21.11.2024
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Dokument-Nr. 29524

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Bundesgerichtshof Urteil27.11.2020

Kein Anspruch auf Nutzung eines baurechts­widrigen Offenstalls für PferdeOffenstall unmittelbar an der Grenze zum Nachba­r­grundstück verletzt Gebot der Rücksichtnahme

Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat heute entschieden, dass ein Grund­s­tücks­nachbar von dem anderen verlangen kann, die Pferdehaltung in einem Offenstall zu unterlassen, den dieser ohne Baugenehmigung und unter Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme errichtet hat.

Die Parteien sind Nachbarn. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin eines Pferdehofs. Sie errichtete ohne Baugenehmigung auf ihrem im Außenbereich gelegenen Grundstück in einer Entfernung von etwa 12 m vom Einfamilienhaus der Klägerin einen Offenstall für Pferde und stellte darin Pferde ein. Die Beklagte zu 2, deren Geschäfts­führerin die Beklagte zu 1 ist, betreibt auf dem Grundstück eine Reitschule. Die Bauauf­sichts­behörde lehnte im September 2013 die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Die von der Beklagten zu 1 erhobene Klage wies das Verwal­tungs­gericht 2016 mit der Begründung ab, der Offenstall lasse die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der - dort beigeladenen - hiesigen Klägerin vermissen. Hierbei falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Stall unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der hiesigen Klägerin in einer Entfernung von etwa 12,5 m zu deren Ruheräumen befinde und die Boxen mit dem Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet seien.

Uneinigkeit bei den Vorinstanzen

Das VG-Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, die Haltung von Pferden in dem Offenstall zu unterlassen. Auf deren Berufung hat das Oberlan­des­gericht die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richtet. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 hat es die Verurteilung darauf beschränkt, dass bei der Haltung von Pferden in dem Offenstall die Immis­si­ons­richtwerte nach der jeweils geltenden TA Lärm nicht überschritten werden dürften.

BGH untersagt die Haltung von Pferden in dem Offenstall

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des Landgerichts im Verhältnis zur Beklagten zu 1 in der Sache wieder­her­ge­stellt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat er die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Die Klägerin hat aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme einen Anspruch darauf, dass die Beklagte zu 1 die Haltung von Pferden in dem Offenstall auf ihrem Grundstück unterlässt. Die Verletzung nachbar­schüt­zender Vorschriften des öffentlichen Baurechts kann einen solchen verschul­den­su­n­ab­hängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn begründen. Zu solchen Normen zählt das Gebot der Rücksichtnahme.

Errichtung und die zweckgemäße Nutzung des Offenstalls stellt Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme

Dass die Errichtung und die zweckgemäße Nutzung des Offenstalls im Verhältnis zu der Klägerin gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwal­tungs­ge­richts mit Bindungswirkung für den Zivilprozess fest. Damit stellt die Pferdehaltung in dem Stall zivilrechtlich im Verhältnis zur Klägerin einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar, sodass diese einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf Unterlassung dieser Nutzung des Stalls hat. Für das Vorliegen der für den Unter­las­sungs­an­spruch erforderlichen Wieder­ho­lungs­gefahr spricht aufgrund der bereits erfolgten rechtswidrigen Nutzung des Stalls eine tatsächliche Vermutung, die nach rechts­feh­ler­freier Würdigung des Berufungs­ge­richts selbst dann nicht widerlegt wäre, wenn die Beklagte zu 1 seit 2016 keine Pferde mehr in den Stall eingestellt haben sollte.

Anspruch auf Unterlassung der Einstellung von Pferden gegen Reitschul­be­treiberin möglich

Hinsichtlich der Beklagten zu 2 konnte das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben, da die Klägerin gegen diese aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 906 BGB einen Anspruch darauf haben kann, keine Pferde in den Offenstall einzustellen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin weder anhand des Aussehens der Pferde noch - aufgrund der Perso­ne­n­i­dentität auf Beklagtenseite - anhand der äußeren Abläufe beurteilen und darlegen oder gar beweisen kann, welche Pferde jeweils im Eigentum der Beklagten zu 1 oder der Beklagten zu 2 stehen bzw. standen, trifft die Beklagte zu 2 eine sog. sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, sie (die Beklagte zu 2) habe Pferde in den Offenstall eingestellt. Dieser hat sie bislang nicht genügt. Sie wird in dem erneuten Verfahren vor dem Berufungs­gericht zunächst vorzutragen haben, welche Pferde in dem von der Klägerin behaupteten Zeitraum der Nutzung des Offenstalls in ihrem Eigentum standen und wo diese untergestellt waren.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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