15.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 448

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Bundesgerichtshof Urteil28.04.2005

Patient ohne Versi­che­rungs­schutz muss Kosten für Kranken­h­aus­be­handlung selbst tragenBehand­lungs­vertrag bei fehlendem Versi­che­rungs­schutz

Die klagende Stadt ist Trägerin eines Krankenhauses, in dem die Tochter der Beklagten und ihres früheren Ehemannes stationär behandelt wurde.

Im März 1999 brachte die Beklagte ihre Tochter zur stationären Behandlung in das Krankenhaus. Bei der Aufnahme gab sie an, für ihre Tochter bestehe Versi­che­rungs­schutz durch die AOK Lahnstein; Versicherter sei ihr Ehemann. Ferner unterschrieb die Beklagte einen formularmäßigen "Aufnahme-Antrag", der auf die Allgemeinen Vertrags­be­din­gungen des Krankenhauses der Klägerin verwies. In den Allgemeinen Vertrags­be­din­gungen hieß es u.a., daß ein Kassenpatient, der Leistungen des Krankenhauses in Anspruch nehme, die nicht durch die Kostenübernahme einer Krankenkasse gedeckt seien, als Selbstzahler zur Entrichtung des Entgelts für diese Leistungen verpflichtet sei.

Nach der vorgenannten stationären Behandlung war die Tochter der Beklagten nochmals, nämlich im Februar/März 2000, im Krankenhaus der Klägerin. Bei diesem Kranken­haus­auf­enthalt hatte der damalige Ehemann der Beklagten das Kind eingeliefert.

Die zuständige AOK übernahm nicht die Kosten dieser stationären Behandlungen, weil der Ehemann der Beklagten zur fraglichen Zeit nicht versichert war und damit auch keine Famili­en­ver­si­cherung für die gemeinsame Tochter bestand. Das Krankenhaus stellte der Beklagten daraufhin für die stationäre Behandlung der Tochter im März 1999 9.124,02 DM (= 4.665,04 €) und für die stationäre Behandlung im Februar/März 2000 weitere 20.202,39 DM (= 10.329,32 €), insgesamt also 14.994,36 €, in Rechnung. Dieser Betrag nebst Zinsen wird mit der Klage geltend gemacht.

Die Klägerin trägt vor, die Tochter der Beklagten sei aufgrund eines im März 1999 mit der Beklagten geschlossenen Behand­lungs­ver­trages im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden. Für die stationäre Behandlung könne sie nach dem Behand­lungs­vertrag und nach ihren Allgemeinen Vertrags­be­din­gungen von der Beklagten das Entgelt beanspruchen, nachdem sich herausgestellt habe, daß für deren Tochter keine gesetzliche Kranken­ver­si­cherung bestanden habe. Für die Kosten der von dem damaligen Ehemann der Beklagten veranlaßten stationären Behandlung der Tochter im Jahr 2000 hafte die Klägerin nach § 1357 Abs. 1 BGB (die Vorschrift lautet: Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.).

Die Beklagte, die zur fraglichen Zeit nicht über ein eigenes Einkommen verfügte, bestreitet, mit der Klägerin einen entgeltlichen Behand­lungs­vertrag geschlossen zu haben. Sie habe nicht gewußt, daß ihr Ehemann und damit ihr Kind nicht mehr in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung versichert gewesen sei. Bei Einlieferung des Kindes in das Krankenhaus sei ihr Ehemann ganztägig als Arbeitnehmer tätig gewesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungs­gericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Zahlungs­be­gehren weiterverfolgt.

Die Revision hatte Erfolg.

1. Stationäre Behandlung im März 1999 auf Veranlassung der Beklagten

Die Klägerin konnte nach Auffassung des III. Zivilsenats Bundes­ge­richtshofs den Zahlungs­an­spruch zwar nicht auf die oben genannte Klausel stützen. Insoweit blieb offen, ob die Klausel die vorliegende Sachver­halts­ge­staltung betraf; das geht nach der Unkla­r­hei­tenregel zu Lasten der Klägerin (§ 5 AGBG).

Der Klägerin steht aber ein Vergü­tungs­an­spruch aus dem mit der Beklagten zugunsten des Kindes geschlossenen Behand­lungs­vertrag zu. Zwar ging der Wille der Parteien dahin, einen für die Beklagte nicht mit Zahlungs­pflichten verbundenen Behand­lungs­vertrag zu schließen. Denn die Tochter der Beklagten sollte als Kassenpatientin in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen werden. In einem solchen Fall besteht ein Vergü­tungs­an­spruch des Kranken­haus­trägers unmittelbar und ausschließlich gegen die gesetzliche Krankenkasse. Dem Behand­lungs­vertrag fehlte aber die Geschäfts­grundlage. Die von den Parteien gemeinsam gehegte Vorstellung, die Tochter der Beklagten sei über deren Ehemann famili­en­ver­sichert, stellte sich als Irrtum heraus. Die deshalb gebotene Vertrags­an­passung führt dazu, daß die Beklagte den Pflegesatz zu zahlen hat. Denn sie trägt das Risiko, daß das von ihr zur stationären Behandlung gebrachte Kind kranken­ver­sichert war. Der Patient (bzw. bei Minderjährigen deren Eltern) hat hierzu im eigenen Interesse das Nötige zu veranlassen und den Kranken­haus­träger zutreffend zu unterrichten. Er weiß in der Regel, ob und bei wem er kranken­ver­sichert ist. Besteht kein Versi­che­rungs­schutz, kann der Patient gegebenenfalls durch die Inanspruchnahme von Sozialhilfe für Kostendeckung sorgen. Umgekehrt hat der Kranken­haus­träger in der Regel keinen Einblick in die persönlichen und sozia­l­ver­si­che­rungs­recht­lichen Verhältnisse des Patienten; er muß sich schon aus praktischen Gründen - auf die Angaben des Patienten verlassen dürfen.

Die Vertrags­an­passung mußte sich an der gesetzlichen Vorgabe ausrichten, daß der Kranken­haus­träger den einheitlichen Pflegesatz fordern muß und nicht nach den Einkommens- und Vermö­gens­ver­hält­nissen des jeweiligen Patienten differenzieren darf.

2. Stationäre Behandlung im Februar/März 2000 auf Veranlassung des (damaligen) Ehemanns der Beklagten

Insoweit hat der III. Zivilsenat die Sache aufgehoben und an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Dieses wird zu klären haben, ob der Ehemann der Beklagten einen Behand­lungs­vertrag zugunsten der gemeinsamen Tochter auch im Namen der Beklagten geschlossen hat. Die Beklagte könnte aus einem solchen gegebenenfalls nach den vorgenannten Grundsätzen angepaßten - Vertrag unmittelbar haften, und zwar als Gesamt­s­chuldnerin mit ihrem damaligen Ehemann.

Ferner kommt eine gesetzliche Mitver­pflichtung der Beklagten nach § 1357 Abs. 1 BGB aus einem nur zwischen ihrem Ehemann und der Klägerin geschlossenen Behand­lungs­vertrag zugunsten des gemeinsamen Kindes in Betracht. Insoweit wird von dem Berufungs­gericht noch zu prüfen sein, ob die Kosten der Kranken­h­aus­be­handlung außer Verhältnis zu dem objektiviert zu beurteilenden - damaligen Lebenszuschnitt der Familie standen. Sollten die Behand­lungs­kosten diesen Rahmen sprengen, wäre eine Mithaftung der Beklagten nach § 1357 Abs. 1 BGB zu verneinen.

Hinweis auf die Vorinstanzen: LG Koblenz – 15 O 77/02 ./. OLG Koblenz – 3 U 1434/02

Quelle: Pressemitteilung Nr. 67/05 des BGH vom 28.04.2005

der Leitsatz

Haben der Kranken­haus­träger und der Patient (hier: die Mutter des minderjährigen Patienten) die gemeinsame Vorstellung, daß eine gesetzliche Kranken­ver­si­cherung bestehe, die die Kosten des Kranken­haus­auf­enthalts übernehme, und stellt sich dies als Irrtum heraus, dann fehlt dem zwischen dem Kranken­haus­träger und dem Patienten (hier der Mutter des minderjährigen Patienten) geschlossenen Behand­lungs­vertrag die Geschäfts­grundlage.

Die bei Fehlen der Geschäfts­grundlage gebotene Anpassung des zwischen dem Kranken­haus­träger und dem Patienten (hier: der Mutter des Patienten) geschlossenen Behand­lungs­ver­trages führt dazu, daß der Kranken­haus­träger die nach Maßgabe der §§ 10 ff BPflV zu ermittelnde Vergütung für die allgemeinen Kranken­haus­leis­tungen von dem Patienten (hier: von der Mutter des Patienten) fordern kann.

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