23.11.2024
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Dokument-Nr. 1000

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Bundesgerichtshof Urteil19.09.2005

BGH zur Rechts- und Parteifähigkeit liech­ten­stei­nischer Kapital­ge­sell­schaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland

Die Klägerin ist eine nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein gegründete und seit 1992 im Handelsregister des Öffent­lich­keits­re­gis­teramtes in Vaduz eingetragene Aktien­ge­sell­schaft, deren Geschäft­s­tä­tigkeit über weite Zeiträume in der Bundesrepublik Deutschland stattfand. In einem deutschen Handelsregister ist die Gesellschaft nicht eingetragen.

Im Jahr 1997 gewährte sie der nunmehrigen Gemein­schuldnerin, über deren Vermögen nach vorheriger Sequestration das Insol­venz­ver­fahren im Jahr 1999 eröffnet worden ist, ein Darlehen für den Erwerb eines Mietshauses und ließ sich als Sicherheit die Mietzins­for­de­rungen aus dem Objekt abtreten. Wie sich aus der im Rechtsstreit erteilten Auskunft des beklagten Konkurs­ver­walters ergibt, hat dieser von seiner Bestellung als Sequester an (Januar 1999) bis zum 31. Juli 1999 Mieten in einer Gesamthöhe von (umgerechnet) 12.529,94 € erhalten. Diesen Betrag fordert die Klägerin von dem Beklagten.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin nach dem Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme ihren Verwaltungssitz in Deutschland gehabt habe und - mangels Eintragung in einem deutschen Handelsregister - hier nicht rechtsfähig sei. Das Oberlan­des­gericht hat unter Rückgriff auf die im EWR-Abkommen statuierte Nieder­las­sungs­freiheit sowie die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (sog. Überseering-Entscheidung) der Klägerin die Rechtsfähigkeit zugebilligt und der Klage - unter Zulassung der Revision - stattgegeben.

Der für das Gesell­schaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs teilt die Auffassung des Berufungs­ge­richts zur Zulässigkeit der Klage. Auch er hält die Klägerin für rechts- und parteifähig und stützt sich dabei u. a. auf sein am 14. März 2005 (II ZR 5/03) ergangenes Urteil. Dort hatte er ausgesprochen, dass die in einem Vertragsstaat der Europäischen Gemeinschaft wirksam gegründeten Gesellschaften im Inland rechts- und parteifähig sind.

Dieselben Prinzipien gelten auch für eine in einem EFTA-Staat gegründete Kapital­ge­sell­schaft. Art. 31 des von Deutschland ratifizierten EWR-Abkommens regele die Nieder­las­sungs­freiheit in vergleichbarer Weise wie dies in Art. 43 des EG-Vertrages geschehen sei, so dass eine einschränkende Auslegung im Verhältnis zu einem EFTA-Staat ausscheide. Denselben Standpunkt nehme auch der EFTA-Gerichtshof ein, der seinerseits den Gleichklang seiner Rechtsprechung zur Nieder­las­sungs­freiheit mit derjenigen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften betont habe.

Ob die Klägerin indessen von dem Beklagten Ersatz für die eingezogenen Mieten fordern kann, hängt aus insol­venz­recht­lichen Gründen von der Frage ab, ob die Mieten während der Zeit der Sequestration oder erst nach Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens gezahlt worden sind. Diese bisher im Rechtsstreit übersehene Frage muss noch tatrichterlich geklärt werden; deswegen hat der II. Zivilsenat den Rechtsstreit an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Vorinstanzen:

LG Limburg - 1 O 154/00 ./. OLG Frankfurt - 23 U 35/02

Quelle: Pressemitteilung Nr. 128/2005 des Bundesgerichtshofs vom 20.09.2005

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