18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 21347

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Urteil23.07.2015BundesgerichtshofIII ZR 346/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2016, 20Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2016, Seite: 20
  • NZV 2015, 483Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2015, Seite: 483
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil23.07.2015

Fahrt von Kindern zum Sport ist grundsätzlich eine reine Gefälligkeit: Verein haftet daher nicht für Unfall bei Fahrt von Kindern zur Sport­ver­an­staltungKeine Geschäfts­führung ohne Auftrag beim Transport von Kindern zu Sport­veranstal­tungen

Wenn minderjährige Mitglieder eines Amateur­sport­vereins von ihren Familien­an­ge­hörigen oder Angehörigen anderer Vereins­mit­glieder zu Sport­veranstal­tungen gefahren werden, dann handelt es sich grundsätzlich - auch im Verhältnis zum Sportverein - um eine reine Gefälligkeit, die sich im außer­recht­lichen Bereich abspielt, sodass Aufwendungs­ersatzansprüche gegen den Verein ausscheiden. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Die Parteien streiten um den Ersatz von Schäden, die die Klägerin bei einem Verkehrsunfall erlitten hat. Die Enkelin der Klägerin spielt in der Mädchen-Fußba­ll­mann­schaft des beklagten Vereins. Die Mannschaft nahm am 9. Januar 2011 in B. an der Hallen­kreis­meis­ter­schaft teil. Die Klägerin, die ihre Enkelin zu dieser Veranstaltung bringen wollte, verunfallte mit ihrem PKW auf der Fahrt nach B. und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die A. Versicherungs-AG, bei der der Beklagte eine Sport­ver­si­cherung unterhält, lehnte die bei ihr angemeldeten Ansprüche der Klägerin ab. Nach den Versi­che­rungs­be­din­gungen würden nur Vereins­mit­glieder und zur Durchführung versicherter Veranstaltungen "offiziell eingesetzte" Helfer Versi­che­rungs­schutz genießen; zu diesem Personenkreis gehöre die Klägerin jedoch nicht. Die Klägerin hat daraufhin den Beklagten auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlan­des­gericht den Beklagten - unter Zurückweisung der Berufung bezüglich des begehrten Schmer­zens­geldes - zur Zahlung von 2.811,63 € nebst Zinsen verurteilt.

Bundes­ge­richtshof weist Klage ab

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision des Beklagten das Urteil des Oberlan­des­ge­richts, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, aufgehoben und das klagabweisende landge­richtliche Urteil bestätigt. Nach der Senats­recht­sprechung ist im Bereich der rechts­ge­schäft­lichen Schuld­ver­hältnisse zwischen einem Auftrags- und einem Gefäl­lig­keits­ver­hältnis zu unterscheiden. Ob jemand für einen anderen ein Geschäft im Sinne des § 662 BGB besorgt oder jemandem nur eine (außerrechtliche) Gefälligkeit erweist, hängt vom Rechts­bin­dungs­willen ab. Maßgeblich ist insoweit, wie sich dem objektiven Beobachter - nach Treu und Glauben unter Berück­sich­tigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte - das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungs­emp­fänger wesentliche Interessen wirtschaft­licher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaft­liches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswillen zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel beim sogenannten Gefäl­lig­keits­handeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im gesell­schaft­lichen Bereich oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein. Genauso muss, um Wertungs­wi­der­sprüche zu vermeiden, im Bereich der gesetzlichen Schuld­ver­hältnisse zwischen der Geschäfts­führung ohne Auftrag nach §§ 677 ff BGB und der (außer­recht­lichen) Gefälligkeit ohne Auftrag unterschieden werden. Maßgeblich ist insoweit ebenfalls, wie sich dem objektiven Beobachter - nach Treu und Glauben unter Berück­sich­tigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte - das Handeln des Leistenden darstellt. Die Abgrenzung erfolgt unter Berück­sich­tigung unter anderem der Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaft­lichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen sie erbracht wird, und der dabei entstehenden Interessenlage der Parteien. Gefälligkeiten des täglichen Lebens oder vergleichbare Vorgänge können insoweit regelmäßig den Tatbestand der §§ 677 ff BGB nicht erfüllen.

Bundes­ge­richtshof: Fahrt zur Kreis­meis­ter­schaft stellte Gefälligkeit dar

Die Klägerin hat im vorliegenden Fall ihre Enkelin nach B. fahren wollen, um dieser die Teilnahme an der Kreis­meis­ter­schaft zu ermöglichen. Dies geschah aus Gefälligkeit gegenüber ihrer Enkelin beziehungsweise deren sorge­be­rech­tigten Eltern. An dem Charakter der Fahrt als Gefälligkeit ändert sich nichts dadurch, dass der Transport nicht ausschließlich im alleinigen Interesse der Enkelin und ihrer Eltern, sondern auch im Interesse der Mannschaft und damit des beklagten Sportvereins lag. Der "Bringdienst" der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen war nach den tatrich­ter­lichen Feststellungen Sache der Eltern beziehungsweise anderer Angehöriger oder Freunde. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörungen vor den Insta­nz­ge­richten angegeben, die Kinder seien immer privat gefahren worden. Sie selbst habe viele Fahrten durchgeführt und dafür nie etwas bekommen. Wenn sie nicht gefahren wäre, hätte man den Transport innerhalb der Familie oder der übrigen Vereins­mit­glieder so umorganisiert, dass eine andere Person ihre Enkelin gefahren hätte. Dieser übliche Ablauf spricht entscheidend dagegen, den auf freiwilliger Grundlage erfolgten Transport der Kinder zu Auswärtsspielen durch Personen aus ihrem persönlichen Umfeld als auf der Grundlage eines mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ausgestalteten Schuld­ver­hält­nisses erbracht anzusehen. Vielmehr handelt es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines Amateur­sport­vereins von ihren Familien­an­ge­hörigen oder Angehörigen anderer Vereins­mit­glieder zu Sport­ver­an­stal­tungen gefahren werden, grundsätzlich - auch im Verhältnis zum Sportverein - um eine reine Gefälligkeit, die sich im außer­recht­lichen Bereich abspielt. Solange keine gegenteiligen Absprachen getroffen werden, scheiden damit Aufwen­dungs­er­satz­ansprüche aus.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (p)

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