Dokument-Nr. 3481
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Bundesgerichtshof Beschluss15.11.2006
Anstaltsseelsorger hat nicht immer ZeugnisverweigerungsrechtBeugehaft gegen Anstaltsseelsorger rechtmäßig
Das Zeugnisverweigerungsrecht eines Anstaltsseelsorgers bezieht sich nur auf ihm in dieser Eigenschaft anvertraute Umstände. Das geht aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs hervor.
In einem vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf anhängigen Strafverfahren wird gegen mehrere Angeklagte wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in bzw. der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaeda und anderer Delikte verhandelt. Ihnen wird vorgeworfen, in großem Umfang Betrugstaten zum Nachteil deutscher Lebensversicherungsgesellschaften begangen zu haben, um hohe Versicherungssummen zu erhalten und diese - zumindest teilweise - der Al Qaeda zur Finanzierung des „Heiligen Krieges“ zufließen zu lassen.
In der Hauptverhandlung hat die Verteidigung des Angeklagten ihn (möglicherweise) entlastendes Beweismaterial (angeblich schon vor der Inhaftierung gefertigte, nicht abgesandte Schreiben an die Lebensversicherer mit einer Änderung der Bezugsberechtigung) vorgelegt. Die dazu angestellten Ermittlungen haben den Verdacht begründet, dass der Angeklagte die Schreiben erst in der Haft gefertigt hat und dass jemand für ihn im Internet die Adressen der Lebensversicherer recherchiert hatte, an die die Schreiben gerichtet waren. Daraufhin wurde ein Anstaltsseelsorger, der in dieser Funktion in der Justizvollzugsanstalt mehrfach Kontakt mit einem der Angeklagten hatte, als Zeuge vernommen. Bei seiner Vernehmung lehnte er es unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Seelsorger ab, die Frage zu beantworten, ob er für den Angeklagten im Internet Adressen von Versicherungen recherchiert habe. Daraufhin hat das Oberlandesgericht Haft von höchstens sechs Monaten zur Erzwingung des Zeugnisses angeordnet. Dagegen hat der Zeuge Beschwerde eingelegt.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt und im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sei der Zeuge, obwohl er keine kirchliche Weihe erhalten habe, als Geistlicher im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO anzusehen, weil er im Rahmen seiner hauptamtlichen Tätigkeit als Anstaltsseelsorger im Auftrag der katholischen Kirche selbständig seelsorgerische Aufgaben wahrnehme. Sein Zeugnisverweigerungsrecht erstrecke sich jedoch nur auf Umstände, die ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden seien. Dazu gehörten nicht Gespräche, Erkenntnisse oder Tätigkeiten auf den Gebieten des täglichen Lebens bei Gelegenheit der Ausübung von Seelsorge ohne inneren Bezug zu diesem Bereich. Es erscheine ausgeschlossen, dass die Recherchen, zu denen der Zeuge die Aussage verweigere, im Zusammenhang mit Seelsorge stehen könnten. Die Anordnung der Beugehaft sei auch unter Berücksichtigung des Freiheitsgrundrechtes des Zeugen nicht unverhältnismäßig, weil die Zeugenaussage zur Aufklärung der schwerwiegenden Tatvorwürfe für das Oberlandesgericht von zentraler Bedeutung sei.
Erläuterungen
VorinstanzOLG Düsseldorf - III-VI 10/05 - Entscheidung vom 19. September 2006
aus dem Gesetz
§ 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO lautet:
Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt
1. Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
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© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.12.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 172/06 des BGH vom 07.12.2006
der Leitsatz
StPO § 53 Abs. 1 Nr. 1
Geistlicher im Sinne von § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO ist auch ein Laie, der keine kirchliche Weihe erhalten hat, aber im Auftrag der Kirche hauptamtlich als Anstaltsseelsorger einer Justizvollzugsanstalt selbständig Aufgaben wahrnimmt, die zum unmittelbaren Bereich seelsorgerischer Tätigkeit gehören.
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