15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 13784

Drucken
Urteil12.07.2012BundesgerichtshofIV ZR 122/11, IV ZR 151/11, IV ZR 164/11, IV ZR 271/11 und IV ZR 286/11
Vorinstanzen zu IV ZR 122/11:
  • Landgericht Heilbronn, Urteil08.07.2010, 4 O 280/09
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil12.05.2011, 7 U 144/10
Vorinstanzen zu IV ZR 151/11:
  • Landgericht Heilbronn, Urteil08.07.2010, 4 O 284/09
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil18.07.2011, 7 U 146/10
Vorinstanzen zu IV ZR 164/11:
  • Landgericht Heilbronn, Urteil08.07.2010, 4 O 222/09
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil25.07.2011, 7 U 152/10
Vorinstanzen zu IV ZR 271/10:
  • Landgericht Freiburg, Urteil12.06.2009, 5 O 354/07
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil18.11.2010, 4 U 130/09
Vorinstanzen zu IV ZR 286/10:
  • Landgericht Konstanz, Urteil10.06.2009, 4 O 89/08
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil30.11.2010, 9 U 75/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil12.07.2012

Bundes­ge­richtshof zu Schadensersatz- und Erfül­lungs­ansprüchen gegen den englischen Lebens­ver­si­cherer Clerical MedicalVersicherten müssen die in Auszah­lungs­plänen versprochenen Gelder ausgezahlt werden

Der Bundes­ge­richtshof hatte in mehreren Verfahren darüber zu entscheiden, welche Ansprüche Versi­che­rungs­nehmern des englischen Lebens­ver­si­cherer Clerical Medical Investment Ltd. zusteht, bei dem sie in den Jahren 2001 und 2002 kredit­fi­nan­zierte Lebens­ver­si­che­rungs­verträge des Produkttyps "Wealthmaster Noble" abgeschlossen hatten.

Den Verfahren IV ZR 151/11 und 164/11 lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:

Bei den anteils­ge­bundenen Lebens­ver­si­che­rungen haben die Kläger gegen Zahlung eines Einmalbetrags Anteile an einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs", dem "Euro-Pool 2000EINS" erworben. Die Verträge, die die Kläger jeweils aufgrund einer Werbung durch "Untervermittler" geschlossen haben, sind eingebettet in ein Anlagemodell "Europlan". Dieses sieht vor, dass die Zinsen für das Bankdarlehen durch vertraglich bedungene Auszahlungen aus der Lebensversicherung zu entrichten sind und im Übrigen durch einen Investmentfonds ein Kapitalstock gebildet wird, der bei Endfälligkeit des Darlehens zu dessen Tilgung verwendet werden soll, während weitere über diesen Zeitpunkt hinausreichende Auszahlungen den Versi­che­rungs­nehmern als fortlaufende Rente zur Verfügung stehen sollen.

Versicherung reduziert zugewiesene Anteile und damit einhergehenden jährlich mitgeteilten Vertragswert

Nachdem der Wertzuwachs der den Klägern zugeteilten Poolanteile in der Folgezeit nicht ausreichte, um die zunächst getätigten Auszahlungen in vollem Umfang zu decken, reduzierte die Beklagte unter Berufung auf ihre Versi­che­rungs­be­din­gungen die Anzahl der den Klägern zugewiesenen Anteile und damit den jährlich mitgeteilten Vertragswert.

Kläger rügen Bewerbung unrealistischer Rendi­teer­war­tungen durch Versicherung und machen Schaden­s­er­satz­ansprüche geltend

Die Kläger verfolgen in erster Linie Schaden­s­er­satz­ansprüche wegen der Verletzung von Aufklä­rungs­pflichten im Zusammenhang mit den Vertrags­ab­sch­lüssen. Sie berufen sich u.a. darauf, dass die Beklagte mit unrealistischen Rendi­teer­war­tungen geworben habe bzw. durch ihre Untervermittler habe werben lassen, und verlangen Ersatz des ihnen durch Abschluss der Verträge entstandenen Vertrau­ens­schadens, insbesondere Freistellung von den Verbind­lich­keiten aus den Darle­hens­ver­trägen. Hilfsweise begehren sie die Erfüllung des Auszah­lungsplans ohne Rücknahme von Anteilen.

OLG verurteilt Versicherung zur Erfüllung des festgelegten Auszah­lungsplans

In der Vorinstanz hat das Oberlan­des­gericht Stuttgart in beiden Verfahren die Beklagte jeweils zur Erfüllung des in den Versi­che­rungs­scheinen festgelegten Auszah­lungsplans verurteilt. Die primär geltend gemachten Schaden­s­er­satz­ansprüche hat es im Hinblick auf das Bestehen dieser Erfül­lungs­ansprüche abgewiesen.

BGH bejaht Verpflichtung der Versicherung zur Erfüllung der vorgesehenen Auszah­lungspläne

Auf die Revisionen der Parteien hat der Bundes­ge­richtshof die Berufungs­urteile aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Hierfür waren im Wesentlichen folgende Gründe maßgebend: Auf Grundlage der schriftlichen Vertrags­un­terlagen ist anzunehmen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung der in den Versi­che­rungs­scheinen vorgesehenen Auszah­lungspläne nicht unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Kapitaldeckung steht. Die objektive Auslegung der in die Verträge einbezogenen Policen­be­din­gungen der Beklagten ergibt keine wirksame Einschränkung dieser Verpflichtung. Die vom Oberlan­des­gericht Stuttgart insoweit ausgesprochenen Verurteilungen konnten nur deshalb nicht bestehen bleiben, weil dieses dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, dass die Parteien den fraglichen Klauseln aufgrund entsprechender Erläuterungen des Vermittlers beim Vertrags­ab­schluss übereinstimmend ein von dem Ergebnis objektiver Auslegung abweichendes Verständnis beigelegt hätten, nicht nachgegangen war. Insoweit bedarf es weiterer Feststellungen.

Wirtschaft­licher Nachteil für Begründung eines Schadens ausreichend

Weiter hat der Bundes­ge­richtshof festgestellt, dass die geltend gemachten Schaden­s­er­satz­ansprüche nicht allein wegen des Bestehens der vorstehend genannten Auszah­lungs­ansprüche abgewiesen werden durften. Insoweit ist es für einen Schaden ausreichend, dass der abgeschlossene Vertrag sich für die Kläger auch ungeachtet bestehender Erfül­lungs­ansprüche als wirtschaftlich nachteilig darstellt, weil er sie - u.a. aufgrund der eingegangenen Darle­hens­ver­pflich­tungen - in ihrer wirtschaft­lichen Dispo­si­ti­o­ns­freiheit beeinträchtigt und ihren Anlagezielen nicht entspricht.

Versicherung hat Pflicht zur Aufklärung

Zu den Schaden­s­er­satz­ansprüchen hat der Senat ferner ausgeführt, dass der Abschluss der Lebens­ver­si­cherung "Wealthmaster Noble" sich bei wirtschaft­licher Betrachtung in erster Linie als ein Anlagegeschäft darstellt, weshalb die Beklagte wie bei sonstigen Anlage­ge­schäften auch verpflichtet war, die Kläger bereits im Rahmen der Vertrags­ver­hand­lungen vollständig über alle Umstände zu informieren, die für ihren Anlage­ent­schluss von besonderer Bedeutung waren. In diesem Rahmen muss die Beklagte sich nach § 278 BGB das Handeln und die Erklärungen der tätig gewordenen Untervermittler zurechnen lassen, da sie im Rahmen eines so genannten Struk­tur­ver­triebs die mit dem Vertrieb der Lebens­ver­si­cherung in Deutschland verbundenen Aufgaben selbständigen Vermittlern überlassen hat.

Kläger erhielten bei Beratung unzutreffendes, zu positives Bild der zu erwartenden Rendite

Die bestehenden Aufklä­rungs­pflichten hat die Beklagte nach dem im Revisi­ons­ver­fahren zugrunde zu legenden Sachverhalt vor allem dadurch verletzt, dass sie den Klägern ein unzutreffendes, zu positives Bild der zu erwartenden Rendite gegeben hat. Den Klägern wurden Muster­be­rech­nungen übergeben, die auf einer Renditeprognose von 8,5 % basieren, obwohl die Beklagte selbst nur eine Rendite von 6 % als realistisch angesehen hat, was in den Hinweisen zu den Muster­be­rech­nungen nicht ausreichend deutlich kenntlich gemacht ist.

Versicherung hätte über tatsächliche Höhe der ausgezahlten Rendite informieren müssen

Des Weiteren war die Beklagte zu einer verständlichen Information darüber verpflichtet, dass sie im Rahmen des von ihr praktizierten Glättungs­ver­fahrens ("smoothing") nach eigenem Ermessen darüber entscheidet, in welcher Höhe eine tatsächlich erzielte Rendite an die Versi­che­rungs­nehmer weitergeben wird und in welcher Höhe sie in Reserven fließt. Sie musste ferner darüber aufklären, dass die mit den Beiträgen der Kläger gebildeten Reserven auch zur Erfüllung der Garan­tie­ansprüche der Anleger anderer Pools verwendet werden können (Problem der Quersub­ven­ti­o­nierung).

Regelungen zur "Markt­prei­s­an­passung" unwirksam

Die in den Policen­be­din­gungen enthaltenen Regelungen zur "Markt­prei­s­an­passung" hat der Senat für unwirksam erachtet, weil sie gegen das Trans­pa­renzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen.

In drei weiteren ähnlich gelagerten Fällen hat der Senat die Berufungs­urteile ebenfalls mit entsprechenden Begründungen aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungs­ge­richte zurückverwiesen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil13784

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI