18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 136

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Urteil26.01.2005BundesgerichtshofVIII ZR 175/04
Vorinstanzen:
  • Landgericht Rottweil, Urteil, 3 O 387/03
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil19.05.2004, 3 U 12/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.01.2005

Agentur­ge­schäfte im Gebraucht­wa­gen­handel

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen Agentur­ge­schäfte im Gebraucht­wa­gen­handel mit Verbrauchern als unzulässige Umgehung der Bestimmungen über den Verbrauchs­gü­terkauf (§ 475 Abs. 1 BGB) anzusehen sind.

Der Kläger erwarb am 28. Oktober 2002 in den Geschäftsräumen des beklagten Gebraucht­wa­gen­händlers einen dort ausgestellten gebrauchten Opel Astra Coupé zum Preis von 14.990 €. Der unter Verwendung eines Vertrags­for­mulars des Beklagten erstellte schriftliche Kaufvertrag weist als Verkäufer unter Angabe der Anschrift den bisherigen Fahrzeu­gei­gentümer aus. Die Sachmän­gel­haftung ist nach dem Vertragstext ausgeschlossen.

Der Kläger leistete auf den Kaufpreis eine Anzahlung. Der auf Vermittlung des Beklagten durch eine Bank finanzierte Restkaufpreis in Höhe von 14.000 € wurde, wie im Darle­hens­vertrag vereinbart, an den Beklagten ausgezahlt. Wenige Wochen nach Übergabe des Fahrzeugs rügte der Kläger gegenüber dem Beklagten Fahrzeugmängel. Der Beklagte lehnte eine Nachbesserung unter Hinweis darauf ab, daß er nicht der Verkäufer des Fahrzeugs sei, sondern den Kauf nur vermittelt habe. Der Kläger erklärte daraufhin gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit der Klage hat er die Freistellung von der Darle­hens­ver­bind­lichkeit gegenüber der Bank sowie Ersatz verauslagter Vertrags- und Finan­zie­rungs­kosten verlangt. Er hält den Beklagten für den Verkäufer des Fahrzeugs, weil dieser ihn nicht auf eine bloße Vermitt­lung­s­tä­tigkeit hingewiesen habe. Er ist ferner der Auffassung, das Agenturgeschäft sei ein Umgehungs­ge­schäft im Sinne des § 475 Abs. 1 BGB, weil es dem Beklagten nur darum gegangen sei, Gewähr­leis­tungs­rechte auszuschließen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt er das Klagebegehren weiter.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Er teilt die Auffassung des Berufungs­ge­richts, daß der beklagte Kraft­fahr­zeughändler nicht der Verkäufer des Fahrzeugs ist und sich auch nicht gemäß § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB so behandeln lassen muß, als hätte er selbst das Fahrzeug an den Kläger verkauft.

Nach dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrages hat der Kläger das Fahrzeug nicht von dem Beklagten, sondern von dem Voreigentümer gekauft. In Anbetracht des auch für den Kläger eindeutigen und von ihm selbst ursprünglich so gesehenen Vertragsinhalts kam den Beglei­t­um­ständen, aus denen der Kläger nachträglich ein Eigengeschäft des Beklagten herleiten will, keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Unerheblich ist insbesondere, ob der Kläger bei den Vertrags­ver­hand­lungen darauf hingewiesen worden ist, daß der Beklagte den Fahrzeugverkauf nur vermittle. Denn ein ausreichender Hinweis darauf ist unter den gegebenen Umständen jedenfalls darin zu sehen, daß die von dem Mitarbeiter des Beklagten handschriftlich ergänzte und dem Kläger sodann zur Unterschrift vorgelegte Vertragsurkunde nicht den Beklagten, sondern den Voreigentümer als Verkäufer des Fahrzeugs bezeichnet. Unerheblich ist auch, daß der Beklagte nach eigenen Angaben die auf seinem Betriebsgelände ausgestellten Fahrzeuge so präsentierte, daß für die Kunden nicht erkennbar war, ob er als Verkäufer oder nur als Vermittler in Erscheinung treten wollte.

Gewerbliche Agenturverträge über den Verkauf von beweglichen Sachen Privater an Verbraucher können auch nicht generell als Umgehungs­ge­schäfte im Sinne des § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden. Agentur­ge­schäfte, insbesondere im Gebraucht­wa­gen­handel, sind eine seit langem bekannte Erscheinung. Vor Einführung der Diffe­renz­be­steuerung (§ 25 a UStG) im Jahre 1990 wurden sie vom gewerblichen Gebraucht­wa­gen­handel als Gestal­tungs­mittel genutzt, um beim Verkauf von Gebraucht­fahr­zeugen den Anfall der Umsatzsteuer zu vermeiden. In der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs sind sie als legitimes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anerkannt worden.

Auch in der Diskussion um die Neufassung des Kaufrechts im Zuge der Schuld­rechts­mo­der­ni­sierung ist für den Gebraucht­wa­gen­handel auf das Agenturgeschäft und die Gefahr einer Umgehung des angestrebten verstärkten Verbrau­cher­schutzes hingewiesen worden. Der in diesem Zusammenhang erhobenen Forderung, die Möglichkeit einer Umgehung der strengen Bestimmungen des Verbrauchs­gü­terkaufs durch ein Ausweichen auf Agentur­ge­schäfte von vornherein zu verhindern, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Das läßt nur den Schluß zu, daß Agentur­ge­schäfte auch im Bereich des gewerblichen Handels mit gebrauchten Sachen Privater jedenfalls nicht generell als Umgehungs­ge­schäfte im Sinne des § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden können. Im Einzelfall kann jedoch eine Umgehung des für den Verbrauchs­gü­terkauf bezweckten Verbrau­cher­schutzes anzunehmen sein, wenn das Agenturgeschäft mißbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern. Dafür ist entscheidend, wie bei wirtschaft­licher Betrachtung die Chancen und Risiken des Gebraucht­wa­gen­verkaufs zwischen dem bisherigen Eigentümer des Fahrzeugs und dem Fahrzeughändler verteilt sind. Hat etwa der Händler ein Gebraucht­fahrzeug, das er "im Kundenauftrag" weiterveräußert, dergestalt in Zahlung genommen, daß er dem Eigentümer des Fahrzeugs einen bestimmten Mindest­ver­kauf­spreis für das Altfahrzeug garantiert und ihm beim Kauf eines Neuwagens den entsprechenden Teil des Kaufpreises für das Neufahrzeug gestundet hat, so ist bei der gebotenen wirtschaft­lichen Betrach­tungsweise von einem Ankauf des Altfahrzeugs durch den Händler auszugehen mit der Folge, daß er beim Weiterverkauf des Gebrauchtwagens als dessen Verkäufer anzusehen ist und das gleichwohl gewählte Agenturgeschäft nach § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Anerkennung finden kann. Hat dagegen der Neuwagenkäufer das Risiko des Weiterverkaufs seines bisherigen Fahrzeugs zu tragen, so ist das Agenturgeschäft auch bei wirtschaft­licher Betrach­tungsweise zu akzeptieren; ein Umgehung­s­tat­bestand ist dann nicht anzunehmen.

Bei Zugrundelegung dieser Kriterien war die Entscheidung des Berufungs­ge­richts nicht zu beanstanden. Der Beklagte hatte nach der mit dem Voreigentümer getroffenen Absprache nicht für einen bei dem Weiterverkauf zu erzielenden Mindestpreis einzustehen und hätte diesen nur nach Rücksprache mit dem Voreigentümer unterschreiten dürfen. Das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs lag daher bei dem Voreigentümer.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 12/2005 des BGH vom 26.01.2005

der Leitsatz

BGB § 475

Agentur­ge­schäfte sind im Gebraucht­wa­gen­handel mit Verbrauchern nicht generell, sondern nur dann als Umgehungs­ge­schäfte anzusehen, wenn bei wirtschaft­licher Betrach­tungsweise der Gebraucht­wa­gen­händler als der Verkäufer des Fahrzeugs anzusehen ist. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei der Frage zu, ob der Händler oder der als Verkäufer in Erscheinung tretende Fahrzeu­gei­gentümer das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs zu tragen hat.

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