22.11.2024
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Dokument-Nr. 5450

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Beschluss16.01.2008BundesgerichtshofKVR 26/07
Vorinstanz:
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss11.04.2007, VI Kart 6/05 (V)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss16.01.2008

Fusions­kon­trolle auf Kranken­h­aus­zu­sam­men­schlüsse anwendbar

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass der Zusammenschluss von Krankenhäusern der Fusions­kon­trolle nach den §§ 35 bis 43 des Gesetzes gegen Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen (GWB) unterliegt. Es ging um den Erwerb des Kreis­kran­ken­hauses Bad Neustadt an der Saale durch die Rhön-Klinikum AG (nachfolgend: Rhön AG). Der Kartellsenat hat die Untersagung des Zusam­men­schlusses durch das Bundes­kar­tellamt bestätigt.

Die Rhön AG gehört zu den führenden privaten Kranken­haus­kon­zernen in Deutschland. Der Landkreis Rhön-Grabfeld betreibt als Eigenbetrieb das Kreis­kran­kenhaus Bad Neustadt an der Saale. Im September 2004 meldete die Rhön AG beim Bundes­kar­tellamt das Vorhaben an, das Kreis­kran­kenhaus zu erwerben. Das Bundes­kar­tellamt hat den angemeldeten Zusammenschluss untersagt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberlan­des­gericht Düsseldorf zurückgewiesen. Die Rechts­be­schwerde der Zusam­men­schluss­be­tei­ligten, mit der sie die Freigabe des Zusam­men­schlusses erreichen wollten, hat der Bundes­ge­richtshof nun zurückgewiesen.

Der Kartellsenat hat zunächst klargestellt, dass weder die Regelungen des Sozialrechts über die gesetzliche Kranken­ver­si­cherung noch die Bestimmungen zur Kranken­h­aus­fi­nan­zierung die Fusions­kon­trolle ausschließen. Insbesondere § 69 SGB V unterstelle nur die Rechts­be­zie­hungen zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern abschließend dem Sozialrecht, verdränge aber nicht die Fusions­kon­trolle beim Zusammenschluss von Krankenhäusern.

Nach Auffassung des Kartellsenats bieten Krankenhäuser die stationäre Behandlung nicht nur Privatpatienten, sondern auch den gesetzlich versicherten Patienten auf einem Wettbe­wer­bsmarkt im Sinne der deutschen Fusions­kon­trolle an. Zwar fragten aufgrund des Sachleis­tungs­prinzips der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung die Krankenkassen die stationären Behand­lungs­leis­tungen für Kassenpatienten nach und zahlten das dafür geschuldete Entgelt. Die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern stehe jedoch der Annahme eines Wettbe­wer­bs­marktes nicht entgegen. Auch den Patienten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung stehe ein Wahlrecht hinsichtlich des Krankenhauses zu, in das sie sich zu einer Behandlung begäben. Aufgrund dieser Auswah­l­ent­scheidung komme es zu einem eigenen Behand­lungs­vertrag mit dem jeweiligen Krankenhaus. Weil die Patienten die Entscheidung träfen, bei welchem Krankenhaus die Behand­lungs­leistung nachgefragt wird, seien sie und nicht die Krankenkassen die fusions­rechtlich maßgebliche Marktgegenseite für das Angebot von Kranken­haus­leis­tungen. Zwischen Krankenhäusern bestehe auch erheblicher Quali­täts­wett­bewerb, etwa bei der fachlichen Qualifikation von Ärzten und Pflegepersonal oder der sachlichen Ausstattung.

Der Kartellsenat teilt die Erwartung von Oberlan­des­gericht und Bundes­kar­tellamt, dass der Zusammenschluss zur Entstehung oder Verstärkung einer markt­be­herr­schenden Stellung der Rhön AG auf dem Markt für akutstationäre Kranken­h­aus­dienst­leis­tungen im Gebiet Bad Neustadt/Bad Kissingen führen würde. Jedenfalls bei einer Fusion von Allge­mein­kran­ken­häusern sei der sachlich relevante Markt nicht nach medizinischen Fachabteilungen abzugrenzen. Die Gebiete Schweinfurt und Würzburg seien nicht in den räumlich relevanten Markt einzubeziehen, da Patienten aus diesen Gebieten kaum Krankenhäuser in Bad Neustadt/Bad Kissingen aufsuchten. Krankenhäuser in Schweinfurt und Würzburg stellten allerdings umgekehrt für Patienten aus Bad Neustadt/Bad Kissingen eine Behand­lungs­mög­lichkeit dar, die auch in nicht unerheblichem Umfang wahrgenommen werde. Diese Krankenhäuser seien deshalb als Anbieter im räumlich relevanten Markt zu berücksichtigen. Die Rhön AG halte hier schon jetzt einen Marktanteil von deutlich über 40 %. Es könne dahinstehen, ob daraus bereits eine markt­be­herr­schende Stellung folge. Jedenfalls würde durch den Zusammenschluss eine solche Stellung begründet oder verstärkt werden. Das ergebe sich aus der zu erwartenden Addition von Marktanteilen, dem Markt­an­teils­abstand zu dem nächstgrößeren Wettbewerber in Schweinfurt und der weiteren Verstärkung der in vielfacher Hinsicht schon bestehenden Überlegenheit der Rhön AG, etwa durch Optimierung der Auslas­tungs­quoten im Wege konzerninterner Steuerung der Patientenströme und durch Synergieeffekte, die wegen der räumlicher Nähe der am Zusammenschluss beteiligten Krankenhäuser ermöglicht würden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 13/08 des BGH vom 17.01.2008

der Leitsatz

GWB § 19 Abs. 2, §§ 35, 36 Abs. 1; SGB V § 69

a) Der Zusammenschluss von Krankenhäusern unterliegt der Zusam­men­schluss­kon­trolle nach den §§ 35 bis 43 GWB unabhängig davon, ob Behand­lungs­leis­tungen für gesetzlich oder privat versicherte Patienten angeboten werden.

b) Maßgebliche Nachfrager auf dem für die Zusam­men­schluss­kon­trolle von Krankenhäusern relevanten Angebotsmarkt sind auch im Anwen­dungs­bereich des Sachleis­tungs­prinzips der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung die Patienten.

c) Ist Zielobjekt eines Zusam­men­schlusses von Krankenhäusern ein Allge­mein­kran­kenhaus mit dafür typischen Fachabteilungen, ist der sachlich relevante Markt der Markt für akutstationäre Kranken­h­aus­dienst­leis­tungen.

d) Der für die Zusam­men­schluss­kon­trolle räumlich relevante Markt umfasst alle Nachfrager, die nach den tatsächlichen Verhältnissen als Abnehmer für das Angebot der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in Betracht kommen und deren wettbewerbliche Handlungs­mög­lich­keiten durch den Zusammenschluss betroffen und insbesondere beschränkt werden können. Für den Markt akutstationärer Kranken­h­aus­dienst­leis­tungen bleiben daher Patienten außer Betracht, die die Leistungen der am Zusammenschluss beteiligten Krankenhäuser im Hinblick auf die räumliche Entfernung nicht nachfragen. Kommt andererseits für die Patienten auf dem so abgegrenzten Markt als Bezug­s­al­ter­native auch die Leistung eines Krankenhauses außerhalb dieses Gebiets in Betracht, handelt es sich um ein Angebot im räumlich relevanten Markt.

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