15.11.2024
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Dokument-Nr. 1880

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Bundesgerichtshof Beschluss24.01.2006

BGH erklärt Erhöhung der Pfändungs­grenzen für Arbeits­ein­kommen für rechtswirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass sich die Pfändungs­grenzen für Arbeits­ein­kommen zum 1. Juli 2005, wie vom Bundes­mi­nis­terium der Justiz bekannt gemacht, erhöht haben. Damit wurde eine für viele Gläubiger und Schuldner in der täglichen Praxis der Zwangs­voll­streckung bestehende erhebliche Rechts­un­si­cherheit beseitigt.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangs­voll­streckung wegen einer Geldforderung. Sie hat einen Pfändungs- und Überwei­sungs­be­schluss erwirkt, mit dem das Arbeits­ein­kommen des Schuldners gepfändet wurde; hinsichtlich des pfändbaren Betrags nimmt der Beschluss Bezug auf die Tabelle zu § 850 c Abs.3 ZPO i. d. F. des 7. Gesetzes zur Änderung der Pfändungs­frei­grenzen. Diese Gesetzesreform hatte zum Ziel, eine Dynamisierung der Pfändungs­grenzen entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grund­frei­betrags zu erreichen. Daher wurde in § 850 c Abs. 2a ZPO bestimmt, dass sich die unpfändbaren Beträge jeweils zum 1. Juli eines jeden zweiten Jahres, erstmalig zum 1. Juli 2003, entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjah­res­zeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des steuerlichen Grund­frei­betrags nach § 32 a Abs.1 Nr.1 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes (EStG) ändern.

Dieser Grundfreibetrag war mit Wirkung vom 1. Januar 2004 erhöht worden; eine weitere Erhöhung zum 1. Januar 2005 ist hingegen nicht erfolgt. Das Bundes­mi­nis­terium der Justiz hat im Hinblick auf die Entwicklung des Grund­frei­be­trages im Gesamtzeitraum vom 1. Januar 2003 bis 1. Januar 2005 die entsprechende Erhöhung der Pfändungs­frei­beträge zum 1. Juli 2005 bekannt gemacht.

Die Gläubigerin hat - ebenso wie Gläubiger in weiteren Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fahren - die Auffassung vertreten, eine Erhöhung der Pfändungs­grenzen zum 1. Juli 2005 sei nicht wirksam eingetreten. Sie hat sich darauf berufen, dass sich der Grundfreibetrag nach § 32 a Abs.1 Nr.1 EStG im Vorjah­res­zeitraum, auf den der Wortlaut des Gesetzes abstelle, nämlich vom 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2005, nicht erhöht habe. Mit dieser Auffassung hatte die Gläubigerin weder in den Vorinstanzen noch vor dem Bundes­ge­richtshof Erfolg. Der VII. Zivilsenat hat zur Begründung der Zurückweisung der Rechts­be­schwerde folgendes ausgeführt:

Die Erhöhung der Pfändungs­grenzen zum 1. Juli 2005 ist rechtswirksam. Der in § 850 c Abs. 2a ZPO so bezeichnete „Vorjah­res­zeitraum“ umfasst die Zeitspanne, die seit der letzten Feststellung der Pfändungs­frei­grenzen verstrichen ist, somit nach der gesetzlichen Anpas­sungs­re­gelung einen Zweijah­res­zeitraum. Zwar liegt es bei einer lediglich am Wortlaut orientierten Auslegung nahe, den Begriff „Vorjah­res­zeitraum“ nur auf zurückliegende zwölf Monate zu beziehen. Ein derartiges reines Wortverständnis verbietet sich aber unter Berück­sich­tigung des Sinnzu­sam­menhangs, in den die Vorschrift gestellt ist, und vor allem im Hinblick auf den Gesetzeszweck und die Entste­hungs­ge­schichte der Norm.

Mit der Vorschrift des § 850 c Abs. 2a ZPO soll eine Dynamisierung der unpfändbaren Beträge gewährleistet werden. Der Gesetzentwurf sah dabei zunächst vor, die Pfändungs­grenzen jeweils zum 1. Januar eines jeden Jahres entsprechend der im Verhältnis zum jeweiligen Vorjah­res­zeitpunkt erfolgten prozentualen Änderung des Grund­frei­betrags nach § 32 a Abs.1 Nr.1 EStG anzupassen. Jede Änderung dieses steuerlichen Grund­frei­betrags sollte zu einer entsprechenden Änderung der Pfändungs­grenzen führen. Im Laufe des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens wurde in Abänderung von diesem Entwurf eine Anpassung alle zwei Jahre jeweils zum 1. Juli bestimmt. Aus dieser lediglich der Vereinfachung des organi­sa­to­rischen Ablaufs dienenden Änderung des Anpas­sungs­zeit­punkts kann nicht gefolgert werden, dass der beab-sichtigte Gleichklang der Entwicklung von steuerlichem Grundfreibetrag und Pfändungs­grenzen in der Sache angetastet werden sollte. Es ist nicht davon auszugehen, dass der - ersichtlich nur versehentlich - vom Entwurf in die endgültige Gesetzesfassung übernommene Begriff „Vorjah­res­zeitraum“ mit der ursprünglichen Be-deutung aufrecht­er­halten werden sollte; vielmehr soll der Zeitraum erfasst werden, der seit dem letzten vorgesehenen Anpas­sungs­zeitpunkt verstrichen ist.

Erläuterungen
Vorinstanz:

LG Heilbronn - Beschluss vom 2. August 2005 - 1 T 306/05 Bm

Quelle: Pressemitteilung Nr. 21/06 des BGH vom 08.02.2006

der Leitsatz

ZPO § 850c

a) Der in § 850 c Abs. 2a Satz 1, 1. Halbsatz ZPO bezeichnete Vergleichs­zeitraum („Vorjah­res­zeitraum“) umfasst die zwei Jahre, die seit dem letzten Zeitpunkt der Anpassung der Pfändungs­frei­grenzen vergangen sind. Die vom Bundes­mi­nis­terium der Justiz am 25. Februar 2005 im Bundes­ge­setzblatt bekanntgemachte Erhöhung der Pfändungs­frei­grenzen für Arbeits­ein­kommen zum 1. Juli 2005 ist rechtswirksam.

b) Über den Antrag des Gläubigers auf Klarstellung eines in Form eines Blankett­be­schlusses ergangenen Pfändungs- und Überwei­sungs­be­schlusses entscheidet das Vollstre­ckungs­gericht durch den Rechtspfleger.

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