18.10.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 33851

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Urteil20.03.2024BundesgerichtshofIV ZR 68/22
Vorinstanzen:
  • Kammergericht Berlin, Urteil08.02.2022, 6 U 88/18
  • Landgericht Berlin, Urteil24.05.2018, 23 O 144/17
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Bundesgerichtshof Urteil20.03.2024

Limitie­rungs­maß­nahmen bei Prämie­n­an­pas­sungen in der privaten Kranken­ver­si­cherung

Der unter anderem für das Versi­che­rungs­ver­tragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat über die gerichtliche Kontrolle von Maßnahmen, mit denen Kranken­ver­si­cherer den Umfang einer Beitrags­er­höhung limitieren, entschieden. Danach bleibt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachkalkulation, die zu einer Beitrags­er­höhung führt, unabhängig davon wirksam, ob die - nachgelagerte - Limitie­rungs­maßnahme fehlerfrei erfolgt ist. Der Versi­che­rungs­nehmer muss beweisen, dass die Limitie­rungs­ent­scheidung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

Der Kläger wendet sich gegen Beitrags­er­hö­hungen seines privaten Kranken­ver­si­cherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher unter anderem auf Rückzahlung der auf die Beitrags­er­hö­hungen gezahlten Prämienanteile.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat das landge­richtliche Urteil zum Teil abgeändert, aber ebenfalls unter anderem die Unwirksamkeit einer Prämie­n­an­passung festgestellt und die Beklagte zur Rückzahlung der darauf gezahlten Prämienanteile verurteilt. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten, während sich der Kläger mit der Anschluss­re­vision gegen die zeitliche Beschränkung der Feststellung wendet, dass er nicht zur Zahlung des Erhöhungs­be­trages verpflichtet ist.

Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil des Berufungs­ge­richts, das die Prämie­n­an­passung für materiell unwirksam gehalten hat, nicht bestätigt.

Eine Prämie­n­an­passung vollzieht sich in zwei Schritten. Die Prämie wird zunächst anhand der geänderten Rechnungs­grundlagen neu kalkuliert; in einem Gerichts­ver­fahren hat der Versicherer zu beweisen, dass diese Nachkalkulation den Anforderungen des § 155 Abs. 1 VAG entspricht. In einem zweiten Schritt kann die Beitrags­er­höhung gemäß § 155 Abs. 2 VAG durch die Verwendung von Mitteln aus den Rückstellungen für Beitrags­er­stat­tungen limitiert werden.

Bei einer gerichtlichen Kontrolle der Limitie­rungs­maß­nahmen sind lediglich besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen der Versicherten geeignet, einen materiellen Verstoß gegen den sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Prüfungsmaßstab für die Limitie­rungs­maß­nahmen zu begründen. Eine Motiv- oder Begrün­dungs­kon­trolle der vom Versicherer getroffenen Limitie­rungs­ent­scheidung findet nicht statt. Die Fehler­haf­tigkeit einer Limitie­rungs­maßnahme lässt die materielle Wirksamkeit einer Prämie­n­an­passung, die im Übrigen auf einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Nachkalkulation beruht, unberührt. Diese führt lediglich dazu, dass dem einzelnen Versi­che­rungs­nehmer, soweit er dadurch konkret beeinträchtigt ist, ein individueller Anspruch auf (weitere) Limitierung, d.h. auf dauerhafte Absenkung seiner Prämie zustehen kann.

Der Versi­che­rungs­nehmer trägt die Beweislast dafür, dass die Limitie­rungs­ent­scheidung den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Der Umstand, dass der Versi­che­rungs­nehmer die internen Verhältnisse des Versicherers nicht kennen kann, führt allerdings zu einer sekundären Darlegungslast des Versicherers. Er hat zu den Parametern, die der Limitie­rungs­ent­scheidung zugrunde liegen, näher vorzutragen. Diese Darlegungslast beinhaltet jedoch nicht die Vorlage eines umfassenden, sich auf alle parallel mit Limitie­rungs­mitteln bedachten Tarife erstreckenden Limitie­rungs­konzepts.

Die Revision hatte auf dieser Grundlage Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungs­urteils, soweit der Klage darin stattgegeben worden war. Soweit es die Wirksamkeit der Prämie­n­an­passung betrifft, hat der Bundes­ge­richtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit es die Prüfung der Nachkalkulation der Prämie nachholen und, falls diese Prüfung keine Fehler ergibt, die Limitie­rungs­maßnahme unter Berück­sich­tigung der Rechtsansicht des Bundes­ge­richtshofs neu beurteilen kann. Die Anschluss­re­vision des Klägers führte aufgrund eines Verfah­rens­fehlers des Berufungs­ge­richts ebenfalls zur Aufhebung und Zurück­ver­weisung.

Quelle: Bundesgrerichtshof, ra-online (pm/pt)

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