21.11.2024
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Dokument-Nr. 124

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Urteil20.01.2005BundesgerichtshofIII ZR 48/01
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Bundesgerichtshof Urteil20.01.2005

Bundes­ge­richtshof billigt Ausschluß der Staatshaftung gegenüber Einla­ge­gläu­bigern wegen unzureichender Wahrnehmung der Bankenaufsicht

Die Kläger hatten Einlagen bei der BVH Bank für Vermö­gens­anlagen und Handel AG in Düsseldorf, die keinem Einla­gen­si­che­rungs­system angehörte und im Jahr 1987 vom Bundes­auf­sichtsamt für das Kreditwesen die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften unter der Auflage erhalten hatte, die Kunden über das Nichtbestehen einer Siche­rungs­ein­richtung zu informieren.

Die schwierige Vermö­gens­si­tuation der Bank veranlaßte das Bundes­auf­sichtsamt in den Jahren 1991, 1995 und 1997 zu Sonderprüfungen. Im Anschluß an die dritte Sonderprüfung ordnete das Bundes­auf­sichtsamt mit Wirkung vom 19. August 1997 ein Moratorium gemäß § 46 a des Kredit­we­sen­ge­setzes (KWG) an. Im November 1997 stellte es Konkursantrag und entzog der Bank die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften. Das Konkurs­ver­fahren wurde am 1. Dezember 1997 eröffnet. Die Kläger sind mit ihren Einlagen vom Vermö­gens­verfall der BVH Bank betroffen. Inwieweit ihnen eine Konkursquote zusteht, ist noch offen.

Im anhängigen Verfahren haben die Kläger von der beklagten Bundesrepublik Ersatz des ihnen entstandenen Schadens mit der Begründung begehrt, sie habe die Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einla­gen­si­che­rungs­systeme nicht rechtzeitig vor dem 1. Juli 1995 in das nationale Recht umgesetzt und das Bundes­auf­sichtsamt sei seiner Verpflichtung zur Bankenaufsicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Das Landgericht hat der Klage wegen verspäteter Umsetzung der Einla­gen­si­che­rungs­richtlinie unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines gemein­schafts­recht­lichen Staats­haf­tungs­an­spruchs im Rahmen der nach dieser Richtlinie vorgesehenen Haftungs­höchst­grenze von 20.000 ECU (= 39.450 DM im Zeitpunkt des Entschä­di­gungsfalls) entsprochen.

Demgegenüber blieb die Klage in den Vorinstanzen wegen des darüber hinausgehenden Schadens ohne Erfolg. Die Vorinstanzen haben einen Amtshaf­tungs­an­spruch der Kläger verneint, weil das Bundes­auf­sichtsamt – eine Pflicht­ver­letzung unterstellt – ihnen gegenüber keine Amtspflichten wahrzunehmen gehabt habe. Denn es nehme nach der Bestimmung des § 6 Abs. 4 KWG, an deren Stelle – inhaltsgleich - mit Wirkung vom 1. Mai 2002 § 4 Abs. 4 des Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sichts­ge­setzes (FinDAG) getreten ist, die ihm zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr.

Der unter anderem für das Amtshaf­tungsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat den in diesen Vorschriften enthaltenen Ausschluß der Staatshaftung gegenüber Einla­ge­gläu­bigern gebilligt und befunden, daß er mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Was das Europäische Gemein­schaftsrecht angeht, hat der III. Zivilsenat auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Oktober 2004 (Rs. C-222/02) Bezug genommen, den der Senat mit Beschluß vom 16. Mai 2002 (s. Presse­mit­teilung Nr. 51/2002) um eine Vorab­ent­scheidung gebeten hatte. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat entschieden, daß die Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, mit der verschiedene frühere Richtlinien kodifiziert wurden, und die Richtlinie 94/19/EG vom 30. Mai 1994 über Einla­gen­si­che­rungs­systeme den Einlegern keine Rechte dahingehend verleihen, daß die zuständigen Behörden in ihrem Interesse Aufsichts­maß­nahmen treffen. Die genannten Richtlinien zur Bankenaufsicht stehen daher einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der die nationale Behörde ihre Aufsicht über Kreditinstitute nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.

Der III. Zivilsenat hat auch einen Verstoß des § 6 Abs. 4 KWG/§ 4 Abs. 4 FinDAG gegen Bestimmungen des Grundgesetzes (GG) verneint. Er hat den Gesetzgeber für befugt gehalten, die Zweckrichtung der dem früheren Bundes­auf­sichtsamt für das Kreditwesen obliegenden Amtspflichten einzugrenzen, ohne dabei den Umfang und den Inhalt dieser Pflichten selbst zu verändern, und damit der früheren Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs (BGHZ 74, 144; 75, 120) die Grundlage zu entziehen. Mit dem Ausschluß der Staatshaftung gegenüber Einla­ge­gläu­bigern verstoße der Gesetzgeber nicht gegen die grundsätzlich nach Art. 34 Satz 1 GG gewährleistete Haftung des Staates für Amtspflicht­ver­let­zungen. Auch wenn ein ganzer Wirtschafts­bereich durch diese Bestimmungen betroffen werde, dürfe der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die unübersehbare Vielzahl von Einlegern und Kunden und angesichts der Komplexität der Bankenaufsicht und des von ihr zu beauf­sich­ti­genden Bereichs die Haftung gegenüber nur mittelbar von Aufsichts­maß­nahmen Begünstigten ausschließen, wie es auch in einer Reihe von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft der Fall sei. Soweit man aus der Gewährleistung des Art. 14 GG die Schutzpflicht des Gesetzgebers entnehmen wolle, Unternehmen der Kredit­wirt­schaft zu beaufsichtigen, sei der Gesetzgeber diesem Auftrag durch die im Kredit­we­sen­gesetz vorgesehenen Aufsichts­maß­nahmen nachgekommen. Dem Gesetzgeber sei bei Annahme einer solchen Schutzpflicht ein weiter Gestaltungsraum zuzubilligen. Daß die getroffenen Regelungen gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich seien, um das gebotene Schutzziel zu erreichen, lasse sich nicht feststellen.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 9/2005 vom 20.01.2005

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