Bundesgerichtshof Urteil18.12.2015
BGH: Zwangsverwalter steht gegenüber Inhaber eines Wohnungsrechts kein Herausgabeanspruch zuUnbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung begründet kein Herausgabeanspruch
Die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung über ein Grundstück begründet kein Herausgabeanspruch des Zwangsverwalters gegen einen Wohnungsrechtsinhaber. Ein Zwangsverwalter kann daher vom Inhaber des Wohnungsrechts nicht die Herausgabe der in seinem Besitz befindlichen Räume verlangen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall wurde einer Frau im Oktober 1999 ein lebenslanges Wohnrecht an den Erdgeschossräumen eines Hauses eingeräumt. Zusätzlich wurde im November 1999 ein Mietvertrag abgeschlossen. Danach schuldete die Mieterin zwar keinen monatlichen Mietzins, jedoch musste sie sich pauschalisiert monatlich an der Hälfte der Nebenkosten beteiligen. Im Juli 2011 wurde das Grundstück unter Zwangsverwaltung gestellt. Hintergrund war eine dem Wohnungsrecht im Rang vorgehende Grundschuld einer Sparkasse. Der bestellte Zwangsverwalter verlangt zunächst von der Mieterin eine monatliche Nutzungsentschädigung. Da sie sich weigerte eine solche zu zahlen, kündigte der Zwangsverwalter das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs und klagte auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Amtsgericht und Landgericht gaben Räumungsklage statt
Sowohl das Amtsgericht Ahrensburg als auch das Landgericht Lübeck gaben der Räumungsklage statt. Dem Zwangsverwalter habe gegenüber der Mieterin ein Herausgabeanspruch zugestanden. Weder das Wohnungsrecht noch der Mietvertrag haben dies ändern können. Gegen diese Entscheidung legte die beklagte Mieterin Revision ein.
Bundesgerichtshof verneint Herausgabeanspruch des Zwangsverwalters
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Beklagten und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Der Zwangsverwalter habe nicht gemäß § 985 BGB die Herausgabe der Wohnung verlangen können, da der Beklagten ein Recht zum Besitz zugestanden habe.
Recht zum Besitz aufgrund Wohnungsrechts
Der Inhaber eines im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts sei dem Grundstückseigentümer gegenüber gemäß § 986 Abs. 1 BGB zum Besitz berechtigt, so der Bundesgerichtshof. Daher stehe auch dem Zwangsverwalter kein Herausgabeanspruch zu. Das Vorliegen eines dem Wohnungsrecht im Rang vorgehenden Rechts sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Vielmehr könne der Gläubiger in diesem Fall vom Inhaber des Wohnungsrechts verlangen, die Zwangsvollstreckung in den Besitz zu dulden.
Kein Herausgabeanspruch wegen Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs habe sich nicht aus der Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung nach § 150 Abs. 2 des Zwangsvollstreckungsgesetzes ein Herausgabeanspruch ergeben. Vielmehr sei dem nur eine rein verfahrensrechtliche Bedeutung zu gekommen. Dies zeige sich daran, dass das Vollstreckungsgericht die Vollstreckung einstellen müsse, wenn ein in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenes Wohnungsrecht vorliege. In diesem Fall liege ein der Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung hinderndes Recht vor. Dies gelte jedenfalls solange, wie kein gegen den Wohnungsrechtsinhaber gerichteter Duldungstitel des Gläubigers vorliege. Diese Voraussetzungen würden unterlaufen, wenn der Zwangsverwalter wegen des rangbesseren Rechts des Gläubigers die Herausgabe nach § 985 BGB verlangen dürfe.
Kein Herausgabeanspruch aufgrund fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs
Ein Anspruch auf Herausgabe habe nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zudem nicht nach § 546 Abs. 1 BGB wegen der fristlosen Kündigung zugestanden. Da sich die Beklagte nicht im Zahlungsverzug befunden habe, sei die Kündigung unwirksam gewesen. Eine Nutzungsentschädigung habe die Beklagte nicht geschuldet. Ebenso keine Mietzahlungen. Zwar könne dem Gläubiger ein Anfechtungsrecht nach den § 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes zustehen, wenn ein Mietvertrag keine Mietzahlungen, sondern nur ein Beitrag zu den Nebenkosten beinhaltet. Dieses Anfechtungsrecht stehe aber nicht dem Zwangsverwalter zu.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.05.2016
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)