Im Fall zahlte ein Wohnungseigentümer (Beklagter) das Wohngeld seit 1997 regelmäßig erst nach gerichtlicher Geltendmachung. Seine Rückstände beliefen sich im Wirtschaftsjahr 2003/2004 auf 4.036,99 € und im Wirtschaftsjahr 2004/2005 auf 3.240,00 €, die er im Verlaufe des Rechtsstreits bezahlte. Auf einer Wohnungseigentümerversammlung beschloss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Beklagten, diesem das Wohnungseigentum zu entziehen, "da er fortlaufend seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der WEG verweigert oder diese erst durch aufwendige und langwierige Mahnverfahren erzwungen werden müssen". Dieser Beschluss wurde nicht angefochten. Der Aufforderung der Kläger, ihnen freiwillig seine Wohnung zu verkaufen, kam der Beklagte nicht nach. Die Kläger möchten den Entziehungsbeschluss mit der vorliegenden Klage durchsetzen. Dem tritt der Beklagte entgegen.
Der Bundesgerichtshof gab den Wohnungseigentümern grundsätzlich recht, bemängelte aber eine fehlende Abmahnung.
Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar
Die Entziehung des Wohnungseigentums sei gemäß § 18 Abs. 1 WEG möglich. Dies setze voraus, dass sich der betroffene Wohnungseigentümer einer so schweren Verletzung seiner ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht habe, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden könne. Zu der Verletzung solcher gemeinschaftsbezogenen Pflichten gehöre die Verletzung der Pflicht zur Lasten- und Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WEG. Das zeige schon das Gesetz selbst, wenn es Wohngeldrückstände in § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG, allerdings unter besonderen Voraussetzungen, als Regelbeispiel für eine zur Entziehung des Wohnungseigentums führende Pflichtverletzung benenne.
Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG sei eine Entziehung wegen Wohngeldrückständen allerdings nur möglich, wenn sich der Wohnungseigentümer in Höhe eines Betrags, der drei Prozent des Einheitswerts seines Wohnungseigentums übersteige, länger als drei Monate in Verzug befinde und nach § 19 Abs. 2 WEG, diesen Rückstand auch nicht bis zu Erteilung des Zuschlags nach § 57 WEG ausgleiche.
Diese Voraussetzungen würde hier aber vorliegen, weil der Beklagte seinen Rückstand nach seiner Verurteilung in erster Instanz ausgeglichen habe. Das versperre den Rückgriff auf die Generalklausel des § 18 Abs. 1 WEG aber nicht. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG hebe lediglich einen speziellen Anwendungsfall des § 18 Abs. 1 WEG beispielhaft hervor und stehe der Anwendung des § 18 Abs. 1 WEG auf andere Fälle der Verletzung der Pflicht zur Lasten- und Kostentragung nicht von vornherein entgegen. Die unpünktliche Erfüllung dieser Pflicht könne ein Gewicht erlangen, das den anderen Wohnungseigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem säumigen Wohnungseigentümer unzumutbar mache. Das sei für die nach § 543 Abs. 1 und 2 BGB von ähnlichen Voraussetzungen abhängige und auch inhaltlich vergleichbare Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses aus wichtigem Grund wegen Mietrückständen anerkannt. Für den Entziehungsanspruch nach § 18 Abs. 1 WEG gelte nichts anderes.
Abmahnung erforderlich
Zwar setze § 18 Abs. 1 WEG, anders als in dem erwähnten Vergleichsfall der Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses aus wichtigem Grund (vgl. § 543 Abs. 3 BGB), nicht ausdrücklich eine Abmahnung voraus. Es sei aber anzunehmen, dass "Unzumutbarkeit" im Sinne von § 18 Abs. 1 WEG erst angenommen werden könne, wenn weniger einschneidende Maßnahmen, insbesondere eine Abmahnung, erfolglos geblieben seien.
Wegen der fehlenden Abmahnung war der Entziehungsbeschluss also nicht wirksam. Allerdings, so führt der Bundesgerichtshof aus, sei ein wegen fehlender Abmahnung nicht ausreichender Entziehungsbeschluss rechtlich als Abmahnung zu werten.
Vorinstanzen:
AG Darmstadt, Entscheidung vom 24.06.2005 - 311 C 58/05 -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 07.12.2005 - 25 S 121/05 -