18.10.2024
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Dokument-Nr. 4525

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Bundesgerichtshof Urteil11.07.2007

BGH: Beweis­la­st­umkehr gemäß § 476 BGB beim Kauf einer KatzeRegelung gilt grundsätzlich auch für Tiere

Die Beweis­la­st­umkehr gemäß § 476 BGB, nach bei einem Verbrauchs­gü­terkauf vermutet wird, dass ein Fehler, der in den ersten sechs Monaten nach dem Kauf auftritt, von vornherein vorhanden war, gilt grundsätzlich auch für den Kauf einer Katze. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Der Bundes­ge­richtshof hatte erneut über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Beweis­la­st­umkehr gemäß § 476 BGB eingreift. Nach dieser Vorschrift wird bei einem Verbrauchs­gü­terkauf – dem Verkauf einer beweglichen Sache oder eines Tieres (§ 90 a BGB) durch einen Unternehmer an einen Verbraucher – regelmäßig vermutet, dass ein Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit der Übergabe an den Käufer zeigt, schon bei der Übergabe vorhanden war. Das gilt allerdings dann nicht, wenn diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

Im vorliegenden Fall verkaufte die Beklagte, die die Zucht von Katzen betreibt, der Klägerin am 11. August 2002 einen Kater als Zuchttier zu einem Kaufpreis von 660 €. Die Klägerin besaß unter anderem bereits zwei weibliche Katzen, deren Würfe sie jeweils verkaufte. Der Kater wurde ihr am 6. Oktober 2002 übergeben. Am 26. Oktober 2002 wurde bei ihm die Pilzerkrankung Microsporum canis festgestellt. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen aufgewendeter Tierarztkosten für die Behandlung des Katers sowie ihrer weiteren Katzen.

Ob der Kater bereits bei der Übergabe an die Klägerin mit den Erregern der Krankheit infiziert war – nur in diesem Fall handelt es sich um einen Mangel des verkauften Katers, für den die Beklagte als Verkäuferin haftet – konnte nicht geklärt werden. Nach dem vom Amtsgericht eingeholten tierme­di­zi­nischen Gutachten kann die Inkubationszeit sieben bis vierzehn Tage, aber auch bis zu anderthalb Jahre betragen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der Kater bereits bei der Übergabe von dem Krank­heits­erreger befallen gewesen sei. Sie könne sich auch nicht auf die Vermu­tungs­wirkung des § 476 BGB berufen. Zweck der Vorschrift sei es, das Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Verbraucher auszugleichen, das sich aus den besseren Erkenntnis- und Beweis­mög­lich­keiten des Unternehmers hinsichtlich der Beschaffenheit der von ihm verkauften Ware ergebe. Könne der Unternehmer den Mangel aber trotz sorgfältiger Untersuchung ebenso wenig erkennen wie der Verbraucher, bestehe kein Anlass, den Verbraucher durch eine Beweis­la­st­umkehr zu schützen. So verhalte es sich im Streitfall; denn die Infektion mit dem Krank­heits­erreger sei vor dem sichtbaren Ausbruch der Krankheit ohne Labor­un­ter­suchung weder für den Käufer noch für den Verkäufer zu erkennen.

Dieser Auffassung ist der Bundes­ge­richtshof entge­gen­ge­treten. Er hat entschieden, dass die Beweis­la­st­umkehr nach § 476 BGB zugunsten der Klägerin nicht aus dem vom Berufungs­gericht angenommenen Grund ausgeschlossen ist. Zwar trifft es zu, dass der gesetzlichen Regelung die Erwägung zugrunde liegt, dass ein Verkäufer, der als Unternehmer eine bewegliche Sache an einen Verbraucher verkauft, jedenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe typischerweise über bessere Erkenntnis- und Beweis­mög­lich­keiten verfügt als der Verbraucher. Das Eingreifen der Vermutung hängt entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts aber nicht davon ab, ob im Einzelfall ein Wissens­vor­sprung des Unternehmers hinsichtlich der Mangelfreiheit der Kaufsache besteht. Andernfalls würde die Beweis­la­st­umkehr bei verdeckten Mängeln wie etwa beim Verkauf origi­na­l­ver­packter Ware generell nicht eingreifen und der spezifisch Verbraucher schützende Charakter der Vorschrift damit weitgehend leer laufen.

Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil des Berufungs­ge­richts deshalb aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landgericht wird nunmehr unter anderem festzustellen haben, ob die Klägerin Verbraucherin ist oder ob ihre Katzenzucht, wie die Beklagte geltend macht, als gewerbliche Tätigkeit einzustufen ist. Anders als das Berufungs­gericht angenommen hat, muss nicht die Beklagte, sondern nach allgemeinen Beweis­last­grund­sätzen die Klägerin darlegen und beweisen, dass sie beim Abschluss des Kaufvertrags als Verbraucherin gehandelt hat, weil sie es ist, die sich auf die Anwendbarkeit der für sie günstigen Verbrau­cher­schutz­be­stimmung des § 476 BGB beruft.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 97/07 des BGH vom 11.07.2007

der Leitsatz

BGB §§ 13, 474, 476

a) Die Vermutung des § 476 BGB ist nicht dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn der Mangel, falls er schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat, für den Verkäufer ebenso wie für den Käufer nicht erkennbar war. Sie setzt nicht voraus, dass der Verkäufer in Bezug auf den betreffenden Mangel bessere Erkennt­nis­mög­lich­keiten hat als der Käufer.

b) Der Käufer, der sich auf die ihm günstige Beweis­la­st­umkehr gemäß § 476 BGB beruft, muss im Streitfall darlegen und beweisen, dass die für die Anwendung dieser Vorschrift erforderlichen Voraussetzungen eines Verbrauchs­gü­terkaufs nach § 474 BGB erfüllt sind, er insbesondere beim Abschluss des Kaufvertrages als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB gehandelt hat.

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