15.11.2024
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Dokument-Nr. 6537

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Beschluss07.08.2008BundesgerichtshofStB 9/08, StB 10/08, StB 11/08
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Bundesgerichtshof Beschluss07.08.2008

BGH: Keine Erzwingungshaft gegen ehemalige RAF-Mitglieder

Der Bundes­ge­richtshof hat den Beschwerden der ehemaligen RAF-Mitglieder Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Knut Folkerts stattgegeben, mit denen sie sich gegen Erzwin­gungs­haft­a­n­ord­nungen des Ermitt­lungs­richters des Bundes­ge­richtshofs wenden.

Die Bundes­an­walt­schaft leitete im April 2007 Ermitt­lungs­ver­fahren gegen das ehemalige RAF-Mitglied Stefan Wisniewski wegen Verdachts des Mordes und des versuchten Mordes ein. Gegenstand dieser Verfahren sind der Anschlag auf General­bun­des­anwalt Buback und seine beiden Begleiter vom 7. April 1977 und der versuchte Granat­wer­fer­an­schlag auf die Bundes­an­walt­schaft vom 25. August 1977. Im Rahmen dieser Ermitt­lungs­ver­fahren vernahm die Bundes­an­walt­schaft im Juli/August 2007 die Beschwer­de­führer sowie das ehemalige RAF-Mitglied Günter Sonnenberg als Zeugen. Die Beantwortung der an sie gerichteten Fragen, u. a. zur Planung, Vorbereitung und Durchführung der beiden Anschläge, lehnten die Zeugen jedoch unter Berufung darauf ab, dass ihnen ein umfassendes Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht nach § 55 StPO zustehe. Daraufhin setzte der Ermitt­lungs­richter des Bundes­ge­richtshofs auf Antrag der Bundes­an­walt­schaft mit Beschlüssen vom 28. Dezember 2007 gegen die Beschwer­de­führer ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von fünf Tagen fest und ordnete Erzwingungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten an, während er entsprechende Anordnungen gegen Günter Sonnenberg ablehnte.

Auf die von den Zeugen Klar, Mohnhaupt und Folkerts erhobenen Beschwerden hat der 3. Strafsenat die Anordnungen des Ermitt­lungs­richters aufgehoben und die entsprechenden Anträge der Bundes­an­walt­schaft ebenfalls zurückgewiesen. Er hat entschieden, dass die Beschwer­de­führer mit Recht ein umfassendes Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht geltend machen. Zwar können sie sich durch die Beantwortung von Fragen zu den beiden Anschlägen, die Gegenstand der Ermitt­lungs­ver­fahren gegen Stefan Wisniewski sind, nicht mehr in die Gefahr bringen, wegen dieser Taten strafrechtlich verfolgt zu werden. Denn wegen dieser Anschläge sind sie entweder bereits rechtskräftig verurteilt oder können aus anderen rechtlichen Gründen nicht mehr belangt werden. Jedoch kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich die Beschwer­de­führer durch diesbezügliche Aussagen der Gefahr der Strafverfolgung hinsichtlich anderer Straftaten aussetzen, für die sie noch bestraft werden können. Denn nach den Gründen des gegen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt ergangenen Urteils des Oberlan­des­ge­richts Stuttgart vom 2. April 1985 bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Anschläge gegen General­bun­des­anwalt Buback und die Bundes­an­walt­schaft Teil einer eng zusam­men­hän­genden Anschlagsserie der RAF im Jahre 1977, der so genannten "Offensive 77", waren, in deren Planung, Vorbereitung und Ausführung sämtliche damaligen Mitglieder der RAF eingebunden waren, zu denen auch die Beschwer­de­führer zählten. Das Urteil des Oberlan­des­ge­richts enthält darüber hinaus Hinweise, dass die Beschwer­de­führer auch an Taten der "Offensive 77" beteiligt gewesen sein können, deretwegen gegen sie bislang noch nicht ermittelt wurde. So soll der Beschwer­de­führer Folkerts bei der Ausforschung der Lebensumstände des am 30. Juli 1977 ermordeten Bankiers Ponto mitgewirkt haben. Bezüglich der Beschwer­de­führer Klar und Mohnhaupt, die nach den Feststellungen des vorgenannten Urteils maßgeblich in Planung und Ausführung der "Offensive 77" verstrickt waren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch an dem Raubüberfall auf den Waffenhändler F. am 1. Juli 1977 beteiligt waren, bei dem Mitglieder der RAF den Inhaber des Geschäfts zu töten versuchten und Waffen erbeuteten; denn bislang konnten noch nicht alle unmittelbar an dieser Tat beteiligten RAF-Mitglieder ermittelt werden. Die Beschwer­de­führerin Mohnhaupt trug darüber hinaus bei ihrer Festnahme am 11. November 1982 eine Waffe bei sich, die dem Raubüberfall auf das Waffengeschäft F. entstammte.

Vor dem Hintergrund dieser vom Oberlan­des­gericht Stuttgart festgestellten engen Verknüpfung der Anschlagsserie der RAF im Jahr 1977 ist es denkbar, dass aus Angaben der Beschwer­de­führer zur Planung, Vorbereitung und Ausführung der Anschläge gegen General­bun­des­anwalt Buback und seine Begleiter sowie gegen die Bundes­an­walt­schaft Rückschlüsse auf eine Tatbeteiligung des Beschwer­de­führer Folkerts an der Ermordung des Bankiers Ponto sowie der Beschwer­de­führer Mohnhaupt und Klar am Raubüberfall auf das Waffengeschäft F. gezogen werden können und diese Erkenntnisse der Bundes­an­walt­schaft Veranlassung geben, entsprechende Ermitt­lungs­ver­fahren gegen die Beschwer­de­führer einzuleiten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 157/08 des BGH vom 15.08.2008

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