21.11.2024
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Dokument-Nr. 1206

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Bundesgerichtshof Urteil04.03.2004

Kein Telefo­nent­gel­t­an­spruch für Verbindungen durch ein heimlich installiertes Anwahlprogramm

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, daß ein Telefonkunde dem Netzbetreiber gegenüber dann nicht zur Zahlung der erhöhten Vergütung für Verbindungen zu einer 0190- oder 0900-Mehrwert­diens­te­nummer verpflichtet ist, wenn die Anwahl zu dieser Nummer über einen heimlich im Computer des Kunden installierten sog. Dialer erfolgte und dem Anschlußinhaber insoweit kein Verstoß gegen seine Sorgfalts­ob­lie­gen­heiten zur Last fällt.

Die Klägerin, ein Telefon­netz­be­treiber, verlangt von der Beklagten, mit der sie einen Vertrag über die Bereitstellung eines ISDN-Anschlusses und über Telefon­dienst­leis­tungen geschlossen hat, Zahlung von rund 9.000 €. Die in Rechnung gestellten Beträge beruhen zum großen Teil auf Verbindungen, die von Mai bis August 2000 zu einer bestimmten 0190-Mehrwert­diens­te­nummer hergestellt wurden. Der Sohn der Beklagten hatte beim Surfen im Internet eine Datei auf seinen PC heruntergeladen, die die Beschleunigung der Daten­über­tragung versprach. Tatsächlich verbarg sich in der Datei ein sogenannter Dialer. Dieser veränderte die Standa­r­d­e­in­stel­lungen im Daten­fer­n­über­tra­gungs­netzwerk des Computers derart, daß sämtliche Verbindungen in das Internet fortan über eine teure 0190-Mehrwert­diens­te­nummer hergestellt wurden. Die Löschung der scheinbar der Daten­be­schleu­nigung dienenden Datei machte diese Veränderungen nicht mehr rückgängig. Die Manipulationen waren bei standardmäßiger Nutzung des Computers nicht bemerkbar.

Das Berufungs­gericht hat die Klage im wesentlichen abgewiesen. Zuerkannt hat es lediglich die Beträge, die angefallen wären, wenn die Verbindungen in das Internet über die von der Klägerin bereitgestellte Standardnummer angewählt worden wären. Die Klägerin müsse sich das Vorgehen des Inhabers der Mehrwert­diens­te­nummer zurechnen lassen. Dementsprechend stehe der Vergü­tungs­for­derung der Klägerin ein Schaden­s­er­satz­an­spruch der Beklagten entgegen, aufgrund dessen sie so gestellt werden müsse, als ob sich der Dialer nicht eingeschlichen hätte.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Sie hat aus dem Telefon­dienst­vertrag mit der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Verbin­dungs­kosten nach den erhöhten 0190-Mehrwert­diens­te­tarifen.

Der Vertrag der Parteien enthielt keine ausdrückliche Bestimmung, die einen Fall wie den vorliegenden regelte. Der Senat hat jedoch im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung eine Klausel der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Klägerin und den Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV herangezogen, wonach den Kunden keine Vergü­tungs­pflicht für die Nutzung seines Anschlusses durch Dritte trifft, sofern er diese nicht zu vertreten hat. Da die Klägerin ein eigenes wirtschaft­liches Interesse an der Inanspruchnahme der Mehrwertdienste habe – sie muß nur einen Teil des erhöhten Entgelts an andere Netz- und Platt­form­be­treiber abführen – , sei es angemessen, sie das Risiko eines solchen Mißbrauchs der 0190-Nummern tragen zu lassen, den ihre Kunden nicht zu vertreten haben.

Der Beklagten und ihrem Sohn fiel ein Verstoß gegen ihre Sorgfalts­ob­lie­gen­heiten nicht zur Last. Sie hatten keinen besonderen Anlaß zu Schutz­vor­keh­rungen, da der Dialer nicht bemerkbar war. Auch eine routinemäßige Vorsorge gegen Anwahlprogramme konnte nicht erwartet werden.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 27/04 des BGH v. 05.03.2004

der Leitsatz

TKV § 16 Abs. 3 Satz 3

a) Der Telefon­netz­be­treiber und nicht der Anschlußinhaber trägt das Risiko der heimlichen Installation eines automatischen Einwahl­pro­gramms (sogenannter Dialer) in einen Computer, das für den durch­schnitt­lichen Anschlußnutzer unbemerkbar die Verbindungen in das Internet über eine Mehrwert­diens­te­nummer herstellt, sofern der Anschlußnutzer dies nicht zu vertreten hat (Rechtsgedanke des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV).

b) Es obliegt dem Anschlußnutzer nicht, Vorkehrungen gegen sogenannte Dialer zu treffen, solange kein konkreter Hinweis auf einen Mißbrauch vorliegt.

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