Bundesgerichtshof Urteil24.10.2024
Gemeinde nicht zur unmittelbaren Entscheidung über Bauantrag zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife verpflichtetPflicht zur Entscheidung erst nach Ablauf eines Bearbeitungs- und Prüfungszeitraums
Eine Gemeinde ist nicht verpflichtet, unmittelbar zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife über einen Bauantrag zu entscheiden. Vielmehr ist der Gemeinde ein angemessener Bearbeitungs- und Prüfungszeitraum zuzubilligen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2015 beantragte in Bayern die Eigentümerin eines mit einem siebengeschossigen Gebäude bebauten Grundstücks die Erteilung einer Baugenehmigung. Sie wollte in dem Gebäude künftig ein Hotel und Stadtappartements unterbringen. Im Oktober 2016 lagen sämtliche für die Entscheidung über die Baugenehmigung erforderlichen Unterlagen vor. Im Dezember 2016 beschloss die zuständige Gemeinde die Aufstellung eines Bebauungsplans, welcher dem Vorhaben der Grundstückseigentümerin entgegenstehen würde. Zugleich verhängte die Gemeinde eine Veränderungssperre. Nach in Kraft treten des Bebauungsplans wurde die Erteilung der Baugenehmigung abgelehnt. Die Grundstückseigentümerin klagte anschließend auf Zahlung von Schadensersatz. Sie meinte, dass die Gemeinde amtspflichtwidrig nicht rechtzeitig über den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung entschieden habe.
Landgericht wies Schadensersatzklage ab, Oberlandesgericht gab ihr statt
Während das Landgericht Bamberg die Schadensersatzklage abwies, gab ihr das Oberlandesgericht Bamberg statt. Nach Auffassung des Oberlandesgericht habe die Gemeinde es amtspflichtwidrig unterlassen, vor dem Planaufstellungsbeschluss über den Bauantrag positiv zu entscheiden. Im Oktober 2016 sei der Antrag entscheidungsreif gewesen, so dass über diesen innerhalb der nächsten drei Monate hätte entschieden werden müssen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Beklagten.
Bundesgerichtshof verneint Amtspflichtverletzung wegen verzögerter Entscheidung über Bauantrag
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Beklagten. Ihr sei keine Amtspflichtverletzung wegen verzögerter Entscheidung über den Bauantrag vorzuwerfen. Angesichts der Komplexität des Verwaltungsverfahrens und der zu treffenden Sachentscheidung sei der Beklagten nicht anzulasten, dass sie im Dezember 2016 noch nicht über den Bauantrag entscheiden hatte.
Zubilligung eines angemessenen Bearbeitungs- und Prüfungszeitraums
Die Gemeinde sei nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht unmittelbar im Zeitpunkt der Entscheidungsreife verpflichtet, über den Bauantrag zu entscheiden. Eine solche Entscheidungspflicht ergebe sich erst nach Ablauf eines ihr zuzubilligenden Bearbeitungs- und Prüfungszeitraums, innerhalb dessen die ordnungsgemäße, ermessensfehlerfreie und zügige Bearbeitung des entscheidungsreifen Antrags abgeschlossen sein muss. Innerhalb dieses Zeitraums sei die Gemeinde nicht daran gehindert, einen Aufstellungsbeschluss für eine dem Vorhaben entgegenstehende geänderte Planung zu fassen und eine Veränderungssperre zu beschließen.
Kein allgemeingültiger Bearbeitungs- und Prüfungseitraum
Der angemessene Zeitraum für die Bearbeitung eines Bauantrags könne nicht allgemeingültig festgelegt werden, so der Bundesgerichtshof. Auch komme es nicht auf die Dreimonatsfrist aus § 75 Satz 2 VwGO an. Vielmehr komme es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.02.2025
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)