23.11.2024
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Dokument-Nr. 4900

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Beschluss25.09.2007BundesgerichtshofKVR 30/06
Vorinstanz:
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil29.09.2006, VI-3 Kart 7/06 (V)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss25.09.2007

Untersagung der Fusion Springer/ProSieben-SAT1 durch das Bundes­kar­tellamt muss überprüft werdenSpringer Verlag hat besonderes Interesse an gerichtlicher Überprüfung

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Kartellgerichte noch nachträglich darüber befinden müssen, ob die Untersagung des nicht umgesetzten Zusam­men­schlusses zwischen dem Springer-Verlag und den Fernsehsendern ProSieben/SAT1 rechtmäßig war.

Das Bundes­kar­tellamt hatte Anfang 2006 untersagt, dass der Springer-Verlag von einer Inves­to­ren­gruppe um den Geschäftsmann Haim Saban deren Geschäfts­anteile an den Fernsehsendern ProSieben und SAT1 erwirbt. Mit dem Erwerb hätte der Springer-Verlag über sämtliche Stammaktien an ProSieben und SAT1 verfügt. Das Bundes­kar­tellamt hatte argumentiert, dass bei Durchführung des Vorhabens auf drei Märkten eine beherrschende Stellung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen verstärkt worden wäre: auf dem bundesweiten Fernseh­wer­bemarkt, auf dem Lesermarkt für Straßen­ver­kaufs­zei­tungen und auf dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen.

Wenige Wochen nach der Untersagung hatten der Springer-Verlag und die Inves­to­ren­gruppe erklärt, das Vorhaben nicht weiterverfolgen zu wollen. Die Anteile am ProSieben und SAT1 sind inzwischen an eine andere Inves­to­ren­gruppe verkauft worden.

Die gleichwohl vom Springer-Verlag eingelegte Beschwerde hat das Oberlan­des­gericht Düsseldorf als unzulässig verworfen. Die Untersagung durch das Bundes­kar­tellamt habe sich durch die endgültige Aufgabe des Zusam­men­schluss­vor­habens erledigt. Der Springer-Verlag könne auch nicht die Feststellung verlangen, dass der Zusammenschluss zu Unrecht untersagt worden sei; denn er könne sich nicht auf ein entsprechendes Feststel­lungs­in­teresse berufen.

Auf die Rechts­be­schwerde des Springer-Verlags hat der Bundes­ge­richtshof die Entscheidung des Oberlan­des­gericht Düsseldorf aufgehoben, soweit auch der Feststel­lungs­antrag verworfen worden ist. Der Springer-Verlag habe ein besonderes Interesse an der Klärung der Frage, ob der Zusammenschluss zu Recht untersagt worden ist oder nicht. Häufig müsse ein vom Bundes­kar­tellamt untersagter Zusammenschluss aufgrund bestehender wirtschaft­licher Zwänge aufgegeben werden, bevor es zu einer gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung des Bundes­kar­tellamts komme. Während das kartellamtliche Verfahren innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist von vier Monaten abgeschlossen sein müsse, sei der Rechtsschutz gegen eine Untersagung nicht in vergleichbar kurzer Zeit zu erlangen. Werde das Zusam­men­schluss­vorhaben aufgegeben, etwa weil der Verkäufer nicht bereit sei, den Ausgang des Verfahrens vor den Kartell­ge­richten abzuwarten, erledige sich zwar die Unter­sa­gungs­ver­fügung. Gleichwohl könne der Käufer in besonders gelagerten Fällen ein erhebliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Tatsachen- und Rechtsfragen haben, etwa wenn er damit rechnen müsse, dass ihm im Falle zukünftiger Akquisitionen die Argumente aus der früheren Entscheidung entge­gen­ge­halten und künftige Zusam­men­schluss­vorhaben ebenfalls untersagt würden. Sei dies bereits abzusehen, sei er für potentielle Verkäufer wenig interessant; denn sie müssten damit rechnen, dass ein Verkauf an ihn erneut an Bedenken des Kartellamts scheitern werde.

Der Kartellsenat hat aus diesen Gründen das Feststel­lungs­in­teresse im Streitfall bejaht. Wenn der Springer-Verlag zukünftig in Deutschland einen Sender erwerben wolle – sei es ProSieben oder SAT1, falls sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zum Verkauf stünden, oder sei es ein anderer Sender –, würden ihm vom Bundes­kar­tellamt die Argumente aus der Entscheidung vom Januar 2006 entge­gen­ge­halten werden. Er habe daher ein besonderes berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Überprüfung dieser Entscheidung.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Sache an das Oberlan­des­gericht Düsseldorf zurückverwiesen, das nun klären muss, ob das Bundes­kar­tellamt den Zusammenschluss zwischen Springer und ProSieben-SAT1 zu Recht untersagt hat.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 136/07 des BGH vom 25.09.2007

der Leitsatz

GWB § 71 Abs. 2 Satz 2

Im Verfahren der Zusam­men­schluss­kon­trolle ist ausnahmsweise ein Forts­et­zungs­fest­stel­lungs­in­teresse nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB schon dann zu bejahen, wenn die Beteiligten darlegen können, dass sie an der Klärung der durch die Unter­sa­gungs­ver­fügung aufgeworfenen Fragen ein besonderes berechtigtes Interesse haben, das sich auch aus der Präjudizierung eines entsprechenden, wenn auch derzeit noch nicht absehbaren Zusam­men­schluss­vor­habens ergeben kann.

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