14.11.2024
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Dokument-Nr. 4327

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Bundesgerichtshof Urteil04.06.2007

Fall ComRoad: BGH bestätigt erneut Grundsätze der Infor­ma­ti­o­ns­de­likt­s­haftungAnleger muss Grund für Aktienkauf beweisen

Der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, nach der eine Aktien­ge­sell­schaft sich nicht auf § 57 (Verbot der Einla­gen­rü­ck­gewähr) und § 71 (Beschränkung des Erwerbs eigener Aktien) AktG berufen kann, wenn sie von Anlegern wegen der durch ihren Vorstands­vor­sit­zenden begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 826, 31 BGB) in Anspruch genommen wird. Außerdem bekräftigte der BGH seine strengen Anforderungen an die Beweise, die Aktionäre erbringen müssen, wenn sie behaupten, dass ihr Schaden wegen falscher Ad-hoc-Mitteilungen entstanden ist. Sie müssen beweisen, dass sie die Aktien gerade wegen der (falschen) Börsen­mit­tei­lungen erworben haben.

Die Beklagte ist die ComRoad AG, deren Aktien früher am Neuen Markt gehandelt wurden. Die beiden Kläger sind Aktionäre der Beklagten, die Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der Beklagten über die Börse begehren.

Am 26. November 1999 wurden die Aktien der Beklagten erstmals zum Handel am Neuen Markt zugelassen. In der Folge stieg deren Kurs binnen weniger Wochen auf mehr als das Zehnfache des Ausgabekurses an und erreichte im September 2000 den historischen Höchstkurs. In den Jahren 2000 und 2001 trat der Vorstands­vor­sitzende der Beklagten regelmäßig mit Ad-hoc-Mitteilungen der Gesellschaft an die Öffentlichkeit., in denen jeweils eine stetige Erweiterung des Geschäfts­vo­lumens sowie eine Verbesserung des Geschäft­s­er­geb­nisses gemeldet wurden. Im Frühjahr 2002 stellte sich heraus, dass diese Mitteilungen inhaltlich falsch waren und die ihnen zugrunde gelegten Umsätze der Beklagten weitgehend durch deren damaligen Vorstands­vor­sit­zenden - dieser ist zwischen­zeitlich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden - fingiert worden waren. Die Kläger hatten ihre Aktien im Zeitraum von September 2000 bis Mai 2001 zu Kursen zwischen 61,-- und 15,-- EUR erworben. Nach Bekanntwerden der Manipulationen fiel der Kurs der Aktie der Beklagten dauerhaft auf deutlich unter 1,-- EUR.

Das Landgericht hat beide Klagen abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat nach jeweiliger Partei­ver­nehmung der Kläger deren Schaden­s­er­satz­be­gehren im wesentlichen stattgegeben und die Revisionen zugelassen.

Der II. Zivilsenat hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass die AG sich nicht auf § 57 (Verbot der Einla­gen­rü­ck­gewähr) und § 71 (Beschränkung des Erwerbs eigener Aktien) AktG berufen kann, wenn sie von Anlegern wegen der durch ihren Vorstands­vor­sit­zenden begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 826, 31 BGB) in Anspruch genommen wird. Beanstandet hat der Senat die Kausa­li­täts­er­wä­gungen des angefochtenen Urteils, weil sie seiner gefestigten Rechtsprechung entgegenstehen, dass im Rahmen der Infor­ma­ti­o­ns­de­likt­s­haftung gemäß § 826 BGB der Nachweis des konkreten Kausa­l­zu­sam­menhangs zwischen einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung und der individuellen Anlage­ent­scheidung auch dann geführt werden muss, wenn die Kapital­ma­rk­t­in­for­mation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist. Der II. Zivilsenat hat schon in der Vergangenheit die von dem Berufungs­gericht der Sache nach vertretene US-amerikanische fraud-on-the-market-theory, die lediglich an das enttäuschte allgemeine Anleger­ver­trauen in die Integrität der Markt­preis­bildung anknüpft, für das deutsche Deliktsrecht verworfen.

Wegen verfah­rens­feh­ler­haften Übergehens weitergehenden Parteivortrags der Kläger sind die Berufungs­urteile aufgehoben und die Sachen an das OLG zur erneuten Verhandlung und ggf. Beweisaufnahme zurückverwiesen worden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 65/07 des BGH vom 04.06.2007

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