18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 22622

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Urteil18.12.2015BundesgerichtshofV ZR 191/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2016, 519Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2016, Seite: 519
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Ahrensburg, Urteil23.11.2012, 43 C 149/12
  • Landgericht Lübeck, Urteil03.07.2014, 14 S 219/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.12.2015

BGH: Zwangsverwalter steht gegenüber Inhaber eines Wohnungsrechts kein Heraus­ga­be­an­spruch zuUnbeschränkte Anordnung der Zwangs­ver­waltung begründet kein Heraus­ga­be­an­spruch

Die unbeschränkte Anordnung der Zwangs­ver­waltung über ein Grundstück begründet kein Heraus­ga­be­an­spruch des Zwangs­ver­walters gegen einen Wohnungs­rechts­inhaber. Ein Zwangsverwalter kann daher vom Inhaber des Wohnungsrechts nicht die Herausgabe der in seinem Besitz befindlichen Räume verlangen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall wurde einer Frau im Oktober 1999 ein lebenslanges Wohnrecht an den Erdge­schoss­räumen eines Hauses eingeräumt. Zusätzlich wurde im November 1999 ein Mietvertrag abgeschlossen. Danach schuldete die Mieterin zwar keinen monatlichen Mietzins, jedoch musste sie sich pauschalisiert monatlich an der Hälfte der Nebenkosten beteiligen. Im Juli 2011 wurde das Grundstück unter Zwangsverwaltung gestellt. Hintergrund war eine dem Wohnungsrecht im Rang vorgehende Grundschuld einer Sparkasse. Der bestellte Zwangsverwalter verlangt zunächst von der Mieterin eine monatliche Nutzungs­ent­schä­digung. Da sie sich weigerte eine solche zu zahlen, kündigte der Zwangsverwalter das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs und klagte auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Amtsgericht und Landgericht gaben Räumungsklage statt

Sowohl das Amtsgericht Ahrensburg als auch das Landgericht Lübeck gaben der Räumungsklage statt. Dem Zwangsverwalter habe gegenüber der Mieterin ein Heraus­ga­be­an­spruch zugestanden. Weder das Wohnungsrecht noch der Mietvertrag haben dies ändern können. Gegen diese Entscheidung legte die beklagte Mieterin Revision ein.

Bundes­ge­richtshof verneint Heraus­ga­be­an­spruch des Zwangs­ver­walters

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten der Beklagten und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Der Zwangsverwalter habe nicht gemäß § 985 BGB die Herausgabe der Wohnung verlangen können, da der Beklagten ein Recht zum Besitz zugestanden habe.

Recht zum Besitz aufgrund Wohnungsrechts

Der Inhaber eines im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts sei dem Grund­s­tücks­ei­gentümer gegenüber gemäß § 986 Abs. 1 BGB zum Besitz berechtigt, so der Bundes­ge­richtshof. Daher stehe auch dem Zwangsverwalter kein Heraus­ga­be­an­spruch zu. Das Vorliegen eines dem Wohnungsrecht im Rang vorgehenden Rechts sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Vielmehr könne der Gläubiger in diesem Fall vom Inhaber des Wohnungsrechts verlangen, die Zwangs­voll­streckung in den Besitz zu dulden.

Kein Heraus­ga­be­an­spruch wegen Anordnung der unbeschränkten Zwangs­ver­waltung

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs habe sich nicht aus der Anordnung der unbeschränkten Zwangs­ver­waltung nach § 150 Abs. 2 des Zwangs­voll­stre­ckungs­ge­setzes ein Heraus­ga­be­an­spruch ergeben. Vielmehr sei dem nur eine rein verfah­rens­rechtliche Bedeutung zu gekommen. Dies zeige sich daran, dass das Vollstre­ckungs­gericht die Vollstreckung einstellen müsse, wenn ein in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenes Wohnungsrecht vorliege. In diesem Fall liege ein der Anordnung der unbeschränkten Zwangs­ver­waltung hinderndes Recht vor. Dies gelte jedenfalls solange, wie kein gegen den Wohnungs­rechts­inhaber gerichteter Duldungstitel des Gläubigers vorliege. Diese Voraussetzungen würden unterlaufen, wenn der Zwangsverwalter wegen des rangbesseren Rechts des Gläubigers die Herausgabe nach § 985 BGB verlangen dürfe.

Kein Heraus­ga­be­an­spruch aufgrund fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs

Ein Anspruch auf Herausgabe habe nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs zudem nicht nach § 546 Abs. 1 BGB wegen der fristlosen Kündigung zugestanden. Da sich die Beklagte nicht im Zahlungsverzug befunden habe, sei die Kündigung unwirksam gewesen. Eine Nutzungs­ent­schä­digung habe die Beklagte nicht geschuldet. Ebenso keine Mietzahlungen. Zwar könne dem Gläubiger ein Anfech­tungsrecht nach den § 3 und 4 des Anfech­tungs­ge­setzes zustehen, wenn ein Mietvertrag keine Mietzahlungen, sondern nur ein Beitrag zu den Nebenkosten beinhaltet. Dieses Anfech­tungsrecht stehe aber nicht dem Zwangsverwalter zu.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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