18.10.2024
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Dokument-Nr. 4014

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Urteil28.03.2007BundesgerichtshofVIII ZR 144/06
Vorinstanz:
  • Landgericht Potsdam, Urteil15.05.2006, 3 S 147/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.03.2007

BGH lehnt Kontrolle von Strompreisen abKeine analoge Anwendung von § 315 BGB auf Strompreise

Der Bundes­ge­richtshof hat es abgelehnt, über die Angemessenheit von Stromtarifen zu entscheiden. Im liberalisierten Strommarkt gäbe es keine Monopolstellung mehr. Der Kunde könne auch auf andere Stromanbieter zurückgreifen. Daher sei kein Raum für die unmittelbare oder analoge Anwendung von § 315 BGB.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem zwischen den Parteien bestehenden Strom­lie­fe­rungs­vertrag auf Zahlung des Entgelts für von ihr im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 6. November 2003 gelieferten Strom in Anspruch. Der Beklagte wurde zunächst zu dem Tarif "local plus" beliefert. Mit Schreiben vom 8. April 2002 widersprach er der von der Klägerin angekündigten Erhöhung dieses Tarifs. Die Klägerin erklärte daraufhin in ihrem Antwort­s­chreiben vom 15. April 2002, dass aufgrund des Widerspruchs gegen die Preiserhöhung der "local plus" Vertrag ende, sie den Beklagten bis zum 30. April 2002 zu den alten Preisen weiterbeliefere und ab dem 1. Mai 2002 zu ihrem Allgemeinen Tarif (local classic) versorgen werde. In der Folge stellte die Klägerin dem Beklagten den Stromverbrauch in Rechnung, wobei sie ab dem 1. Mai 2002 nicht mehr den Tarif "local plus", sondern den – hinsichtlich des Verbrauch­s­preises teureren – Tarif "local classic" berechnete.

Das Amtsgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teilbetrages wegen der Mahnkosten stattgegeben. Die dagegen von dem Beklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht – nach Teilk­la­ge­rü­cknahme - zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Beklagte könne mit dem Einwand der Unbilligkeit der Stromtarife nicht durchdringen.

Der VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass das Berufungs­gericht den Anspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2002 zu Recht bejaht hat. Eine Billig­keits­über­prüfung der Höhe des geltend gemachten Entgelts nach § 315 Abs. 3 BGB scheidet aus, weil § 315 BGB weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung findet. Die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB kommt nicht in Betracht, weil die Parteien nicht vereinbart haben, dass die Klägerin die Leistung einseitig zu bestimmen hat. Sie haben vielmehr konkret festgelegt, welche Leistung der Beklagte zu erbringen hat. Dies gilt – jedenfalls für den anfänglich vereinbarten Strompreis - auch dann, wenn - wovon das Berufungs­gericht ausgegangen ist – der Vertrag keine betragsmäßige Festlegung des geltenden Tarifs enthält, sondern sich die Preise für die Stromlieferung aus den jeweiligen, von der zuständigen Behörde genehmigten allgemeinen Tarifen für die Versorgung mit Elektrizität in Niederspannung ergaben. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts war der Beklagte auf die Belieferung durch die Klägerin nicht angewiesen, sondern hatte die Möglichkeit, Strom von einem anderen Anbieter seiner Wahl zu beziehen. Damit fehlt es an einer Monopolstellung der Klägerin als Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB.

Hinsichtlich der im Zeitraum vom 1. Mai 2002 bis 6. November 2003 erbrachten Strom­lie­fe­rungen waren die tatrich­ter­lichen Feststellungen des Berufungs­ge­richts unzureichend. Es ist ungeklärt geblieben, auf welcher rechtlichen Grundlage die Klägerin den Vertrag in ihrem Schreiben vom 15. April 2002 für beendet erklärt hat, insbesondere, ob ihr ein Kündigungsrecht zustand. Dazu hatte das Berufungs­gericht keine Feststellungen getroffen. Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil des Berufungs­ge­richts deshalb aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 40/2007 des Bundesgerichtshofs vom 28.03.2007

der Leitsatz

BGB § 315; AVBEltV § 4; EnWG § 10

a) § 315 BGB findet auf den anfänglich vereinbarten Strompreis auch dann keine unmittelbare Anwendung, wenn der Vertrag keine betragsmäßige Festlegung des geltenden Tarifs enthält, sondern sich die Preise für die Strom­lie­fe­rungen aus den jeweiligen allgemeinen Tarifen für die Versorgung mit Elektrizität in Niederspannung ergeben (Abgrenzung zu BGHZ 164, 336 ff.).

b) Eine Strom­preis­kon­trolle in entsprechender Anwendung des § 315 BGB scheidet aus, wenn der Stromkunde die Möglichkeit hat, Strom von einem anderen Anbieter seiner Wahl zu beziehen.

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