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Dokument-Nr. 1665

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Bundesgerichtshof Urteil09.01.2006

Zur Einlagepflicht eines Gesellschafters bei der Vorrats-GmbHKeine Verdoppelung der Einlagepflicht der Gesellschafter einer „auf Vorrat“ gegründeten GmbH, wenn der Einlagebetrag sogleich an den Gesellschafter zurückgezahlt wird

Der Bundes­ge­richtshof hat erneut über die von Insta­nz­ge­richten unterschiedlich behandelte Frage zu entscheiden, wie im Rahmen der Kapita­l­auf­bringung einer neu gegründeten GmbH der Vorgang rechtlich zu beurteilen ist, dass der Gesellschafter den geschuldeten Einlagebetrag an die Gesellschaft zahlt, ihn aber in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zurückerhält (sog. „Hin- und Herzahlen“).

Nach den das deutsche Kapital­schutz­system prägenden, auf einen Mindestschutz der Gläubiger bedachten Regeln muss der Gesellschafter einer GmbH die geschuldete Einlage ordnungsgemäß und endgültig zur freien Verfügung der Geschäfts­führung der Gesellschaft einzahlen (Kapita­l­auf­bringung) und darf diese für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft nicht wieder entnehmen (Kapita­l­e­r­haltung): Gegen diese Regeln wird in der Praxis öfter verstoßen. Im Rahmen der Kapita­l­auf­bringung geschieht es immer wieder, dass sich die Gesellschafter nicht endgültig der geschuldeten Einlage entäußern. Die Folgen eines solchen Verhaltens waren in dem Fall zu beurteilen:

Der Kläger ist seit 2003 Insol­venz­ver­walter über das Vermögen einer GmbH. Diese war im April 1997 von der Beklagten als sog. „Vorrats­ge­sell­schaft“ gegründet worden. Nach der Gründung zahlte die Beklagte zunächst die Stammeinlage ein. Die Zahlung floss allerdings unmittelbar darauf an sie zurück. Dabei lag der Rückzahlung angeblich eine Treuhandabrede zugrunde, wonach der Gesellschafter das Geld zugunsten der Vorrats­ge­sell­schaft anlegen sollte. Zwei Monate später übertrug die Beklagte ihre Geschäfts­anteile an der Schuldnerin auf einen Dritten. Im Zuge dessen zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe der Stammeinlage an die Schuldnerin. Der Kläger hat diese Zahlung mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte selbst aufgrund der Treuhandabrede hat leisten wollen, nicht als Einlageleistung gelten lassen wollen und von der Beklagten die nochmalige Zahlung der Stammeinlage verlangt. In den Vorinstanzen hat der Kläger im Wesentlichen Recht bekommen.

Zur Begründung hat das Berufungs­gericht ausgeführt, durch das ursprüngliche Hin- und Herzahlen habe die Beklagte ihre Einlageschuld nicht erfüllen können; die Einzahlung der 50.000 DM im Zuge der Veräußerung der Geschäfts­anteile habe deswegen keine Tilgungswirkung gehabt, weil die Beklagte nicht auf die Einlageschuld, sondern zur Erfüllung der Pflichten aus der Treuhandabrede HABE zahlen wollen. Im Ergebnis muss die Beklagte danach den Betrag von 50.000 DM zwei mal leisten.

Auf die von dem Berufungs­gericht zugelassene Revision hat der II. Zivilsenat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Auffassung des Berufungs­ge­richts, dass die Beklagte durch den Vorgang des Hin- und Herzahlens ihre Einlageschuld nicht hat tilgen können, billigt er, sie steht im Einklang mit der seit vielen Jahren gefestigten und auch im Schrifttum mehrheitlich vertretenen höchst-richterlichen Rechtsprechung.

Verworfen hat er dagegen die Vorstellung des Berufungs­ge­richts, die Beklagte habe auch durch die spätere Zahlung von 50.000 DM ihre Einlageschuld nicht erfüllen können. Da das Hin- und Herzahlen wirtschaftlich als ein einheitlicher, sich selbst neutra­li­sie­render Vorgang anzusehen ist, hat die beklagte Gesell­schafterin nichts geleistet und die Gesellschaft nichts erhalten; eine in diesem Zusammenhang für das „Herzahlen“ getroffene „Treuhand-„ oder „Darlehensabrede“ ist rechtlich unwirksam. Da der Sachverhalt so anzusehen ist, als habe der Gesellschafter den Einlagebetrag in seinem Vermögen behalten, ist auf keiner Seite eine Bereicherung eingetreten. Offen ist ausschließlich die Einlageschuld, die durch die spätere Einzahlung getilgt worden ist; dass sie mit einer rechtlich falschen Tilgungs­be­stimmung versehen worden ist, ändert daran nichts und führt vor allem nicht dazu, dass der Gesellschafter – gerade in der Insolvenz verwirklicht sich diese Gefahr – zweimal zahlen muss, nämlich auf die unwirksame „Treuhandabrede“ oder das unwirksame „Darlehen“ und außerdem auf die Einlageschuld.

Das Berufungs­gericht setzt sich mit der von ihm favorisierten Lösung bewußt, weil es den Kapital­schutz­vor­schriften in diesem Zusammenhang unangemessen formstrenge Bedeutung beimißt, darüber hinweg, dass dem Sinn der Kapita­l­auf­brin­gungs­regeln zuwider derjenige Gesellschafter besser gestellt ist, der den Fehler bei der Einlagezahlung nicht alsbald behebt, sondern zuwartet, bis er von dem Insol­venz­ver­walter zwangsweise zur Einlagezahlung veranlaßt wird: Er muss nur einmal leisten, während der gesetzestreu vorgehende Gesellschafter „der Dumme“ ist und – ohne Aufrech­nungs­mög­lichkeit – ein zweites Mal an den Insol­venz­ver­walter zahlen muss.

Erläuterungen

Vorinstanzen:

LG Flensburg - Urteil. v. 21.Januar 2004 - 4 O 248/03

OLG Schleswig - Urteil. v. 27. Januar 2005 - 5 U 22/04

Quelle: Pressemitteilung Nr. 02/06 des BGH vom 09.01.2006

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