21.11.2024
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Dokument-Nr. 9953

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Urteil20.11.1992BundesgerichtshofV ZR 82/91
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 120, 239Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 120, Seite: 239
  • DWW 1993, 70Zeitschrift: Deutsche Wohnungswirtschaft (DWW), Jahrgang: 1993, Seite: 70
  • JR 1993, 237Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR), Jahrgang: 1993, Seite: 237
  • MDR 1993, 868Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1993, Seite: 868
  • NJW 1993, 925Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1993, Seite: 925
  • NVwZ 1993, 505Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 1993, Seite: 505
  • VersR 1993, 609Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 1993, Seite: 609
  • WuM 1993, 127Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 1993, Seite: 127
  • ZIP 1993, 200Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 1993, Seite: 200
  • ZMR 1993, 152Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR), Jahrgang: 1993, Seite: 152
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil20.11.1992

Nachbar muss Froschgequake aus Gartenteich erduldenLaubfrösche, Grünfrösche, Grasfrösche und Erdkröten im Nachbarteich

Nachbarn müssen Froschgequake erdulden und können grundsätzlich nicht verlangen, dass die Frösche entfernt werden, weil Frösche nach dem Natur­schutzrecht besonders geschützt werden. Dies geht aus einem Urteil des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Hausbesitzer (Beklagter) auf seinem Grundstück mit behördlicher Genehmigung einen Teich mit einer Fläche von ca. 144 qm angelegt. Die Entfernung von der Teichmitte bis zum Schlafzimmer im Wohnhaus des Nachbarn (Kläger) betrug etwa 35 m. Nach dem Auffüllen des Teiches solle der Beklagte sofort dort Frösche ausgesetzt haben, durch deren sehr lautes und unangenehmes Quaken er und seine Ehefrau mehrere Monate im Jahr vor allem in der Nachtruhe erheblich gestört würden.

Nachbar verlangt Beseitigung des Teiches

Der bequakte Nachbar verlangte gerichtlich, dass der Teichbesitzer den Teich trocken lege. Außerdem sollte er den Schaden ersetzen, den er dadurch erlitten habe, dass er und seine Ehefrau ein Appartement in der Stadt beziehen mussten.

Frösche geschützt

Der Bundes­ge­richtshof führte in seinem Urteil aus, dass der Nachbar grundsätzlich einen Unterlassungs- und Besei­ti­gungs­an­spruch habe (§ 1004 I 2 i. V. mit § 906 BGB). Allerdings dürfe der beklagte Teicheigentümer derzeit keine Maßnahmen ergreifen, um die Einwirkung von Froschlärm auf das Grundstück des Nachbarn zu verhindern. Nach § 20 f I Nr. 1 BNatSchG sei es verboten, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwick­lungs­formen, Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchts­s­tätten der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (vgl. auch Art. 17a I Nr. 2 BayNatSchG).

Laubfrosch vom Aussterben bedroht

Im und am Gartenteich des Beklagten, der in die Biotopk­ar­tierung aufgenommen sei, hätten sich Frösche (Laubfrosch, Grünfrösche, Grasfrösche, Erdkröten) angesiedelt, die wie alle in Bayern vorkommenden Froscharten besonders geschützt seien. Der Laubfrosch sei sogar als vom Aussterben bedroht gekennzeichnet (§ 20 e I BNatSchG; § 1 i. V. mit Anl. 1 Sp. 1 BArtSchVO).

Natur­schutzrecht gilt auch für künstlich angelegte Teiche

Für das Verbot des § 20 f I Nr. 1 BNatSchG spiele es keine Rolle, dass der Gartenteich künstlich angelegt worden sei und kein natürlich entstandenes Gewässer sei. Für die in § 1 BNatSchG genannten Ziele gehe es nicht nur darum, die "freie Natur" oder einen von Menschenhand unbeeinflußten Bereich (der ohnehin kaum noch anzutreffen ist) zu schützen, vielmehr lägen die Schwerpunkte des Naturschutzes heute im besiedelten und in dem durch menschlichen Einfluss veränderten Bereich von Natur und Landschaft. Dabei ziele das Entwick­lungsgebot auch auf eine Bestand­s­er­wei­terung. Das Natur­schutzrecht schütze auch künstlich geschaffene Biotope, und zwar im gleichen Umfang wie die ohne menschliches Zutun entstandene Natur. Daher sei insoweit auch die Behauptung des Klägers ohne Bedeutung, die Teichbesitzer habe nach Anlage des Teiches dort Frösche "eingesetzt", führte der Bundes­ge­richtshof aus.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

der Leitsatz

a) Wer einen Gartenteich anlegt und unterhält, an dem sich Frösche ansiedeln, ist Störer hinsichtlich der durch sie verursachten Lärmeinwirkung.

b) Bei der Beurteilung von Lärmimmissionen ist auf das Empfinden eines verständigen Durch­schnitts­menschen abzustellen. Für Lärm durch Froschquaken kann die erforderliche wertende Abgrenzung das geänderte Umwelt­be­wußtsein und den auf Frösche bezogenen Artenschutz im Natur­schutzrecht nicht unberück­sichtigt lassen.

Auch einem verständigen Durch­schnitts­menschen sind aber massive Störungen seiner Nachtruhe (hier 64 dB(A) gegenüber einem Richtwert von 35 dB(A)) durch Froschlärm nicht zumutbar.

c) Auch Froschlärm kann über eine Lärmpe­gel­messung nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 Blatt 1 (oder ähnlichen Richtlinien wie TA Lärm, LAI-Hinweise) beurteilt werden.

Berücksichtigt der Tatrichter sowohl den Richt­li­ni­en­cha­rakter als auch die Besonderheiten des zu beurteilenden Lärms, ist nicht zu beanstanden, daß er bei deutlicher Überschreitung der Richt­li­ni­enwerte eine wesentliche Lärmbe­ein­träch­tigung annimmt.

d) Zur Ortsüblichkeit von Froschlärm.

e) Auch Frösche in einem künstlich angelegten Gartenteich sind nach § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG i.V. mit § 1 Anlage 1 BArtSchVO geschützt. Dies gilt auch für Frösche, die dort ausgesetzt worden sind. Das Nachstellen und das Fangen der Frösche ist ohne Rücksicht auf den damit verfolgten Zweck grundsätzlich verboten.

f) Auch wenn alle erfolg­ver­spre­chenden Maßnahmen zur Lärmver­hin­derung durch quakende Frösche grundsätzlich nach dem Natur­schutzrecht verboten sind, müssen die Zivilgerichte prüfen, ob eine Ausnah­me­ge­neh­migung nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 a BNatSchG in Betracht kommt. Nur wenn sie erteilt werden kann, ist eine Verurteilung des Nachbarn zur Lärmabwehr unter dem Vorbehalt einer behördlichen Ausnah­me­ge­neh­migung möglich. Daneben kommt eine Verurteilung des Nachbarn zur Stellung eines Befrei­ungs­antrags in Betracht.

g) Ist dagegen eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 a BNatSchG nicht möglich, hat der Abwehranspruch keinen Erfolg. Der Nachbar hat dann wegen des Froschlärms auch keinen nachbar­recht­lichen Ausgleichs­an­spruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.

h) Ähnlich wie die nachbar­recht­lichen Sonder­vor­schriften grenzen die natur­schutz­recht­lichen Bestimmungen den rechtmäßigen vom rechtswidrigen Gebrauch eines Grundstücks ab. Solange erfolg­ver­spre­chende Maßnahmen zur Verhinderung von Einwirkungen natur­schutz­rechtlich verboten sind, ist die Einwirkung auch nicht rechtswidrig

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