15.11.2024
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Dokument-Nr. 1894

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Bundesgerichtshof Urteil13.02.2006

Zur Zulässigkeit eines "Nullausgleichs" für außenstehende Aktionäre bei Gewin­n­ab­füh­rungs­vertrag mit chronisch defizitärer Aktien­ge­sell­schaft

Der II. Zivilsenat hatte darüber zu entscheiden, ob der einem Gewin­n­ab­füh­rungs­vertrag zustimmende Beschluss der Haupt­ver­sammlung einer Aktien­ge­sell­schaft deshalb anfechtbar ist, weil der Vertrag den Ausgleich für außenstehende Aktionäre auf ,00 € festgesetzt hat.

Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten, einer seit längerem defizitär arbeitenden Straßenbahnen-Gesellschaft. Diese schloss mit ihrer Mehrheits­ak­ti­onärin einen Gewin­n­ab­füh­rungs­vertrag, der einen Ausgleich von ,00 € für außenstehende Aktionäre vorsah. Die Haupt­ver­sammlung der Beklagten stimmte dem Vertrag zu. Die dagegen gerichtete Anfech­tungsklage der Klägerin blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungs­gericht hat die Revision nicht zugelassen.

Der Senat hat die auf die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde der Klägerin wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Ein Gewin­n­ab­füh­rungs­vertrag, durch den sich eine Aktien­ge­sell­schaft zur Abführung ihres ganzen Gewinns an ein anderes Unternehmen verpflichtet, führt normalerweise dazu, dass die Gesellschaft keinen Bilanzgewinn mehr ausweisen kann und deshalb eine Dividende der außenstehenden Aktionäre entfällt. Gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AktG muss deshalb ein Gewin­n­ab­füh­rungs­vertrag einen "angemessenen Ausgleich" für die außenstehenden Aktionäre durch jährliche Zahlung zumindest desjenigen Betrages vorsehen, der ohne den Unter­neh­mens­vertrag als Gewinnanteil (Dividende) auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Ergibt die Ertragsprognose (zum Stichtag des Haupt­ver­samm­lungs­be­schlusses; vgl. Senat, BGHZ 138, 136, 139 f.), dass ein positiver Ertrag ohnehin nicht zu erwarten wäre, wie das von den Parteien des vorliegenden nur aus steuerlichen Gründen abgeschlossenen Gewin­n­ab­füh­rungs­ver­trages angenommen und durch den gerichtlich bestellten Vertragsprüfer (§ 293 c AktG) bestätigt worden ist, kann auch ein sog. "Nullausgleich" angemessen sein. Seine Festsetzung und Prüfung unterliegt wie jede sonstige Ausgleichs­re­gelung dem geordneten Verfahren gemäß §§ 293 a ff. AktG und ist dem gemäß § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG mit der Nichtigkeit des Unter­neh­mens­ver­trages sanktionierten Fall, dass der Vertrag "überhaupt keinen Ausgleich vorsieht", nach Sinn und Zweck sowie nach der Entste­hungs­ge­schichte dieser Vorschrift nicht gleichzustellen. Fragen der Angemessenheit einer Ausgleichs­re­gelung und der Richtigkeit ihrer Grundlagen einschließlich derjenigen eines Nullausgleichs berühren die Wirksamkeit des Unter­neh­mens­ver­trages nicht und können gemäß § 304 Abs. 3 Satz 2, 3 AktG auch nicht im Wege der Anfechtung des dem Vertrag zustimmenden Haupt­ver­samm­lungs­be­schlusses, sondern nur in dem dafür vorgesehenen Spruchverfahren geltend gemacht werden, das ggf. zu einer Erhöhung des Ausgleichs führen kann. Die Anfech­tungsklage der Klägerin ist deshalb in den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden.

Vorinstanzen:

LG Bochum - Urteil vom 19. Februar 2003 - 13 O 192/02

OLG Hamm - Urteil vom 18. November 2003 - 27 U 66/03

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 13.02.2006

der Leitsatz

AktG § 304; SpruchG §§ 1 ff.

Die Festsetzung eines sog. "Null-Ausgleichs" für außenstehende Aktionäre in einem Ergeb­ni­s­ab­füh­rungs­vertrag mit einer chronisch defizitären Aktien­ge­sell­schaft führt weder zur Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG noch zur Anfechtbarkeit des ihm zustimmenden Haupt­ver­samm­lungs­be­schlusses. Eine etwaige Unange­mes­senheit des Null-Ausgleichs kann gemäß § 304 Abs. 3 Satz 2, 3 AktG nur im Spruchverfahren (§§ 1 ff. SpruchG) geltend gemacht werden.

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