [...] 2 Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

[...]

** § 434 BGB Sachmangel

(1) 1 Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2 Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

[...]

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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