21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Häuserfassade mit einem Balkonkasten.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil19.01.2007

Zahlungs­rück­stände - BGH zu den Voraussetzungen des Wohnungs­ei­gen­tums­entzugs von säumigen Wohnungs­ei­gen­tümernEntziehung des Wohnungs­ei­gentums nach § 18 WEG setzt Abmahnung voraus

Wenn ein Wohnungs­ei­gentümer sein Wohngeld laufend unpünktlich an die Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft zahlt, kann ihm das Wohnungs­ei­gentum entzogen und er zum Verkauf seiner Wohnung gezwungen werden. Allerdings müsse er zuvor abgemahnt werden. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im Fall zahlte ein Wohnungs­ei­gentümer (Beklagter) das Wohngeld seit 1997 regelmäßig erst nach gerichtlicher Geltendmachung. Seine Rückstände beliefen sich im Wirtschaftsjahr 2003/2004 auf 4.036,99 € und im Wirtschaftsjahr 2004/2005 auf 3.240,00 €, die er im Verlaufe des Rechtsstreits bezahlte. Auf einer Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ver­sammlung beschloss die Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer mit Ausnahme des Beklagten, diesem das Wohnungs­ei­gentum zu entziehen, "da er fortlaufend seine Zahlungs­ver­pflich­tungen gegenüber der WEG verweigert oder diese erst durch aufwendige und langwierige Mahnverfahren erzwungen werden müssen". Dieser Beschluss wurde nicht angefochten. Der Aufforderung der Kläger, ihnen freiwillig seine Wohnung zu verkaufen, kam der Beklagte nicht nach. Die Kläger möchten den Entzie­hungs­be­schluss mit der vorliegenden Klage durchsetzen. Dem tritt der Beklagte entgegen.

Der Bundes­ge­richtshof gab den Wohnungs­ei­gen­tümern grundsätzlich recht, bemängelte aber eine fehlende Abmahnung.

Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar

Die Entziehung des Wohnungs­ei­gentums sei gemäß § 18 Abs. 1 WEG möglich. Dies setze voraus, dass sich der betroffene Wohnungs­ei­gentümer einer so schweren Verletzung seiner ihm gegenüber den anderen Wohnungs­ei­gen­tümern obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht habe, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden könne. Zu der Verletzung solcher gemein­schafts­be­zogenen Pflichten gehöre die Verletzung der Pflicht zur Lasten- und Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WEG. Das zeige schon das Gesetz selbst, wenn es Wohngel­drück­stände in § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG, allerdings unter besonderen Voraussetzungen, als Regelbeispiel für eine zur Entziehung des Wohnungs­ei­gentums führende Pflicht­ver­letzung benenne.

Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG sei eine Entziehung wegen Wohngel­drück­ständen allerdings nur möglich, wenn sich der Wohnungs­ei­gentümer in Höhe eines Betrags, der drei Prozent des Einheitswerts seines Wohnungs­ei­gentums übersteige, länger als drei Monate in Verzug befinde und nach § 19 Abs. 2 WEG, diesen Rückstand auch nicht bis zu Erteilung des Zuschlags nach § 57 WEG ausgleiche.

Diese Voraussetzungen würde hier aber vorliegen, weil der Beklagte seinen Rückstand nach seiner Verurteilung in erster Instanz ausgeglichen habe. Das versperre den Rückgriff auf die Generalklausel des § 18 Abs. 1 WEG aber nicht. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG hebe lediglich einen speziellen Anwendungsfall des § 18 Abs. 1 WEG beispielhaft hervor und stehe der Anwendung des § 18 Abs. 1 WEG auf andere Fälle der Verletzung der Pflicht zur Lasten- und Kostentragung nicht von vornherein entgegen. Die unpünktliche Erfüllung dieser Pflicht könne ein Gewicht erlangen, das den anderen Wohnungs­ei­gen­tümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem säumigen Wohnungs­ei­gentümer unzumutbar mache. Das sei für die nach § 543 Abs. 1 und 2 BGB von ähnlichen Voraussetzungen abhängige und auch inhaltlich vergleichbare Kündigung eines Wohnraum­miet­ver­hält­nisses aus wichtigem Grund wegen Mietrückständen anerkannt. Für den Entzie­hungs­an­spruch nach § 18 Abs. 1 WEG gelte nichts anderes.

Abmahnung erforderlich

Zwar setze § 18 Abs. 1 WEG, anders als in dem erwähnten Vergleichsfall der Kündigung eines Wohnraum­miet­ver­hält­nisses aus wichtigem Grund (vgl. § 543 Abs. 3 BGB), nicht ausdrücklich eine Abmahnung voraus. Es sei aber anzunehmen, dass "Unzumutbarkeit" im Sinne von § 18 Abs. 1 WEG erst angenommen werden könne, wenn weniger einschneidende Maßnahmen, insbesondere eine Abmahnung, erfolglos geblieben seien.

Wegen der fehlenden Abmahnung war der Entzie­hungs­be­schluss also nicht wirksam. Allerdings, so führt der Bundes­ge­richtshof aus, sei ein wegen fehlender Abmahnung nicht ausreichender Entzie­hungs­be­schluss rechtlich als Abmahnung zu werten.

Vorinstanzen:

AG Darmstadt, Entscheidung vom 24.06.2005 - 311 C 58/05 -

LG Darmstadt, Entscheidung vom 07.12.2005 - 25 S 121/05 -

Quelle: ra-online

der Leitsatz

WEG § 18 Abs. 1

a) Die fortlaufend unpünktliche Erfüllung von Wohngeld- und anderen Zahlungs­ansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer kann den anderen Wohnungs­ei­gen­tümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem säumigen Wohnungs­ei­gentümer unzumutbar machen und die Entziehung des Wohnungs­ei­gentums nach § 18 Abs. 1 WEG rechtfertigen, wenn sie die ordnungsgemäße Verwaltung nachhaltig beeinträchtigt.

b) Bei einer Entziehung aus diesem Grund muss der säumige Wohnungs­ei­gentümer vor Beschluss­fassung abgemahnt werden. Von einer Abmahnung kann nur abgesehen werden, wenn sie den anderen Wohnungs­ei­gen­tümern unzumutbar ist oder keinen Erfolg verspricht.

c) Ein wegen fehlender Abmahnung nicht ausreichender Entzie­hungs­be­schluss stellt sich rechtlich als Abmahnung dar. Er erlaubt nach entsprechender Beschluss­fassung eine Entzie­hungsklage, wenn der betroffene Wohnungs­ei­gentümer, und sei es auch nur einmal, die abgemahnten Pflichten versäumt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Beklagte unter Berück­sich­tigung aller Umstände, insbesondere der Dauer seines Wohlverhaltens, annehmen darf, die zur Abmahnung führenden Vorgänge hätten sich für die Gemeinschaft erledigt.

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil3973

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI