15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 1772

Drucken
Urteil23.01.2006BundesgerichtshofII ZR 306/04 und II ZR 126/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil23.01.2006

Grenze für Nachschuss­pflicht muss auch bei Publi­kums­ge­sell­schaften im voraus festgelegt werden

Erneut hat der Bundes­ge­richtshof darüber entschieden, dass nachträgliche Beitrags­er­hö­hungen („Nachschüsse“) auch in einer Publi­kums­per­so­nen­ge­sell­schaft nicht ohne weiteres durch die Mehrheit beschlossen werden können, sondern dass es hierzu einer im voraus vereinbarten Grenze bedarf.

Klägerin ist in beiden Verfahren eine Publi­kums­ge­sell­schaft in Form einer BGB-Gesellschaft, deren Zweck die Errichtung und Bewirtschaftung einer Immobilie ist. Die Beklagten traten 1991 bzw. 1992 mit einem betragsmäßig feststehenden Eigenkapital der jeweiligen Gesellschaft bei und werden nunmehr auf Zahlung von als „Nachschüssen“ bezeichneten Geldbeträgen, die erforderlich sind, sog. „Unterdeckungen“ auszugleichen, in Anspruch genommen. Die Beklagten verweigern die ge-forderten Nachzahlungen unter Berufung auf § 707 BGB. Danach ist ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts dieser gegenüber weder verpflichtet, mehr als den vereinbarten Beitrag zu leisten noch während des Bestehens der Gesellschaft seine durch Verlust verminderte Einlage zu ergänzen. Davon zu unterscheiden ist die – im vorliegenden Fall unerhebliche – Haftung im Außenverhältnis gegenüber Gläubigern der Gesellschaft.

Die Vorinstanzen haben jeweils angenommen, die Beklagten seien wirksam durch die gefassten Mehrheits­be­schlüsse verpflichtet worden, die Nachzahlungen zu leisten; sie haben deshalb den Klagen stattgegeben. Hiergegen richten sich die vom Senat und vom Berufungs­gericht zugelassenen Revisionen der jeweiligen Beklagten.

Der II. Zivilsenat hat auf die Revisionen der Beklagten beide Klagen abgewiesen, weil einer Nachzah­lungs­ver­pflichtung § 707 BGB, der den Gesellschafter vor Auflösung der Gesellschaft vor einer unfreiwilligen Vermehrung seiner Beitrags­pflichten schützen will, entgegensteht. In beiden Fällen war nämlich die Nachschuss­pflicht weder als solche im Gesell­schafts­vertrag mit der erforderlichen Deutlichkeit niedergelegt worden, noch konnte sie durch Mehrheits­be­schluss begründet werden. Abweichend von § 707 BGB, der dispositiv ist, kann der Gesell­schafts­vertrag grundsätzlich bestimmen, dass die Gesellschafter über die eigentliche Einlageschuld hinaus weitergehende Beitrags­pflichten zu erfüllen haben. Das bedarf aber zweifelsfreier Festlegung, damit jeder einer Perso­nen­ge­sell­schaft Beitretende im voraus ersehen kann, welche Beitrags­pflichten er übernimmt. Dementsprechend hängt nach der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung auch die Zulässigkeit nachträglicher, durch Mehrheits­be­schluss begründeter Beitrags­pflichten davon ab, dass in dem jeweiligen Gesell­schafts­vertrag eine Obergrenze für Beitrags­er­hö­hungen festgelegt oder das Erhöhungsrisiko sonst in entsprechender Weise eingegrenzt wird. Für Publi­kums­ge­sell­schaften gilt nichts anderes.

Gesell­schafts­ver­tragliche Bestimmungen, die den einzelnen Gesellschafter zu Nachschuss­zah­lungen verpflichten, „soweit bei laufender Bewirtschaftung des Grundstücks Unterdeckungen auftreten“ oder „soweit die laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben nicht decken“, genügen diesen Anforderungen nicht, sie können deshalb nicht Grundlage einer Nachschuss­ver­pflichtung sein.

Die besonderen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein Gesellschafter aufgrund der gesell­schaf­ter­lichen Treuepflicht verpflichtet ist, einem Mehrheits­be­schluss, auch wenn er eine Beitrags­er­höhung betrifft, zuzustimmen, hat der II. Zivilsenat in beiden Fällen verneint.

Erläuterungen

Vorinstanzen:

AG Charlottenburg, AZ: 206 C 176/04

LG Berlin, AZ: 52 S 298/04

LG Augsburg, AZ: 1 739/02

OLG München, AZ: 30 U 705/03

Quelle: Pressemitteilung Nr. 12/06 des BGH vom 23.01.2006

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil1772

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI