21.11.2024
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Dokument-Nr. 25652

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Urteil13.03.2018BundesgerichtshofVI ZR 143/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 1671Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 1671
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Saarbrücken, Urteil12.02.2016, 36 C 300/15
  • Landgericht Saarbrücken, Urteil10.03.2017, 1 S 4/16
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil13.03.2018

Sparkassen-Kundin hat keinen Anspruch auf weibliche Personen­bezeichnungen in Vordrucken und FormularenVerwendung generisch maskuliner Personen­bezeichnungen stellt keine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetzes dar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine Kundin der Sparkasse keinen Anspruch auf eine weibliche Perso­nen­be­zeichnung in Vordrucken und Formularen hat.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist Kundin der beklagten Sparkasse. Diese verwendet im Geschäfts­verkehr Formulare und Vordrucke, die neben grammatisch männlichen Perso­nen­be­zeich­nungen wie etwa "Kontoinhaber" keine ausdrücklich grammatisch weibliche Form enthalten. In persönlichen Gesprächen und in individuellen Schreiben wendet sich die Beklagte an die Klägerin mit der Anrede "Frau [...]". Durch Schreiben ihrer Rechtsanwältin forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Formulare dahingehend abzuändern, dass diese auch die weibliche Form ("Kontoinhaberin") vorsehen.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auch die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landgericht erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

BGH verneint Anspruch auf grammatisch weibliche Perso­nen­be­zeich­nungen

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision ebenfalls zurückgewiesen. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten, allgemein in Formularen und Vordrucken nicht unter grammatisch männlichen, sondern ausschließlich oder zusätzlich mit grammatisch weiblichen Perso­nen­be­zeich­nungen erfasst zu werden. Einen derartigen allgemeinen Anspruch hat sie nicht. § 28 Satz 1 des Saarländischen Landes­gleich­stel­lungs­ge­setzes begründet keinen individuellen Anspruch und ist kein Schutzgesetz. Daher konnte der Senat offen lassen, ob die Vorschrift verfas­sungsgemäß ist.

Sprachgebrauch bringt keine Geringschätzung gegenüber nicht-männlichen Personen zum Ausdruck

Die Klägerin erfährt allein durch die Verwendung generisch maskuliner Perso­nen­be­zeich­nungen keine Benachteiligung im Sinne von § 3 des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die betroffene Person eine weniger günstige Behandlung erfährt als die Vergleichs­person, ist die objektive Sicht eines verständigen Dritten, nicht die subjektive Sicht der betroffenen Person. Der Bedeu­tungs­gehalt grammatisch männlicher Perso­nen­be­zeich­nungen kann nach dem allgemein üblichen Sprachgebrauch und Sprach­ver­ständnis Personen umfassen, deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist ("generisches Maskulinum"). Ein solcher Sprachgebrauch bringt keine Geringschätzung gegenüber Personen zum Ausdruck, deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist.

Sprachgebrauch des Gesetzgebers ist prägend und kennzeichnend für allgemeinen Sprachgebrauch

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass grammatisch maskuline Perso­nen­be­zeich­nungen, die sich auf jedes natürliche Geschlecht beziehen, vor dem Hintergrund der seit den 1970er-Jahren diskutierten Frage der Benachteiligung von Frauen durch Sprachsystem sowie Sprachgebrauch als benachteiligend kritisiert und teilweise nicht mehr so selbst­ver­ständlich als verall­ge­meinernd empfunden werden, wie dies noch in der Vergangenheit der Fall gewesen sein mag. Zwar wird im Bereich der Gesetzgebung und Verwaltung das Ziel verfolgt, die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Gleichwohl werden weiterhin in zahlreichen Gesetzen Perso­nen­be­zeich­nungen im Sinne des generischen Maskulinums verwendet (siehe etwa §§ 21, 30, 38 f., 40 ff. Zahlungs­kon­ten­gesetz: "Kontoinhaber"; §§ 488 ff. BGB "Darlehensnehmer"). Dieser Sprachgebrauch des Gesetzgebers ist zugleich prägend wie kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und das sich daraus ergebende Sprach­ver­ständnis.

Kein Eingriff in Schutzbereich des Grundrechts

Es liegt auch keine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts in seiner Ausprägung als Schutz der geschlecht­lichen Identität vor, da sich die Beklagte an die Klägerin in persönlichen Gesprächen und in individuellen Schreiben mit der Anrede "Frau [...]" wendet und durch die Verwendung generisch maskuliner Perso­nen­be­zeich­nungen in Vordrucken und Formularen kein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts erfolgt. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich angesichts des allgemein üblichen Sprachgebrauchs und Sprach­ver­ständ­nisses auch nicht aus Art. 3 GG.

Maßgebliche Vorschriften lauten:

§ 28 Satz 1 Saarländisches Landes­gleich­stel­lungs­gesetz

Die Dienststellen haben beim Erlass von Rechts­vor­schriften, bei der Gestaltung von Vordrucken, in amtlichen Schreiben, in der Öffent­lich­keits­arbeit, im Marketing und bei der Stelle­n­aus­schreibung dem Grundsatz der Gleich­be­rech­tigung von Frauen und Männern dadurch Rechnung zu tragen, dass geschlechts­neutrale Bezeichnungen gewählt werden, hilfsweise die weibliche und die männliche Form verwendet wird.

§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 Allgemeines Gleich­be­hand­lungs­gesetz

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 [AGG] genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 [AGG] genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhal­tens­weisen, die mit einem in § 1 [AGG] genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüch­te­rungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekenn­zeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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