21.11.2024
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Dokument-Nr. 4511

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Urteil09.07.2007BundesgerichtshofII ZR 62/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DB 2007, 2025Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2007, Seite: 2025
  • DZWiR 2008, 68Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (DZWiR), Jahrgang: 2008, Seite: 68
  • MDR 2007, 1433Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2007, Seite: 1433
  • NJW 2007, 3425Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2007, Seite: 3425
  • NZG 2007, 754Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG), Jahrgang: 2007, Seite: 754
  • WM 2007, 1739Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2007, Seite: 1739
  • ZIP 2007, 1751Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2007, Seite: 1751
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil26.10.2004, 2/26 O 293/03
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil10.02.2006, 10 U 265/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.07.2007

BGH zur Abgrenzung von Nachgründungs­geschäften und gemischten verdeckten Sacheinlagen

Der Kläger ist Insol­venz­ver­walter über das Vermögen der Polyamid 2000 Handels- und Produktions­gesellschaft Premnitz AG (Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb eine Chemieanlage, im Rahmen derer in einem neuartigen Verfahren aus Teppich­bodenabfällen Polyamid (Perlon bzw. Nylon) als Rohstoff zurückgewonnen werden sollte.

Die Schuldnerin wurde im Oktober 1996 von einem Allein­ge­sell­schafter gegründet und im Juni 1997 in das Handelsregister eingetragen. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug ursprünglich 100.000 DM. Mitte 1998 beteiligten sich die Beklagten mit insgesamt 24,9 % an der Schuldnerin. Parallel hierzu stellte die Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba) der Schuldnerin einen Kredit mit einem Gesamtvolumen von 220 Mio. DM zur Verfügung. Über weitere 107 Mio. DM erging ein Zuwen­dungs­be­scheid der Inves­ti­ti­o­nsbank des Landes Brandenburg. Die Schuldnerin ihrerseits beauftragte eine der zum Metall­ge­sell­schafts-Konzern (nunmehr: GEA Group AG) gehörenden Beklagten als General­un­ter­nehmerin mit der Errichtung der Recycling-Anlage, wofür eine Vergütung von 292,2 Mio. DM (netto) vereinbart wurde.

Insgesamt zahlte die Schuldnerin in der Folgezeit an die Beklagten für die Errichtung der Anlage rund 165 Mio. €. Nur wenige Monate nach Inbetriebnahme der Anlage zeigte sich, dass diese nicht kostendeckend betrieben werden konnte. Der Betrieb wurde eingestellt und im August 2003 das Insol­venz­ver­fahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des gesamten von der Schuldnerin für die errichtete Anlage geleisteten Werklohnes mit der Begründung, der Werkvertrag sei ein gemäß § 52 AktG unwirksames Nachgrün­dungs­ge­schäft mit der Folge, dass ein unbedingter aktien­recht­licher Rückfor­de­rungs­an­spruch aus § 62 AktG bestehe.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Zahlungs­an­spruch in voller Höhe weiterverfolgt.

Der für das Gesell­schaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat das Berufungsurteil teilweise – die beklagte General­un­ter­nehmerin betreffend – aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Hinsichtlich der übrigen Beklagten hat er die Revision zurückgewiesen.

Der Senat ist dabei der Argumentation der Parteien und des Berufungs­ge­richts, die den Sachverhalt nur im Lichte der Regelung der §§ 52, 62 AktG untersucht haben, bereits im Ansatz entge­gen­ge­treten, weil zum einen § 62 AktG in den Fällen des § 52 AktG nicht eingreift und zum anderen der bei der Zeichnung der Aktien durch die Beklagten zu 1 und 3 bereits abgesprochene Werkvertrag sich als verdeckte gemischte Sacheinlage darstellt. Dies führt in der Rechtsfolge zwar zu einer Unwirksamkeit des Errich­tungs­ver­trages, nicht aber zu dem vom Kläger geltend gemachten Rückzah­lungs­an­spruch aus § 62 AktG, sondern nur zu einem Berei­che­rungs­an­spruch (Saldotheorie) in Höhe einer etwaigen Differenz zwischen dem gezahlten Werklohn und dem Wert der rechtsgrundlos empfangenen Werkleistungen. Insoweit fehlt es bislang an einem Vortrag des Klägers. Da er – wie auch die Instanzgerichte – die hier maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte nicht erkannt hatte, war ihm gemäß § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Darlegungen nachzuholen. Der offene Einlageanspruch war nicht Gegenstand der Klage.

Quelle: ra-online, BGH (pm)

der Leitsatz

AktG §§ 27, 52, 62, 183; BGB §§ 812, 818; ZPO §§ 592 ff.

a) Eine verdeckte gemischte Sacheinlage (vgl. Sen.Urt. v. 20. November 2006 - II ZR 176/05, ZIP 2007, 178) liegt auch dann vor, wenn eine Aktien­ge­sell­schaft innerhalb der Zweijahresfrist des § 52 Abs. 1 AktG im Zusammenhang mit einer Barka­pi­ta­l­e­r­höhung ein Austausch­ge­schäft mit dem Zeichner der neuen Aktien schließt und das vereinbarte Entgelt den Betrag seiner Einla­ge­ver­pflichtung (oder auch das Vo-lumen der Kapitalerhöhung) um ein Vielfaches übersteigt.

b) Das gemäß § 183 Abs. 2 Satz 1 AktG unwirksame Austausch­ge­schäft ist, soweit nicht dingliche Ansprüche des Inferenten (§§ 985, 894 BGB) eingreifen (vgl. BGHZ 155, 329), nach Berei­che­rungsrecht (§§ 812, 818 BGB) unter Saldierung der beiderseitigen Berei­che­rungs­ansprüche rückabzuwickeln. Das gilt auch im Insol­venz­ver­fahren der Gesellschaft jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen des sinngemäß anzuwendenden § 94 InsO vorliegen.

c) Ein aktien­recht­licher Rückfor­de­rungs­an­spruch der Gesellschaft gemäß § 62 AktG besteht weder in den Fällen der §§ 27 Abs. 3 Satz 1, 183 Abs. 2 Satz 1 AktG noch im Fall der Unwirksamkeit eines Nachgrün­dungs­ge­schäfts gemäß § 52 Abs. 1 AktG. Unberührt bleibt der Anspruch der Gesellschaft auf (erneute) Zahlung des Ausgabebetrages der Aktien gemäß §§ 27 Abs. 3 Satz 3, 183 Abs. 2 Satz 3 AktG.

d) Auch im Urkundenprozess (§§ 592 ff. ZPO) können die Gesellschaft oder ihr Insol­venz­ver­walter nicht ohne weiteres das aufgrund des unwirksamen Austausch­ge­schäfts Geleistete zurückfordern, sondern nur einen Anspruch auf den nach Saldierung verbleibenden Überschuss geltend machen und müssen daher einen entsprechenden Saldo - unter Beachtung ihrer prozessualen Wahrheits­pflicht (§ 138 ZPO) - darlegen.

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