21.11.2024
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Dokument-Nr. 10586

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Urteil26.10.2010BundesgerichtshofVI ZR 190/08/ VI ZR 230/08
Vorinstanzen zu VI ZR 190/08:
  • Landgericht Berlin, Urteil06.12.2007, 27 O 879/07
  • Kammergericht Berlin, Urteil19.06.2008, 10 U 273/07
Vorinstanzen zu VI ZR 230/08:
  • Landgericht Berlin, Urteil06.12.2007, 27 O 813/07
  • Kammergericht Berlin, Urteil19.06.2008, 27 O 813/07
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.10.2010

BGH: Wort- und Bildbe­rich­t­er­stattung über Rosenball-Berich­t­er­stattung und über Charlotte Casiraghi rechtmäßigWer an öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt, muss auch damit rechnen, dass über ihn berichtet wird

Wer an Veranstaltungen teilnimmt, die ersichtlich wegen ihres Teilneh­mer­kreises auf großes Interesse jedenfalls eines Teils des Publikums stoßen und auch auf Außenwirkung angelegt sind, muss die öffentliche Erörterung seiner Teilnahme an der Veranstaltung ebenso dulden wie kommentierende und wertende Bemerkungen zu seiner Person, soweit sie an die Teilnahme an der Veranstaltung und an bereits bekannte Tatsachen aus der Sozialsphäre anknüpfen. Dies hat der Bundes­ge­richts­ge­richtshof entschieden. Er hob das Verbot der Berich­t­er­stattung über Charlotte Casirraghi anlässlich des "Rosenballs" in Monaco auf. Die Zeitschrift "Bunte" hatte darüber geschrieben.

Die Klägerin ist die Tochter der Prinzessin Caroline von Hannover. Im März 2007 veröffentlichte die von der Beklagten, einem Verlag, herausgegebene Zeitschrift "Bunte" einen Artikel mit dem Titel: "Charlotte, die Party-Prinzessin" und dem Untertitel "Rosenball in Monaco - und der Star war Prinzessin Carolines Tochter: eine feurige Schönheit".

Zwei Verfahren: Bildbe­rich­t­er­stattung und Wortbe­rich­t­er­stattung

Die Klägerin hat in zwei getrennten Rechtss­trei­tig­keiten die Wortberichterstattung (VI ZR 230/08) und die Bildbe­rich­t­er­stattung (VI ZR 190/08) angegriffen. Das Landgericht Berlin hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, Teile der Wortbe­rich­t­er­stattung sowie die abgedruckten Fotos erneut zu veröffentlichen. Die Berufungen der Beklagten zum Kammergericht Berlin hatten keinen Erfolg.

BGH weist Klage von Charlotte Casirraghi ab

Der u. a. für das Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Berufungs­urteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen.

Schutz des allgemeinen Persön­lich­keitsrecht in Bezug auf Bilder- und Wortbe­rich­t­er­stattung verschieden weit

Der Schutz des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts reicht hinsichtlich der Veröf­fent­lichung von Bildern einerseits und der Wortbe­rich­t­er­stattung andererseits verschieden weit. Die Veröf­fent­lichung des Bildes einer Person muss nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23* Kunst­ur­he­ber­gesetz gerechtfertigt sein. Für einen perso­nen­be­zogenen Wortbericht gilt dieses Schutzkonzept nicht.

Schutz nur gegen spezifische Verlet­zungs­formen

Das Allgemeine Persön­lich­keitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht indivi­du­a­li­sierend benannt zu werden. Vielmehr bietet es Schutz nur gegen spezifische Verlet­zungs­formen, insbesondere gegen eine Beein­träch­tigung der Privat- oder Intimsphäre sowie gegen herabsetzende bzw. ehrverletzende Äußerungen. Ein vom Kommu­ni­ka­ti­o­ns­inhalt unabhängiger Schutz besteht im Bereich der Textbe­rich­t­er­stattung auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort. Im Übrigen bietet das allgemeine Persön­lich­keitsrecht aber keinen Schutz vor perso­nen­be­zogenen Äußerungen unabhängig von ihrem Inhalt. Danach durfte die Berichterstattung der Beklagten über den Rosenball nicht mit der Erwägung verboten werden, in dem Bericht werde die Klägerin in den Mittelpunkt gestellt.

Berich­t­er­stattung musste hier geduldet werden

Wer an Veranstaltungen teilnimmt, die ersichtlich wegen ihres Teilneh­mer­kreises auf großes Interesse jedenfalls eines Teils des Publikums stoßen und auch auf Außenwirkung angelegt sind, muss die öffentliche Erörterung seiner Teilnahme an der Veranstaltung ebenso dulden wie kommentierende und wertende Bemerkungen zu seiner Person, soweit sie an die Teilnahme an der Veranstaltung und an bereits bekannte Tatsachen aus der Sozialsphäre anknüpfen. So liegt der Fall hier. Hinzu kommt, dass das Persön­lich­keitsrecht der Klägerin durch die Berich­t­er­stattung allenfalls geringfügig beeinträchtigt wurde. Ihre Person wird mit durchweg offenbar positiv gemeinten Formulierungen dargestellt. Dabei wird sie als Mittelpunkt einer "jungen Monaco-Society" beschrieben, die mit teuren Kleidern bei öffentlichen Veranstaltungen auftritt, bei Modeschauen von vornherein in der ersten Reihe sitzt und die "Leichtigkeit des Seins" genießt.

Auch Veröf­fent­lichung von Fotos war gerechtfertigt

Auch die Veröf­fent­lichung der Fotos war gerechtfertigt. Der Rosenball ist ein zeitge­schicht­liches Ereignis im Sinne der §§ 22, 23 Kunst­ur­he­ber­gesetz. Sämtliche Fotos wurden dort gefertigt und zeigen - bis auf ein Porträtfoto - außer der Klägerin mehrere der anwesenden Personen, die in dem begleitenden Text auch zum Teil benannt werden. Ein Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse ist zu bejahen. Angesichts des beschriebenen Inhalts des Artikels geht es, auch wenn die Klägerin im Mittelpunkt steht, um eine Darstellung der Lebensweise und des Verhaltens in ihren Gesell­schafts­kreisen, die eine Leitbild- oder Kontrast­funktion für große Teile der Bevölkerung im Blick hat und auch Anlass zu sozia­l­kri­tischen Überlegungen geben kann. Dem gegenüber ist das Persön­lich­keitsrecht der Klägerin durch die Veröf­fent­lichung der sie in keiner Weise negativ darstellenden Fotos allenfalls geringfügig tangiert.

Auszug aus dem Gesetz:

* § 22 Kunst­ur­he­ber­gesetz

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.

§ 23 Kunst­ur­he­ber­gesetz

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;

3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;

4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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